Öffnet eine externe Seite Link zur Startseite

Bundesamt für Naturschutz

Zugvogelbewegungen über dem Meer: modernste Technik erweitert Analysemöglichkeiten

Presse
Meere
Erneuerbare Energien
Erprobungs- und Entwicklungsvorhaben
17.04.2019
Bonn/Kiel
Was haben Möwe, Rotkehlchen und Großer Brachvogel gemeinsam? Sie sind über dem Meer unterwegs, rastend, auf Futtersuche oder dem Weg zwischen Brut- und Überwinterungsgebiet. Und: Sie alle können mit Offshore-Windenergie-Anlagen in Konflikt geraten. Welche Auswirkungen deren Ausbau auf ziehende und rastende Land- und Seevögel hat, ist unter anderem Thema des Projekts „BIRDMOVE“, das durch das Bundesamt für Naturschutz (BfN) gefördert wird.
Basstölpel im Flug
Basstölpel im Flug

Was haben Möwe, Rotkehlchen und Großer Brachvogel gemeinsam? Sie sind über dem Meer unterwegs, rastend, auf Futtersuche oder dem Weg zwischen Brut- und Überwinterungsgebiet. Und: Sie alle können mit Offshore-Windenergie-Anlagen in Konflikt geraten. Welche Auswirkungen deren Ausbau auf ziehende und rastende Land- und Seevögel hat, ist unter anderem Thema des Projekts „BIRDMOVE“, das durch das Bundesamt für Naturschutz (BfN) gefördert wird.

Inzwischen ermöglicht es der technische Fortschritt, insbesondere die Verkleinerung von Sendern auf Mini-Formate, die Zugbewegungen nicht nur von größeren See- und Wasservögeln, sondern auch von kleinen Singvögeln über dem Meer zu analysieren. „Satellitentelemetrie kommt bei vielen Seevogelarten bereits erfolgreich zum Einsatz. Die als Rucksack getragenen Sender mit eingebautem GPS verraten uns detailreich, welche Flugwege einzelne Tiere zurücklegen“, erläutert Prof. Beate Jessel, Präsidentin des BfN. „Besonders aufschlussreich sind die Flugwege über See oder nachts, die sich unserer direkten Beobachtung weitestgehend entziehen. Hier konnten für verschiedene Arten, beispielsweise Sing- und Rotdrosseln, Brachvögel und Basstölpel, unterschiedliche Verhaltensweisen, auch im Hinblick auf Offshore-Windenergieanlagen, festgestellt werden. So meiden manche Arten die Windparks, andere werden angezogen.“ 

Im Rahmen des Projektes „BIRDMOVE“ war es durch Kooperation mit französischen und estnischen Forscherinnen und Forschern beispielsweise möglich, die Zugrouten Großer Brachvögel von der Atlantikküste über die Nord- und Ostsee bis in die russischen Brutgebiete aufzuzeichnen. Über die offene Ostsee zogen die Tiere in einem typischen Breitfrontzug und ihre Flugrouten überquerten dabei auch bestehende Offshore-Windparks. Aufgrund von technischen Weiterentwicklungen der GPS-Datenlogger gelang es für sieben Brachvögel, Flughöhen aufzuzeichnen. Die Tiere ziehen zwar zum Teil in mehreren Kilometern Höhe, die meisten aber überwiegend unter 300 Metern. Somit gab es deutliche Überschneidungen mit der Höhe von Windkraftanlagen bzw. deren Rotoren.

Intensiv untersuchen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler auch das Verhalten verschiedener Seevogelarten in und um Offshore-Windparks. Professor Stefan Garthe von der Universität Kiel beschreibt die Unterschiede: „Auf dem Meer lebende Seevögel meiden Offshore-Windparks oftmals deutlich. Dies hängt aber stark von der Vogelart ab. Während Basstölpel bei der Nahrungssuche die Windparks gewöhnlich umfliegen, verbringen Möwen mehr Zeit in den Windparks. Bei allen Vogelarten sehen wir aber erhebliche Unterschiede zwischen den einzelnen Individuen.“

Für die ebenfalls in großer Zahl über See ziehenden Singvogelarten fehlt es besonders an Informationen zu ihrem Verhalten auf See und an der Küste. Lediglich sehr kleine, nicht GPS-fähige Sender können von Rotkehlchen und ähnlichen Arten getragen werden. Im Rahmen des BIRDMOVE-Projektes errichtete ein Team des Instituts für Vogelforschung (Vogelwarte Helgoland) ein die deutsche Nordseeküste lückenlos umspannendes Netzwerk von Antennen, die die Signale dieser Sender empfangen können. Damit konnten erstmals detaillierte Bewegungen von Singvögeln an der Küste erfasst werden. So ziehen manche Tiere entlang der Küstenlinie, andere derselben Art aber auf das offene Meer.

In der Deutschen Bucht werden auch Radargeräte, Kameras und Mikrofone zur Erfassung des Vogelzugs eingesetzt. Über mehr als zwölf Jahre wurden etwa auf der Forschungsplattform FINO 1 ziehende Vögel erfasst. In dieser Zeit entstanden mehrere Offshore-Windparks, und es zeigte sich, dass tagsüber die überwiegende Mehrheit der Vögel den Anlagen ausweicht und zumindest das Kollisionsrisiko deutlich vermindert ist. Nach wie vor gibt es jedoch große Wissenslücken, etwa über die Auswirkungen solchen Ausweichverhaltens oder auch über das nächtliche Kollisionsrisiko. Nachts und insbesondere bei schlechtem Wetter ist die Erfassung kleiner Vögel technisch bislang nahezu unmöglich.

BfN-Präsidentin Prof. Beate Jessel betont daher: „In den ersten Jahren des Ausbaus der Offshore-Windenergie haben wir insbesondere darauf geschaut, welche Auswirkungen die Windparks auf Meeressäugetiere und große Seevögel haben. Die Erkenntnisse aus BIRDMOVE und einer Reihe weiterer Forschungsprojekte machen jedoch eines ganz deutlich: Vor allem mit Blick auf weitere Zugvogelarten und auch Fledermäuse ist weiterhin dringender Forschungsbedarf gegeben, um den Handlungsbedarf besser einschätzen zu können.“

Forschungsprojekte

Das Bundesamt für Naturschutz (BfN) hat in den vergangenen Jahren bereits umfangreiche Forschungsprojekte mit verschiedenen renommierten Universitäts-Instituten und auch Firmen initiiert und gefördert. Das Wissen über ein erhöhtes Kollisionsrisiko, Barriere- oder Anlockungseffekte sowie Lebensraumverluste konnte dadurch bereits deutlich gesteigert werden.
Auf einer internationalen Konferenz in Berlin wurden kürzlich die möglichen Auswirkungen von Offshore-Windkraft auf den Vogelzug thematisiert. Knapp 100 Wissenschaftler, Behördenvertreter, Planer und Windparkbetreiber aus elf Ländern waren der Einladung der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, des Instituts für Vogelforschung „Vogelwarte Helgoland“ sowie der Firmen Gavia EcoResearch und Avitec Research GbR zum fachlichen Austausch gefolgt. In wissenschaftlichen Vorträgen stellten die Projekt-nehmer sowie weitere Experten den aktuellen Forschungsstand vor. Die Tagung war Teil des vom Bundesamt für Naturschutz mit Mitteln des Bundesumweltministeriums geförderten Projektes „BIRD-MOVE“. Neben dem aktuellen Wissensstand zu Flugwegen von See- und Landvögeln über dem offenen Meer wurde auch die Anwendbarkeit dieser neuen Erkenntnisse auf den Bereich Offshore-Windkraft thematisiert. 

Kontakt im BfN

Bundesamt für Naturschutz
Referat Presse, Öffentlichkeitsarbeit und Social Media
0228 8491-4444
Konstantinstraße 110, 53179 Bonn
Zurück nach oben