Bereich II - Das Vogelschutzgebiet Östliche Deutsche Bucht
Schlüsselarten und Anzahl*
Sterntaucher | Gavia stellata | Winter | 6.000 |
Prachttaucher | Gavia arctica | Winter | 170 |
Flussseeschwalbe | Sterna hirundo | Durchzug | 900** |
Küstenseeschwalbe | Sterna paradisaea | Durchzug | 650** |
Brandseeschwalbe | Sterna sandvicensis | Durchzug | 950 |
Zwergmöwe | Larus minutus | Durchzug | 2.200 |
Sturmmöwe | Larus canus | Winter | 3.000 |
Lachmöwe | Larus ridibundus | Durchzug | 110 |
Silbermöwe | Larus argentatus | Winter | 1.900 |
Heringsmöwe | Larus fuscus | Durchzug | 8.000 |
Mantelmöwe | Larus marinus | Winter | 310 |
Dreizehenmöwe | Rissa tridactyla | Winter | 1.500 |
Eissturmvogel | Fulmarus glacialis | Winter | 130 |
Schmarotzerraubmöwe | Stercorarius parasiticus | Durchzug | Nahrungsgast |
Spatelraubmöwe | Stercorarius pomarinus | Durchzug | Nahrungsgast |
Skua | Stercorarius skua | Durchzug | Nahrungsgast |
Basstölpel | Morus bassanus | Durchzug | 420 |
Tordalk | Alca torda | Winter | 1.400 |
Trottellumme | Uria aalge | Winter | 1.700 |
Trauerente | Melanitta nigra | Winter | 17.50 |
* aus Standard-Datenbogen, Stand 2020
** aus Standard-Datenbogen, Stand 2015
Wichtige Merkmale des Bereichs II
Die Abgrenzung des Gebiets erfolgte nach dem Vorkommen der gemäß Vogelschutzrichtlinie geschützten Anhang-I-Arten, sichert jedoch zahlreichen weiteren Seevogelarten wichtige Überwinterungs- und Nahrungsgebiete.
Die Abgrenzung des Vogelschutzgebietes / des Bereichs II des Komplexgebietes folgte vor allem den Verbreitungsschwerpunkten der überwinternden Stern- und Prachttaucher (Gavia stellata und Gavia arctica) sowie den Vorkommen von Brand-, Fluss- und Küstenseeschwalben (Sterna sandvicensis, Sterna hirundo und Sterna paradisaea) und von Zwerg- und Sturmmöwen (Hydrocoloeus minutusund Larus canus). Diese Arten sind als Anhang I – Arten der Vogelschutzrichtlinie (VRL) besonders geschützt. Die östliche und südliche Grenze des Bereichs verläuft an der 12-Seemeilen-Zone (Küstenmeer) und grenzt unmittelbar an das Seevogelschutzgebiet Helgoland und an den Nationalpark Schleswig-Holsteinisches Wattenmeer, beide sind als EU-Vogelschutzgebiete geschützt.
Der Bereich II beinhaltet wichtige Sandbänke und Riffe, die als FFH-Gebiet geschützt sind (Sylter Außenriff, Bereich I). Sie stellen wichtige Nahrungshabitate für die Seevögel dar.
Bedeutung des Schutzgebiets am Beispiel einiger Seevogelarten
Das Gebiet sichert große Teile des Überwinterungsgebiets von Stern- und Prachttauchern. Darüber hinaus dient es vielen Seevogelarten als Rast- und Nahrungsgebiet, auch verschiedenen Brutvogelarten Helgolands.
Im Vogelschutzgebiet sind sie in großer Anzahl im späten Winter bis weit in das Frühjahr (01.03. - 15.05.) hinein zu beobachten, um sich ausreichend Fettreserven für ihren Rückzug in die nordischen Brutgebiete anzufressen. Sowohl Stern- als auch Prachttaucher sind Nahrungsopportunisten, ihr Beutespektrum spiegelt daher die lokale Fischfauna wider. Vor allem benthopelagische kleinere Schwarmfische bis 25 cm Länge spielen in ihren Überwinterungs- und Rastgebieten eine große Rolle, zum Beispiel Heringe, Grundeln oder auch Dorsche. In der Brutzeit ernähren sie sich auch von kleineren Invertebraten und Amphibien. Die Fische werden tauchend erbeutet. Es konnten Tauchgänge bis rund 10 m Tiefe festgestellt werden. Aufgrund ihres Tauchverhaltens bei der Jagd können sich Seetaucher in Stellnetzen verfangen und ertrinken.
Die immer intensivere Nutzung der deutschen Meeresgebiete durch Fischerei, Offshore-Windkraft und Schiffsverkehr bedroht auch Seetaucher. Beobachtungen zeigen, dass ziehende Stern- und Prachttaucher häufig dicht über der Meeresoberfläche und nur selten höher als 50 m fliegen. Somit besteht für diese Arten ein Kollisionsrisiko mit technischen Bauwerken wie Offshore-Windkraftanlagen.
Auf Störungen reagieren Seetaucher sehr empfindlich und fliehen schon auf große Entfernung vor herannahenden Schiffen. Störungen können gravierende Auswirkungen haben: Stress, verringerte oder gar keine Nahrungsaufnahme, zusätzlicher Energieverbrauch durch die Flucht, Meidung von Gebieten mit hohem Schiffsaufkommen.
Zur Sicherung notwendiger Ruhezonen und Nahrungsgebiete ist das SPA Östliche Deutsche Bucht, der Bereich II des NSG, von herausragender Bedeutung für Stern- und Prachttaucher.
Weitere Seetaucherarten sind Eis- und Gelbschnabeltaucher, die auch mit geringen Vorkommen in deutschen Gewässern zu finden sind.
Innerhalb des Vogelschutzgebiets (Bereichs II des NSG) nutzt eine große Anzahl weiterer Zug- und Rastvogelarten die dort zahlreich vorkommenden Fischarten. Im gesamten Bereich befinden sich ganzjährig wichtige Nahrungshabitate der in Deutschland nur auf Helgoland brütenden Dreizehenmöwen (Rissa tridactyla), Trottellummen (Uria aalge), Tordalken (Alca torda), Eissturmvögel (Fulmarus glacialis) und Basstölpel (Morus bassanus).
Besonders intensiv wird der südliche Teil durch die Nähe zu Helgoland vor allem während der Brutzeit genutzt. Doch auch der Nordrand des Elbe-Urstromtals zieht die Seevögel ganzjährig zur Nahrungssuche an, denn hier gibt es durch die besonderen hydrografischen Strukturen Salzgehaltsfronten und Auftriebsgebiete, die offensichtlich einen großen Fischreichtum aufweisen.
Darüber hinaus nutzen auch Heringsmöwen (Larus fuscus) den Bereich II ganzjährig als Nahrungsgebiet. Den östlichen Bereich nutzen Trauerenten (Melanitta nigra) zunehmend zur Überwinterung.
Helgoland mit seinem „Lummenfelsen“ und der „Langen Anna“ ist der einzige Brutplatz für Trottellummen und Basstölpel sowie der weiter oben genannten Seevogelarten in Deutschland. Mehrere 1.000 Brutpaare der Trottellummen sind von etwa Mitte April bis Ende Juni auf Helgoland zu beobachten. Die Anzahl der Paare nimmt seit einigen Jahren zu und betrug 2020 bereits mehr als 4.200 Brutpaare. Die Jungvögel verlassen mit dem „Lummensprung“, bei dem sie sich von den Klippen aus ins Meer fallen lassen, die Nester etwa Mitte Juni.
Basstölpel brüteten 1991 zuerst auf Helgoland, seitdem nimmt ihr Brutbestand kontinuierlich zu und lag 2019 bei etwa 1.200 Brutpaaren, 2020 bei knapp 1.300 Paaren. Verschiedene Forschungsprojekte, unter anderm auch durch das BfN geförderte Projekte, befassen sich mit dieser Seevogelart. Beispielsweise werden mit Hilfe von GPS-Telemetrie Aktivitätsmuster der Tiere untersucht (MONTRACK des Forschungs- und Technologiezentrums Westküste der Universität Kiel), welche Rückschlüsse auf die Raumnutzung auf dem Meer erlauben. Auch der Bruterfolg der Basstölpel wird in diesem Projekt untersucht.
Des Weiteren wird in einem Kooperationsprojekt verschiedener Naturschutzverbände die Herkunft von Makroplastik sowie dessen Auswirkungen auf Seevögel untersucht (Projekt Basstölpel und Meeresmüll). Schwerpunktart dieses Projekts ist der Basstölpel, welcher aktiv künstliches Nistmaterial in seine Nester einträgt. Dies hat eine erhöhte Sterblichkeit insbesondere der Basstölpel-Nestlinge und -Jungvögel zur Folge, da sich diese in den Netzresten und Plastikringen verstricken und verenden können. Aber auch der Nachwuchs anderer Brutvogelarten der Helgoländer Felsküste, zum Beispiel der Trottellummen, leidet unter dem vermehrten Aufkommen von Plastik in der Nordsee.
Durchschnittliche Winter- und Frühjahrsbestände der Stern- und Prachttaucher
Deutsche Nordsee (durchschnittlicher Bestand 2011-2016) | Bereich II (= SPA Östliche Deutsche Bucht, durchschnittlicher Bestand 2011-2016) |
Anteil im SPA in % | |
Sterntaucher | Winter 6.200 Frühjahr 22.000 |
Winter 1.700 Frühjahr 8.400 |
Winter ca. 27 % Frühjahr ca. 38 % |
Prachttaucher | Winter 210 Frühjahr 720 |
Winter 31 Frühjahr 170 |
Winter ca. 15 % Frühjahr ca. 24 % |
Durchschnittlicher Bestand ausgewählter Brutvogelarten Helgolands
Art | Jahreszeit mit dem höchsten durchschnittlichen Bestand im SPA / Bereich II des, SAS-Daten, Bezugszeitraum 2011-2016 |
Dreizehenmöwe | Winter 1.500, Sommer 540 |
Trottellummen | Winter 1.700, Frühjahr 1.200 |
Tordalke | Winter 830, Frühjahr 96 |
Basstölpel | Frühjahr 1.300, Sommer 380 |
Eissturmvogel | Sommer 130, Winter 59 |
Durchschnittliche Winter- und Frühjahrsbestände von Basstölpeln und Trottellummen
Deutsche Nordsee (durchschnittlicher Bestand 2011-2016) | Bereich II (= SPA Östliche Deutsche Bucht, durchschnittlicher Bestand 2011-2016) |
Im SPA % des jeweiligen Bestands der dt. Nordsee | |
Basstölpel | Frühjahr 4.600 Sommer 7.000 |
Frühjahr 1.300 Sommer 380 |
Frühjahr ca. 28 % Sommer ca. 5 % |
Trottellumme | Frühjahr 35.000 Sommer 13.000 |
Frühjahr 1.200 Sommer 620 |
Frühjahr ca. 3 % Sommer ca. ca. 5 % |