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Bundesamt für Naturschutz

Bewertungsmethoden

Natur und Landschaft haben neben ihren ethisch begründeten Werten (Existenzwert, intrinsischer Wert) auch auf vielerlei Weise direkten Nutzen für Mensch und Gesellschaft.

Dieser Nutzen lässt sich mithilfe ökonomischer Bewertungsmethoden teilweise auch monetär erfassen und kann z. B. den Erhaltungs- oder Wiederherstellungskosten gegenübergestellt, oder im Rahmen von Umweltverträglichkeitsuntersuchungen verwendet werden. So z. B. im Vergleich mit dem Nutzen einer Straße, die zur Zerstörung oder Beeinträchtigung eines Ökosystems führt.

Mit Hilfe entsprechender Kosten-Nutzen-Analysen lassen sich nicht nur einzelne Maßnahmen und Projekte, sondern auch komplexere Handlungsoptionen der Politik, wie z. B. Pläne und Programme, zum Teil unter Zuhilfenahme von Szenarien bewerten. Ziel der Bewertung von Natur ist es, den ökonomischen Gesamtwert zu ermitteln.

Bewertungsmethoden

Hier werden kurz die gängigen Methoden erläutert, die eingesetzt werden, um sowohl nutzungsabhängige Gebrauchswerte als auch nutzungsunabhängige Nicht-Gebrauchswerte zu erfassen: Marktpreismethode, Produktionskostenmethode, Schadens- und Schadensvermeidungs-, Reparatur-, Ersatz- und Wiederherstellungskostenmethode, Alternativkostenmethode, Hedonic-Pricing Methode, Reisekostenanalyse und Zahlungsbereitschaftsanalyse. Dabei wird auf Veröffentlichungen und Forschungsvorhaben des BfN und auf andere aktuelle Studien verwiesen, in denen diese Methoden angewandt wurden.

Generell gilt, dass sich Anwendung und Weiterentwicklung von Methoden zur ökonomischen Bewertung von Natur weiterhin in einer sehr dynamischen Phase befinden, sodass es sinnvoll ist, sich vor ihrer Anwendung und bei der Interpretation älterer Ergebnisse mit dem neuesten Entwicklungsstand vertraut zu machen.

Bei den Gebrauchswerten (use-values) unterscheidet man den direkten Gebrauchswert, den indirekten Gebrauchswert, sowie den sogenannten Optionswert. Direkte und indirekte Gebrauchswerte ergeben sich durch die tatsächliche gegenwärtige oder zukünftige Nutzung. "Direkt" meint dabei die unmittelbare Nutzung von "Gütern" als Rohstoff zur Weiterverarbeitung oder zum direkten Konsum (Holz, landwirtschaftliche Produkte, aber auch das "Gut" Erholung etc.). Mit "indirekt" werden dagegen Gebrauchswerte bezeichnet, die sich aus den sogenannten regulierenden Ökosystemleistungen ergeben, wie beispielsweise die Wasserrückhaltekapazität und deren Hochwasserschutzwirkung oder die Funktion der Grundwasserneubildung, der Schadstoffabbau oder der Klimaausgleich. Der Optionswert erfasst dagegen die Tatsache, dass Menschen z. B. zu Gunsten der Erhaltung besonders eindrucksvoller Naturdenkmale auch dann eine substanzielle positive Zahlungsbereitschaft äußern, wenn ein zukünftiger Besuch eher unwahrscheinlich ist. Der Optionswert misst den Wert, der sich allein durch die Möglichkeit einer späteren Nutzung ergibt.

Wenn Güter, die die Natur direkt bereitstellt, in gleicher oder ähnlicher Form auch marktmäßig gehandelt werden (z. B. Pilze, Fische, Wild), kann man sich zu ihrer Bewertung an Marktpreisen orientieren (Marktpreismethode). Voraussetzung ist u. a., dass die Produkte in vergleichbarer Qualität auf eine vergleichbare Nachfragesituation stoßen. Dies ist nicht immer gewährleistet. Beispiele sind die Blaubeeren, die im Wald auf der Wanderung besonders gut schmecken oder der frisch geangelte Fisch, der zum Unmut der übrigen Familienmitglieder schon wieder verwertet werden muss.
Die Produktionskostenmethode kann man anwenden, wenn die Änderung von Ökosystemen die Kosten zur Produktion von Gütern beeinflusst. Beispiele wären ein erhöhter Aufwand zur Grundwasserreinigung durch Umbruch von Grünland zu Ackernutzung mit erhöhtem Düngemitteleintrag oder ein erhöhter Aufwand bei der landwirtschaftlichen Produktion, der sich langfristig durch eine zunehmende Bodenerosion ergibt, die durch die Beseitigung von Hecken und anderen Kleinstrukturen ausgelöst wurde.
Viele Regulationsleistungen beeinflussen die Wirkungen natürlicher Gefahren (Hochwasser, Lawinen und Muren, Sturmschäden etc.) sowie anthropogen verursachter Risiken (Klimaerwärmung, Luftschadstoffe, stadtklimatische Belastungen). Zur Bewertung lassen sich dafür zum Teil die Schadenskostenmethode (Schäfer 2010, Grossmann et al. 2010) sowie die Vermeidungs-, Reparatur-, Ersatz- und die Wiederherstellungskostenmethode einsetzen. Hier wird untersucht, inwieweit Schäden oder Kosten zu ihrer Vermeidung und Reparatur (einschließlich Krankheitskosten) durch Veränderungen von Ökosystemen entstehen oder vermieden werden.
Generell gilt in der Ökonomie der Grundsatz, dass ein Ziel mit möglichst geringen Kosten erreicht werden sollte. Wenn ein Schaden einen geringeren Wert hat als die Kosten seiner Reparatur, ist es für alle günstiger, die geschädigte Person monetär zu entschädigen als den Schaden reparieren zu lassen. Entsprechendes gilt, wenn die Schadensvermeidungskosten höher sind als der Schaden. Wenn der Schaden dagegen höher ist als Vermeidung oder Reparatur, sind als Grundlage zur Bewertung diejenigen, unter realistischen Bedingungen umsetzbaren, Vermeidungs- oder Reparaturvarianten heranzuziehen, die am günstigsten sind. Man spricht hierbei vom least-cost Prinzip.
Mit den oben genannten Methoden inhaltlich eng verbunden ist der Alternativkostenansatz. Oft werden beim Alternativkostenansatz nicht faktisch auftretende Kosten bewertet, sondern die Kosten theoretisch möglicher Varianten, um ein Ziel alternativ zu erreichen. Beispiele sind die Bewertung der zusätzlichen Selbstreinigungskraft eines renaturierten Gewässers anhand der alternativ erforderlichen Maßnahmen zur Reduzierung des Schadstoffeintrages durch die Landwirtschaft oder durch den Bau zusätzlicher Kläranlagen um den gleichen Effekt auf die Wasserqualität zu erreichen (z. B. Studie "Ökonomische Bewertung naturverträglicher Hochwasservorsorge an der Elbe"). Die Erosionsschutzwirkung von Hecken und Kleinstrukturen ließe sich nicht nur, wie oben dargestellt, mit der Produktionskostenmethode, sondern auch anhand alternativer gleich wirksamer bodenerhaltender Bewirtschaftungsmaßnahmen auf den Produktionsflächen selber bewerten. Ob ein entsprechender Alternativkostenansatz zulässig ist, ist davon abhängig, ob die gesellschaftlichen Ziele ausreichend bindend formuliert sind. Streng genommen führt der Alternativkostenansatz nur dann zu einem korrekten Ergebnis, wenn die Ziele so bindend formuliert sind, dass die nötigen Maßnahmen zur alternativen Zielerreichung (in nicht allzu langer Zukunft) auch tatsächlich umgesetzt werden.
Eine spezielle Methode zur Bewertung von wohnungsnahem Grün ist die sogenannte Hedonische Methode (hedonic-pricing). Hierbei versucht man durch statistische Analyse den Einfluss der wohnungsnahen Grünausstattung auf Immobilienpreise zu erfassen.
Ein ganzer Kanon unterschiedlicher Methodenvarianten verbirgt sich hinter dem Begriff der Reisekostenmethode, die vor allem zur Bewertung von Erholungsgebieten verwendet wird. Hierbei analysiert man die Anzahl an Reisen in ein Gebiet oder in einen bestimmten Gebietstyp, in Abhängigkeit von den Erreichungskosten (Kosten und Zeitaufwand der Anreise), sowie der Qualität des Gebietes. Auf Basis dieser Daten kann eine Nachfragefunktion für Erholung ermittelt werden, bei der die Erreichungskosten die Zahlungsbereitschaft wiederspiegeln. Da Besucher mit geringen Erreichungskosten die höheren Zahlungsbereitschaften real nicht aufbringen müssen, realisieren diese eine sogenannte Konsumentenrente (sie zahlen weniger als sie theoretisch zu zahlen bereit wären). Die Summe aller Konsumentenrenten ergibt den Gesamtnutzen der Erholung.
Zusätzlich oder alternativ zu den oben genannten Methoden kann man alle Ökosystemleistungen auch auf der Grundlage direkter Befragungen nach der Zahlungsbereitschaft für oder gegen eine Verbesserung oder Verschlechterung abschätzen (Zahlungsbereitschaftsanalyse, Choice Analyse). Reisekostenanalysen und Zahlungsbereitschaftsanalysen erbringen, angewendet auf das gleiche Bewertungsobjekt, oft relativ nah beieinander liegende Ergebnisse. In Fällen, in denen die Aussagefähigkeit direkter Befragungen begrenzt ist, z. B. wegen Wissenslücken bei den Befragten, kann es sinnvoll sein, zusätzlich noch andere Methoden anzuwenden.
 

Die Nicht-Gebrauchswerte (non-use-values) basieren auf dem ethisch oder religiös begründeten Wunsch, die Natur "um ihrer selbst willen" zu schützen (Existenzwert, existence value) oder für die Nachwelt zu erhalten (Vermächtniswert, bequest value). Der Existenzwert bezieht sich auf die Zahlungsbereitschaft von Menschen, bestimmte Ökosysteme oder Arten (z. B. Regenwald, Wildtiere etc.) erhalten zu wollen, ohne jemals für sich selbst einen konkreten direkten oder indirekten Nutzen daraus zu ziehen. Der Vermächtniswert bezieht sich dagegen auf die Bereitschaft, die Natur als "Erbe" auch für die Nachwelt bewahren zu wollen. Nicht-Gebrauchswerte spiegeln insofern eine Form des Altruismus gegenüber der Natur oder zukünftigen Generationen wider. Empirische Studien zeigen, dass oft weit mehr als die Hälfte des Wertes bedrohter Ökosysteme auf Nicht-Gebrauchswerte zurückzuführen sind.

Nicht-Gebrauchswerte, wie der Wunsch, dass Arten und Lebensräume als "Wert an sich" erhalten bleiben sollen (Existenzwert) oder von den kommenden Generationen genutzt und erlebt werden können (Vermächtniswert), kann man derzeit im Wesentlichen nur durch direkte, repräsentative Befragungen ermitteln. Die wesentlichen Methoden sind die Zahlungsbereitschaftsanalyse (contingent valuation), bei der gefragt wird, auf wie viel Geld oder Einkommen der einzelne etwa in Form einer allgemein verbindlichen Landschaftspflegeabgabe maximal verzichten würde, damit Natur erhalten bleibt oder ein bestimmtes Naturschutzprogramm durchgeführt wird sowie die Choice Analyse bei der den Befragten unterschiedliche Optionen über die Zukunft vorgelegt werden und man entscheiden muss, ob man diese Option jeweils befürwortet oder ablehnt. Jede Option beschreibt verschiedene, unterschiedliche Änderungen bezüglich der natürlichen Umwelt sowie eine einkommensrelevante Änderung, z. B. einen Zuschlag oder Abschlag bei der Einkommenssteuer.
Zur Validität dieser direkten Befragungsmethoden (stated preference methods) und den Möglichkeiten, ihre Validität zu verbessern und abzusichern, gibt es eine umfangreiche wissenschaftliche Literatur. Dennoch sind diese Methoden weiterhin nicht unumstritten. Es wird deshalb vorgeschlagen, zur Bewertung des Verlustes von Lebensräumen wildlebender Arten alternativ auch die Wiederherstellungskostenmethode zu verwenden (Schweppe-Kraft 2009 und 1998). Dies ist insbesondere dann nahe liegend, wenn das Ziel der Erhaltung der biologischen Vielfalt weithin gesellschaftlich akzeptiert, aber vielleicht rechtlich noch nicht soweit verankert ist, dass es auch in jedem Fall umgesetzt wird. Bei der Bewertung von Wiederherstellungskosten ist u. a. das Problem der Bewertung langer Wiederherstellungszeiträume maßgeblich.
Bei Befragungsmethoden lässt sich das Objekt, nach dem befragt wird, häufig nicht vollständig separieren. Deshalb ist es manchmal unklar, inwieweit sich Zahlungsbereitschaften für Naturschutz weitgehend auf Existenzwerte beziehen oder auch Freizeitnutzen oder auch noch weiter darüber hinaus gehende spezielle Funktionen der Natur, wie z. B. die Bereitstellung von sauberem Wasser umfassen. Je unspezifischer Befragungsmethoden eingesetzt werden, desto höher ist die Gefahr, dass es bei einer zusätzlichen Anwendung von weiteren Methoden zu Doppelzählungen kommen kann. Hierauf ist bei der Interpretation von Bewertungsergebnissen zu achten.

Methoden zur Ermittlung des Wertes von Ökosystemleistungen durch Analyse von Primärdaten können zum Teil sehr aufwendig sein. Beispiele sind etwa Choice Analysen, bei denen eine große Stichprobenzahl erforderlich ist, um statistisch abgesicherte Ergebnisse zu erhalten, oder die Modellierung von Hochwasserereignissen und deren Schäden, zu denen es aufwändiger mathematischer Modelle bedarf, die mit zahlreichen empirischen Daten unterlegt werden müssen. Deshalb gibt es inzwischen eine eigenständige wissenschaftliche Diskussion darüber, mit Hilfe welcher Techniken man Bewertungsergebnisse von entsprechend aufwändigen Primärstudien auf andere vergleichbare Fälle übertragen kann. Diese Übertragung wird als Benefit Transfer bezeichnet.

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