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Bundesamt für Naturschutz

Marine Naturschutzinstrumente

Mit der Novelle des Bundesnaturschutzgesetzes im Jahr 2010 wurden nahezu sämtliche Vorschriften des Bundesnaturschutzgesetzes auf den Bereich der deutschen ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ) und des Festlandsockels erstreckt. Nicht nur in den Küstengewässern, sondern auch in den küstenfernen Meeresbereichen gelangt das Naturschutzrecht damit nach Maßgabe des UN-Seerechtsübereinkommens zur Anwendung (vgl. § 56 Abs. 1 BNatSchG).

Für die Vorhabenzulassung sind hierbei insbesondere folgende Vorgaben zu beachten:

  • des gesetzlichen Biotopschutzes (§ 30 BNatSchG),
  • des Gebietsschutzes, insbesondere der FFH-Verträglichkeitsprüfung (§ 34 BNatSchG),
  • des besonderen Artenschutzes (§§ 44 ff. BNatSchG) und
  • der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung (§§ 14 ff. BNatSchG).

Gesetzlicher Biotopschutz

Das Bundesnaturschutzgesetz stellt in § 30 BNatSchG bestimmte seltene, gefährdete oder als Lebensraum für Tier- und Pflanzenarten besonders bedeutsame Biotoptypen unter einen unmittelbaren gesetzlichen Schutz. Der Biotopschutz ist damit ein wichtiges Instrument zur Sicherung der Artenvielfalt. Im Bereich der deutschen AWZ der Nord- und Ostsee werden die folgenden Biotoptypen von dieser Regelung erfasst: Riffe, sublitorale Sandbänke, Schlickgründe mit bohrender Bodenmegafauna, artenreiche Kies-, Grobsand- und Schillgründe sowie Seegraswiesen und sonstige marine Makrophytenbestände. Weitergehende Informationen (u. a. auch Kartieranleitungen) zu den marinen Biotoptypen werden durch das BfN zur Verfügung gestellt.

§ 30 Abs. 2 S. 1 BNatSchG untersagt alle Handlungen, die zu einer Zerstörung oder einer sonstigen erheblichen Beeinträchtigung der in dem gesetzlichen Schutzkatalog genannten marinen Biotoptypen (vgl. § 30 Abs. 2 S. 1 Nr. 6 BNatSchG) führen können. Zum Schutz der Biotoptypen sollten Standorte von Anlagen und die Trassierung von Leitungen und Kabeln möglichst so gewählt werden, dass ein ausreichender Abstand eingehalten und erhebliche Beeinträchtigungen vermieden werden. Ist dies in Ausnahmefällen nicht möglich, kann von den Verboten des gesetzlichen Biotopschutzes eine Ausnahme zugelassen werden, wenn die Beeinträchtigungen ausgeglichen werden können (§ 30 Abs. 3 BNatSchG). Ist ein Ausgleich, d. h. eine Herstellung eines gleichartigen Ersatzbiotops, nicht möglich, kann bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 67 BNatSchG ggf. eine Befreiung gewährt werden. Ein Dispens kann dabei nur in Betracht kommen, wenn vermeidbare Beeinträchtigungen unterlassen werden. Zuständig für die Erteilung von Ausnahmen und Befreiung ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, das BfN (§ 58 Abs. 1 S. 1 BNatSchG).

Gebietsschutz

Im Mai 2004 hat Deutschland zehn Natura 2000-Gebiete in der deutschen AWZ von Nord- und Ostsee an die EU-Kommission gemeldet. Die beiden Vogelschutzgebiete wurden bereits im September 2005 zum Naturschutzgebiet erklärt. Acht FFH -Gebiete wurden mit Entscheidung der Kommission von November 2007 in die Liste der Gebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung aufgenommen. Sie wurden nunmehr mit Wirkung vom 28.09.2017 auch nach nationalem Recht unter Schutz gestellt, wobei die acht FFH- und zwei Vogelschutzgebiete zu sechs marinen Naturschutzgebieten zusammengefasst wurden.

Für die Vorhabenzulassung sind insbesondere die Vorgaben zur FFH-Verträglichkeitsprüfung von Bedeutung. Nach § 34 Abs. 1 S. 1 BNatSchG sind Pläne oder Projekte vor ihrer Zulassung oder Durchführung auf ihre Verträglichkeit mit den Erhaltungszielen eines Natura 2000-Gebietes zu prüfen, wenn sie einzeln oder im Zusammenwirken mit anderen Projekten oder Plänen geeignet sind, das Gebiet erheblich zu beeinträchtigen. Voraussetzung für die Zulassung ist, dass sich die zuständige Behörde (i. d. R. die Zulassungsbehörde) anhand der besten verfügbaren wissenschaftlichen Erkenntnisse die Gewissheit verschafft hat, dass der Plan oder das Projekt nicht zu erheblichen Beeinträchtigungen des Gebietes führt (§ 34 Abs. 2 BNatSchG). Können erhebliche Beeinträchtigungen nicht ausgeschlossen werden, kann ein Vorhaben nur zugelassen werden, wenn keine zumutbaren, weniger beeinträchtigenden Alternativen bestehen und zwingende Gründe des überwiegenden öffentlichen Interesses das Vorhaben erfordern (§ 34 Abs. 3 BNatSchG). Zu den Erhaltungszielen der drei FFH-Gebiete in der deutschen AWZ der Nordsee und fünf FFH-Gebiete in der deutschen AWZ der Ostsee gehören die Erhaltung und Wiederherstellung eines günstigen Erhaltungszustands der FFH-Lebensraumtypen Sandbänke und Riffe sowie von  Arten wie Schweinswal, Seehund und Finte. Da alle FFH-Gebiete der deutschen AWZ der Nordsee den Schweinswal zum Erhaltungsziel haben, enthält auch das „Konzept für den Schutz der Schweinswale vor Schallbelastungen bei der Errichtung von Offshore-Windparks in der deutschen Nordsee (Schallschutzkonzept)“ des Bundesumweltministeriums eine Methodik zur Bewertung von Beeinträchtigung des Schweinswals im Hinblick auf § 34 BNatSchG.

In der deutschen AWZ der Nord- und Ostsee befindet sich je ein Vogelschutzgebiet, das als Nahrungs-, Überwinterungs-, Mauser-, Durchzugs- und Rastgebiet für viele bedrohte Vogelarten dient. Da die Gebiete bereits als Naturschutzgebiet ausgewiesen worden sind, ist die FFH-Verträglichkeitsprüfung insoweit am Maßstab des in den Schutzgebietsverordnungen festgelegten Schutzzwecks durchzuführen.

Besonderer Artenschutz

Auch im Bereich der deutschen AWZ der Nord- und Ostsee hat der besondere Artenschutz im Rahmen von Eingriffsplanungen und Projektgenehmigungen eine hohe Bedeutung. Die artenschutzrechtlichen Zugriffsverbote des § 44 Abs. 1 BNatSchG untersagen unter anderem die Verletzung oder Tötung wild lebender Tiere der besonders geschützten Arten sowie die erhebliche Störung wild lebender Tiere der streng geschützten Arten und der europäischen Vogelarten.
Arten, die bei Zulassungsverfahren in der deutschen AWZ in der artenschutzrechtlichen Prüfung relevant sind und betrachtet werden müssen, sind unter anderem die marinen Säugetiere (Schweinswal, Seehund und Kegelrobbe) sowie die See- und Zugvögel. Regelmäßig in diesem Zusammenhang auftretende Auswirkungen auf geschützte Arten sind:

  • Schallbedingte Auswirkungen auf marine Säugetiere durch z. B. die Rammung von Fundamenten für Offshore-Windkraftanlagen, Konverterstationen oder Förderplattformen
  • Scheuchwirkungen auf Seevögel und marine Säugetiere durch Anlagen (insbesondere durch Offshore-Windkraftanlagen) auf See und erhöhten Schiffsbetrieb für Errichtung und Betrieb von Anlagen
  • Kollision von Vögeln an Anlagen auf See

Um Vorhaben möglichst naturverträglich zu gestalten, sind geeignete Verminderungs- und Vermeidungsmaßnahmen zu ergreifen. Falls solche Vorkehrungen nicht ausreichend sind, um artenschutzrechtlich relevante Beeinträchtigungen mit hinreichender Sicherheit auszuschließen, ist die Durchführung des Vorhabens nur zulässig, wenn eine Ausnahme (§ 45 Abs. 7 BNatSchG) bzw. Befreiung (§ 67 Abs. 2 BNatSchG) erteilt wurde. Zuständige Behörde hierfür ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, das BfN (§ 58 Abs. 1 S. 1 BNatSchG).

Zur Durchführung der artenschutzrechtlichen Prüfung und Bewertung der vorhabenbedingten Auswirkungen nutzt das BfN bei Offshore-Windparks und ihrer Nebenanlagen für bestimmte Arten bereits vorliegende Konzepte und Methodiken: 

Eingriffsregelung

Die naturschutzrechtliche Eingriffsregelung nach §§ 14ff. BNatSchG hat zum Ziel, die Leistungs- und Funktionsfähigkeit des Naturhaushaltes und des Landschaftsbildes auch außerhalb der besonderen Schutzgebiete zu erhalten. Der Verursacher eines Eingriffs ist verpflichtet, vermeidbare Beeinträchtigungen von Natur und Landschaft zu unterlassen (§ 15 Abs. 1 S.1 BNatSchG). Bei unvermeidbaren Beeinträchtigungen sind entsprechende Kompensationsmaßnahmen (Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen) vorzusehen bzw. kann der Eingriff nach Maßgabe des § 15 Abs. 5 und 6 BNatSchG unter Zahlung eines Ersatzgeldes zugelassen werden.

Eingriffe in Natur und Landschaft sind Veränderungen der Gestalt oder Nutzung von Grundflächen oder Veränderungen des mit der belebten Bodenschicht in Verbindung stehenden Grundwasserspiegels, die die Leistungs- und Funktionsfähigkeit des Naturhaushalts oder das Landschaftsbild erheblich beeinträchtigen können (vgl. § 14 Abs. 1 BNatSchG). Da auch der Meeresboden und -untergrund eine Grundfläche in diesem Sinne darstellt, handelt es sich bei vielen Vorhaben, die in der deutschen AWZ realisiert werden sollen, um einen Eingriff i. S. d. § 14 BNatSchG, so etwa beim Abbau von Sand und Kies. Die Errichtung und der Betrieb von Windkraftanlagen in der deutschen AWZ, die bis zum 1. Januar 2017 genehmigt worden sind oder die auf Grundlage eines Zuschlags nach § 34 des Windenergie-auf-See-Gesetzes zugelassen werden, sind von den Verursacherpflichten nach § 15 BNatSchG ausgenommen (vgl. § 56 Abs. 3 BNatSchG). Dies erfasst nur Errichtung und Betrieb von Windkraftanlagen, nicht aber die Netzanbindung der Offshore-Windparks.

Auch für Vorhaben im Bereich der AWZ und des Festlandsockels können vorgezogene Ausgleichs- oder Ersatzmaßnahmen durchgeführt werden. Die vorgezogenen Maßnahmen werden dann in einem Ökokonto bevorratet und bei der späteren Zulassung als Kompensation nach der Eingriffsregelung angerechnet (§ 56a Abs. 1 und 2 BNatSchG). Das BfN erteilt auf Antrag geeigneten professionellen Unternehmen eine Anerkennung, die sie berechtigt, Kompensationspflichten für Vorhaben in der AWZ mit befreiender Wirkung zu übernehmen (§ 56a Abs. 3 BNatSchG).

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