Wiederansiedlung Europäischer Störe
Europaweit werden große Anstrengungen unternommen, diesen seltenen Wanderfisch zu schützen, u.a. mit dem Pan-Europäischen Aktionsplan (2019) und in Deutschland mit dem bereits 2010 in Kraft getretenen Nationalen Stör-Aktionsplan.
Aufbau eines Elterntierbestands
Das BfN förderte seit 1996 verschiedene Forschungs-. Zucht- und Wiederansiedlungsprojekte für den Europäischen Stör, die vom Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB) und der Gesellschaft zur Rettung des Störs (GRS) und ihren weiteren Partnern realisiert werden. Ein erstes wichtiges Ziel war der Aufbau eines Elterntierbestands. Aufgrund der Anpassung von Arten an ihren jeweiligen Lebensraum müssen Tiere, die ausgewildert werden, sich auch für diesen Lebensraum „eignen“. Da der Europäische Stör historisch verschiedene, geographisch getrennte Populationen einschloss, war die genetische Analyse und Beschreibung dieser Populationen anhand von Museumsproben und gefangenen Tieren ein erster wichtiger Teilaspekt der Forschungsvorhaben. Die genetischen Analysen haben gezeigt, dass die letzten noch lebenden A. sturio aus der Gironde praktisch identisch mit den Stören sind, die historisch in der Nordsee und ihren Zuflüssen vorkamen. Für die Wiederansiedlung der Art im Nordseeeinzugsgebiet war daher der Besatz mit dem Nachwuchs des Europäischen Störs aus der Gironde optimal geeignet. Für die Wiederansiedlung von A. sturio in deutschen Nordseezuflüssen wurden in Zusammenarbeit mit der französischen Forschungseinrichtung IRSTEA Europäische Störe aus kontrollierten Nachzuchten in den Jahren 2007 bis 2014 an das IGB umgesiedelt. Mit ihnen wurde der Kernbestand der Elterntiere in Deutschland aufgebaut und erste experimentelle Besatzmaßnahmen durchgeführt (s.u.). Diese Elterntiere werden in großen Zuchtanlagen am IGB gehalten, wo sie zur Geschlechtsreife gelangen sollen, um die Nachzuchten für die Auswilderung zu ermöglichen. Störe sind langlebige Fische, die erst mit 12-16 Jahren geschlechtsreif werden und bis über 100 Jahre alt werden können. Dabei erreichen sie eine imposante Länge von bis zu 5,5 m und ein Gewicht von über 600 kg. Geschlechtsreife Tiere sind meist über 1,8 m lang, was erhebliche Anforderungen an die Kapazitäten der Haltungseinrichtungen stellt.
Perspektivisch soll dieser Elterntierbestand, der aktuell mehr als 400 Tiere zwischen 6 und 13 Jahren umfasst, zur Absicherung des Platzbedarfs in eine neue derzeit in Planung befindliche Haltungseinrichtung in Geesthacht überführt werden. Zukünftig soll dort dann dieser Bestand durch weitere Nachzuchten und wahrscheinlich auch durch Wildfänge von ehemals als Jungfisch ausgesetzten und nun in die Elbe zurückkehrenden erwachsenen Stören ergänzt werden.
Neben der Haltung der Elterntiere und der Nachzucht (also der Eier und Larven) soll vor allem die Aufzucht von Jungfischen an diesen Standort erfolgen. Zur Steigerung der Fitness der auszusetzenden Störe sollen Untersuchungen zum Einfluss der Haltung auf die Überlebensfähigkeit der Besatzfische stattfinden, deren Ergebnisse in die Konzeption der Anlagen einfließen werden.
Intakte Laich- und Aufwachsgebiete, sichere Wanderungen
Eine grundlegende Voraussetzung für eine erfolgreiche Wiederansiedlung ist die Verfügbarkeit intakter Laichplätze. In der Mittelelbe konnte im Rahmen der wissenschaftlichen Untersuchungen das Vorkommen von Kiesbänken, die potentiell als Laichsubstrat dienen können, bestätigt werden. Klare, sauerstoffreiche Fließgewässer-Regionen mit Sand- und Kiesgrund sind sowohl als Laich- als auch als Aufwuchsgebiet für Larven und für kleinste Jungfische wichtig. Neben der Verfügbarkeit und Qualität potentieller Laichhabitate ist die Erreichbarkeit dieser Laichareale von entscheidender Bedeutung. Insbesondere die Passierbarkeit von Querbauwerken wie z.B. Staustufen muss durch adäquate Wanderhilfen wie Fischtreppen sichergestellt werden. In den Aufstiegshilfen muss die Strömungsgeschwindigkeit an die Leistungsfähigkeit der schwimmschwächsten Tiere angepasst sein, in dem z.B. die Fließgeschwindigkeit durch den Einbau von Bögen, unterschiedlicher Höhe der „Treppen“ und andere bauliche Maßnahmen beeinflusst wird. Denn der Stör ist zwar groß, als bodennah lebender Fisch aber eher langsam und nicht besonders „sprungstark“ im Vergleich zu beispielsweise Lachsen oder Meerforellen. Der Stör kann bei einer Anpassung der Maßnahmen an die Bedürfnisse der typischen Flussfischfauna den Weg bereiten. So ist beispielsweise beim Stör als „Bemessungsfisch“ die Größe einer Fischtreppe so gewählt, dass gute Voraussetzungen bestehen, dass selbst Fischarten, die in großen Schwärmen wandern, ungehindert passieren können.
Ein Beispiel für eine solche Maßnahme ist der Bau der Fischaufstiegsanlage Nord an der Staustufe Geesthacht an der Elbe, die als Kompensationsmaßnahme für die Kühlwasserentnahme des Kraftwerks Moorburg realisiert wurde.
Nationaler Aktionsplan für den Europäischen Stör
Der Störaktionsplan der Bundesregierung wurde 2010 veröffentlicht (siehe Marginale rechts). Er basiert auf dem internationalen Aktionsplan für Acipenser sturio des ständigen Ausschusses der Berner Konvention (2007) und schafft den Rahmen für Schutz- und Wiederansiedlungsmaßnahmen für die Tierart. Der Aktionsplan bildet die Grundlage für das Management dieser bedrohten Wanderfischart; er besteht im Wesentlichen aus vier Komponenten:
- Schutz des Störes in seinem natürlichen Verbreitungsgebiet, also in Flüssen wie in den Meeren.
- Aufbau von Elterntierbeständen in Gefangenschaft und die Nachzucht von Jungfischen für den Besatz.
- Schutz der Lebensräume.
- Internationale Zusammenarbeit für die weiteren koordinierten Arbeiten unter Punkt 1 und 2. Insbesondere für einen effektiven Schutz im natürlichen Verbreitungsgebiet ist eine Zusammenarbeit über Staats- und Landesgrenzen hinweg unabdingbar, da die Tiere im Meer über tausende Kilometer wandern.
Pan-Europäischer Aktionsplan für Störe
Im Rahmen des Übereinkommens über die Erhaltung der europäischen wildlebenden Pflanzen und Tiere und ihrer natürlichen Lebensräume (Berner Konvention) haben 50 europäische Staaten im Ständigen Ausschuss der Berner Konvention Ende 2018 einen länderübergreifenden gesamteuropäischen Stör-Aktionsplan für acht verschiedene Störarten unterzeichnet. Weitreichender Schutz ist dringend erforderlich, denn weltweit sind rund 80 % der Störarten vom Aussterben bedroht - Störe gehören damit gemäß IUCN zu den am stärksten gefährdeten Tiergruppen der Erde. Der Pan-Europäische Aktionsplan gilt für acht in Europa vorkommende Störarten: Europäischer Stör (Acipenser sturio) und Baltischer Stör (Acipenser oxyrinchus) sowie Russischer Stör, Adriatischer Stör, Glatt-Stör, Sternhausen, Beluga-Stör und Sterlet. Ziel des Plans ist es, die letzten lebenden Populationen zu sichern, Lebensräume wiederherzustellen und die Störe wieder in ihren ehemaligen Heimatgewässern anzusiedeln. Auch sollen die Wilderei und der illegale Handel mit Störprodukten stärker eingedämmt werden.
Störe werden erst sehr spät geschlechtsreif, mit ca. 9-18 Jahren, je nach Art und Geschlecht (Männchen eher als Weibchen). Die ersten Jungstöre wurden beispielsweise in der Elbe im Jahr 2008 ausgewildert. Aufgrund der langen Zeit bis zur Geschlechtsreife - also 15 bis 18 Jahre bei den Weibchen - ist mit einer Rückkehr der ersten laichbereiten Tiere in ihr Heimatgewässer wahrscheinlich erst ab 2023 zu rechnen. Intensive Monitoringmaßnahmen sind erforderlich, um die Wanderung der Elterntiere und den Erfolg möglicher natürlicher Vermehrungen abschätzen zu können.
Beispielprojekt für die UN Dekade zur Biologischen Vielfalt
Am 25.09.2013 wurde das Entwicklungs- und Erprobungsvorhaben (E+E-Projekt) zur Arterhaltung des Europäischen Störs als Beispielprojekt der UN Dekade zur biologischen Vielfalt ausgezeichnet. Das Bundesumweltministerium und das Bundesamt für Naturschutz fördern und betreuen fachlich bereits seit 1996 umfangreiche Forschungsprojekte, die sich mit der Wiederansiedlung des Störs in deutschen Gewässern befassen. Die Gesellschaft zur Rettung des Störs (GRS) in enger Zusammenarbeit mit dem Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB) in Berlin, der Landesforschungsanstalt für Landwirtschaft und Fischerei Mecklenburg-Vorpommern (LFA) und anderen Partnern leisten seit vielen Jahren erfolgreiche Arbeit, die von verschiedenen Bundesbehörden und der DFG gefördert wird. Nach 2013 wurde das Stör-Projekt noch zwei weitere Male ausgezeichnet, sowohl für die Wiederansiedlung als auch für die Kommunikationsmaßnahmen im Rahmen des Wanderfisch-Projekts.
Engagement für die Störe
Eine Fachjury wählte im September 2013 das Stör-Projekt als Beispielprojekt für die UN Dekade zur Biologischen Vielfalt aus. Frau Dr. Elsa Nickel (damals BMU) hat die Auszeichnung am 25.09.2013 in Burg Lenzen an der Elbe überreicht. Fünf Jahre nach dem Erstbesatz im Elbegebiet, der an dieser Stelle stattfand, ist dabei auch der zehntausendste Stör im Rahmen einer begleitenden Besatzaktion in die Elbe entlassen worden.
„30 Jahre lang fehlte der Stör in Deutschland - nun wird er wieder eingebürgert“ hat Dr. Elsa Nickel anlässlich der Preisverleihung bestätigt. „Dieser einzigartige Wanderfisch soll wieder durch unsere Flüsse und angrenzenden Meere schwimmen und eine Heimat finden. Der Stör ist ein lebendes Fossil und soll für unsere nachfolgenden Generationen als ein Teil der Evolutionskette wieder zu bewundern sein. Ich wünsche den Projektpartnern weiterhin viel Durchhaltevermögen und Erfolg bei der Aussiedlung dieser beeindruckenden Tierart und gratuliere zur Auszeichnung!“
Das BfN unterstützte die Stör-Projekte seit 1996 für viele Jahre
Das Bundesamt für Naturschutz und sein Meeresschutzfachgebiet als langjähriger Projektpartner engagiert sich seit 17 Jahren für die Störe. „Wir haben die einzelnen Projekte sehr gern unterstützt, denn das Gesamtvorhaben ist ein vorbildliches Beispiel für eine sehr gut begleitete Wiedereinbürgerung“, so Dr. Henning von Nordheim (BfN). „Seine Erfolgsgeschichte ist beispielhaft auf vielen Ebenen. Wir freuen uns mit den Projektpartnern!“, hob Dr. von Nordheim während des Aussetzens hervor.
Störe sind quasi „Wanderer zwischen den Welten“: viele Jahre ihres Lebens verbringen sie als adulte Tiere im Meer, zum laichen wandern sie im Alter von 12-16 Jahren kilometerweit die Flüsse hinauf. Insbesondere die Jungfische benötigen naturbelassene, strukturreiche und saubere Fließgewässer zum Aufwachsen, bevor sie dann ins Meer ziehen. Auf ihren Wanderrouten und in den Nahrungsgebieten in Meer und Fluss benötigen Störe ideale Lebensbedingungen, sie stehen damit beispielhaft für andere Wanderfische und weitere Arten mit ähnlichen Lebensraumansprüchen.