Acipenser sturio - Europäischer Stör
Beschreibung
Lebendes Fossil
Die Spuren des urtümlich aussehenden Europäischen Störs reichen bis vor die Zeit der Dinosaurier zurück. Der Stör ist ein Wanderfisch, der einen Teil seines Lebens im Meer verbringt und zum Laichen in die Flüsse aufsteigt. Der Europäische Stör war bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts eine wirtschaftlich sehr bedeutende Fischart. In Deutschland kam er in allen größeren, in die Nordsee mündenden Flüssen vor. Der letzte Fang eines Europäischen Störs in Deutschland wurde 1993 aus der Nordsee berichtet. Die Art gilt aufgrund fehlender Fortpflanzungs-Nachweise in Deutschland als ausgestorben. Es werden aber im Rahmen von Besatzversuchen seit 2008 jährlich Europäische Störe in der Elbe ausgesetzt, von denen ein Exemplar vor der dänischen Nordseeküste wieder gefangen wurde.
Merkmale des Europäischen Störs
Der Europäische Stör kann eine Länge von über 3 m aufweisen. Kennzeichnend für die Störe ist eine ausgezogene, spitze Schnauze, das ausstülpbare, unterständige Maul und 4 Barteln sowie Knochenschilder, die auf dem Körper in fünf Reihen angeordnet sind.
Verbreitung
Als die ehemals am weitesten verbreitete Störart in Europa weist A. sturio aktuell in der Europäischen Union nur noch eine Reliktpopulation in der Gironde in Frankreich auf. Die wichtigsten Nahrungsgebiete der Art für die ersten sieben Jahre ihres Lebenszyklus befinden sich im Ästuar der Gironde. Während des folgenden Lebensabschnitts wurde der Fisch entlang der Küstengewässer des westlichen Golfs von Biscaya und entlang der Britischen Kanalküste gefangen.
Lebensraum
Als wandernde Fischart besiedelt der Europäische Stör während seiner Entwicklung vielfältige Lebensräume. Die Jungstöre wandern im Verlauf des ersten Lebensjahres von den Laichplätzen, die sich in großen, tiefen Flüssen mit starker Strömung und steinig-kiesigem Grund befinden, in die Unterläufe der Flüsse und verlassen diese nach 2-4 Jahren um sich bis zur Geschlechtsreife im Meer aufzuhalten (Kottelat & Freyhof 2007). Während des Aufenthaltes im Meer bevorzugt der Stör nahrungsreiche, sandig-schlammige Böden in mittleren Tiefen (Rochard et al. 1997).
Fortpflanzung/Biologie
Als anadromer Wanderfisch reproduzieren Störe im Süßwasser und wandern anschließend zurück ins Meer bis sie erneut laichbereit sind. A. sturio hat einen langen Lebenszyklus und erreicht die Geschlechtsreife in Abhängigkeit seines Geschlechts und der klimatischen Bedingungen in einem Alter von 10 bis 17 Jahren. Voll ausgewachsene Weibchen können bis zu 2,5 Millionen Eier pro Laichperiode legen. Die Lebenserwartung der Tiere liegt bei 40 Jahren.
Ökologie der Art
Der Europäische Stör ist ein Wanderfisch, der einen Teil seines Lebens im Meer verbringt und zum Ablaichen in die Flüsse aufsteigt. Seine Nahrung besteht aus kleinen Wirbellosen, wie z.B. Würmern, Krebsen, Schnecken und Muscheln, aber auch kleinen Fischen (Kottelat & Freyhof 2007).
Beschreibung des Lebenszyklus im Zusammenhang mit Landnutzungsaktivitäten
Die Männchen werden in einem Alter von 9-13 Jahren, die Weibchen mit 11-18 Jahren geschlechtsreif, wobei die Männchen sich jedes Jahr fortpflanzen können, die Weibchen dagegen einjährige Pausen einlegen (Kottelat & Freyhof 2007). Die Wanderung zu den Laichplätzen beginnt ab April, das Laichgeschäft findet von Mai bis Juli (Mohr 1952, Kinzelbach 1987) in großen und tiefen Flüssen mit starker Strömung über steinigem bis kiesigem Grund statt (Ninua 1976, zitiert in Steinmann & Bless 2004). Nach dem Ablaichen kehren die Elterntiere direkt wieder ins Meer zurück, während die meisten Jungstöre erst nach 2-4 Jahren die Flüsse verlassen und sich bis zur Geschlechtsreife im Meer aufhalten (Kottelat & Freyhof 2007).
Der starke Rückgang des Europäischen Störs in den letzten hundert Jahren ist auf verschiedene Faktoren zurückzuführen. Während des Aufenthaltes im Meer ist er durch Überfischung bedroht, indem er häufig als Beifang in die Netze gelangt, seine Laichzüge in die Flüsse sind durch die Verbauung der Gewässer und die damit einhergehende Beeinträchtigung der Durchgängigkeit beschränkt, Kiesabbau und der Eintrag von Feinsedimenten führen zum Verlust der Laichplätze in den Flüssen und auch die Begradigung der Flüsse und die Verschmutzung tragen wesentlich zum Rückgang der Art bei. Eine weitere Gefährdung geht von gebietsfremden Störarten aus. Diese Arten tragen zur Verbreitung von Krankheiten bei und erhöhen das Risiko einer zunehmenden genetischen Verarmung der Restpopulation infolge von Hybridisierung.
Gefährdung
Aktuell sind als die drei Hauptgefährdungsfaktoren Verschlechterungen der Habitate (z.B. durch Dämme, Kanalisierung und Kiesentnahme), Beifang und Wilderei in Betracht zu ziehen sowie die Einschleppung nicht-heimischer Störarten. Zusätzliche Gefährdungen umfassen die Gewässerverschmutzung als Grund für Reproduktionsausfälle und Beeinträchtigungen der Nahrungshabitate in den Ästuarien aufgrund von Kanalisierung und Sedimenteintrag.
Allgemeine Gefährdungsursachen
- Berufsfischerei: da die Art weiterhin als Beifang in die Netze geht, nimmt die noch bestehende Population in ihrer Größe weiterhin ab
- Wasserverschmutzung
- Begradigung von Fließgewässern und damit einhergehender Verlust des Lebensraums (v.a. Flachwasserzonen)
- Sand- und Kiesabbau, der zum Verlust des Lebensraums führt, u.a. auch durch Feinsedimenteintrag in den Laichplätzen
- Einschränkung der Durchgängigkeit von Gewässern durch den Bau von Staustufen und Wehren, durch die der Zugang zu den Laichgründen versperrt und der Lebensraum, u.a. die Laichplätze, zerstört werden
- Abhängigkeit der Gesamtpopulation von einem einzigen in situ-Vorkommen (Frankreich: Gironde)
- Stark reduzierter Genpool (geringe Individuenzahl in ex situ-Beständen) führt zu genetischer Verarmung
- Hybridisierung mit gebietsfremden Störarten (z.B. aus Aquakulturanlagen)
- Krankheiten die durch gebietsfremde Störarten verbreitet werden
Schutz
Künstliche Aufzucht und die Aussetzung der Jungtiere waren in Frankreich in den Jahren 2007 und 2008 erfolgreich. Im Rahmen einer internationalen Kooperation wird derzeit eine begrenzte Anzahl von Jungtieren für einen wissenschaftlichen Wiederansiedlungsversuch in einem deutschen Nordseezufluss (Elbe) zur Verfügung gestellt. Allerdings werden diese Anstrengungen langfristig nur dann erfolgreich sein, wenn die Bedingungen, die zu dem Rückgang der Art geführt haben zunächst ausreichend erkannt und beseitigt worden sind (vgl. Gefährdung).
Erhaltungsmaßnahmen
Allgemeine Maßnahmen
Vgl. Nationaler Aktionsplan zum Schutz und zur Erhaltung des Europäischen Störs - BMU (2010):
- In situ - Schutz von Acipenser sturio
- Schutz und Wiederherstellung essenzieller Störlebensräume
- Ex situ - Schutz und Wiederansiedelung von Acipenser sturio
- Internationale Kooperationen zwischen den Staaten des Verbreitungsgebietes. Dies gilt sowohl für Regierungsorganisationen als auch für Nichtregierungsorganisationen. Eine Einbeziehung der bestehenden internationalen Flussgebietskommissionen könnte für die Kooperationen genutzt werden. Ein besonderes Augenmerk sollte dabei auf die Elbe gelegt werden (Gessner et al. 2010).
Erhaltungszustand
- Atlantische Region: ungünstig - schlecht
- Kontinentale Region: ungünstig - schlecht
Literaturhinweise
verändert nach:
Steinmann, I. und Bless, R. (2004): Acipenser sturio Linnaeus, 1758. In: Petersen, B., Ellwanger, G., Bless, R., Boye, P., Schröder, E., und Ssymank, A. (Bearb.): Das europäische Schutzgebietssystem Natura 2000. Ökologie und Verbreitung von Arten der FFH-Richtlinie in Deutschland. Band 2: Wirbeltiere. - Bonn-Bad Godesberg (Landwirtschaftsverlag) - Schriftenreihe für Landschaftspflege und Naturschutz 69(2): 214-217.