Öffnet eine externe Seite Link zur Startseite

Bundesamt für Naturschutz

Artenschutz in der Vogelschutzrichtlinie

Bestände wildlebender Vogelarten im Gebiet der Europäischen Union sollen dauerhaft erhalten bleiben. Dieses Ziel verfolgt die Vogelschutzrichtlinie. Elementar hierbei ist die Unterschutzstellung von Gebieten im Rahmen des Natura 2000 Netzes sowie die Artenschutzbestimmungen.

Vogelschutzrichtlinie – Richtlinie 2009/147/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. November 2009 über die Erhaltung der wildlebenden Vogelarten

Steckbrief mit allgemeine Informationen zum Übereinkommen wie z. B. Ziele, Beschreibung sowie die Rolle des BfN.

Europäische Vogelarten

Als "europäische" Vogelarten im Sinne der Richtlinie gelten alle Vogelarten, die natürlicherweise in der EU vorkommen. Diese Definition erfasst damit auch gelegentlich auftretende Irrgäste. Die Referenzliste dieser "europäischen Arten" zählt 691 Arten und eine Gattung ohne Aufschlüsselung der einzelnen Arten. Weitere 15 Arten (Neozoen-Arten) sind nach Auffassung der Europäischen Kommission als in der EU eingebürgert anzusehen. Sie gelten damit aber nicht als "europäische" Arten im Sinne der Vogelschutzrichtlinie und somit auch nicht als "besonders geschützt" gemäß BNatSchG.

Ausgewählte Beispiele für europäische Vogelarten

Nachfolgend werden der Wachtelkönig und der Komoran als Beispiele für europäische Vogelarten vorgestellt.

Das Verbreitungsgebiet des Wachtelkönigs (Crex crex) aus der Familie der Rallen erstreckt sich von West- über Mittel- und Osteuropa bis in den Westen Sibiriens, nordwestlich des Baikalsees. Die Hauptüberwinterungsgebiete des Zugvogels liegen in Ost- und Südafrika. Ab Ende April treffen die ersten Brutpaare in Europa ein, der Wegzug beginnt bereits im August. Im ehemals vermutlich flächendeckend vom Wachtelkönig besiedelten Mittel- und Westeuropa klafften Ende des 20. Jahrhunderts riesige Verbreitungslücken. Zwischen 1970 und 1990 wurden Bestandsrückgänge von meist über 50 % registriert. Seit den 1990er Jahren erholten sich die Bestände z. T. wieder. Weltweit wird der Wachtelkönig mittlerweile als ungefährdete Art geführt (IUCN 2016). In Deutschland nehmen die Bestände seit Beginn des 21. Jahrhunderts jedoch erneut ab, was auch die negativen kurzfristigen Bestandstrends der Roten Liste aufzeigen. In der aktuellen Roten Liste der Brutvögel Deutschlands wird der Wachtelkönig daher als "Stark gefährdet" eingestuft.

Durch ein bereits abgeschlossenes F+E-Vorhaben wurden Grundlagen zur Bestandssituation und den Gefährdungsursachen ermittelt und Maßnahmen für die Erhaltung des Wachtelkönigs und anderer Wiesenvögel in Feuchtgrünlandgebieten vorgeschlagen.

Die Lebensräume zeichnen sich durch eine hohe Vegetationsdeckung aus (20-30cm Höhe), was oftmals den limitierenden Faktor darstellt. Derzeit finden sich Wachtelkönige fast ausschließlich in landwirtschaftlich genutztem Dauergrünland, wobei Feuchtwiesen den bevorzugten Lebensraum bieten.

Neben der Zerstörung geeigneter Lebensräume, z.B. durch Trockenlegung von Niedermooren oder Verbuschung von feuchten Streu- und Mähwiesen in Fließgewässerniederungen nach Nutzungsaufgabe, liegt die Hauptursache für den rapiden Rückgang des Wachtelkönigs in der geänderten Bewirtschaftung von Dauergrünland. Die Agrarindustrie brachte vor allem den Einsatz von schnelleren Mähmaschinen sowie von Agrochemikalien mit sich.

Dadurch sind heute sowohl frühere Mahdtermine als auch eine Vergrößerung der gleichzeitig bewirtschafteten Fläche möglich. Die Spanne zwischen dem Zeitpunkt genügend hoch aufgewachsener Vegetation und der Mahd ist für das Brutgeschäft des Wachtelkönigs viel zu kurz geworden. Die Zeitknappheit wird verschärft durch die Art und Weise der Mahd. Um den Schutz des Wachtelkönigs zu gewährleisten, müssen verschiedene Maßnahmen ergriffen werden. Neben der Erhaltung bzw. der Wiederherstellung geeigneter Lebensräume (Grünland, Wiedervernässung von Niedermooren) muss der Mahdtermin zeitlich in den späten August oder September verlegt werden. Es bietet sich in diesem Zusammenhang auch eine Auffächerung der Mahd in mehrere Teilmahden an. Auch die Mahdtechnik kann verbessert werden. Statt von außen nach innen vorzugehen, empfiehlt es sich, entweder von innen nach außen oder von der Seite her zu mähen. Dadurch werden den Tieren ausreichend Fluchtmöglichkeiten gegeben.

Der Kormoran (Phalacrocorax carbo), ein gänsegroßer Wasservogel aus der Ordnung der Ruderfüßer, ist gekennzeichnet durch ein schwarzes, metallisch schimmerndes Prachtkleid mit weißem Nacken und Gesicht und einen an der Spitze auffällig gekrümmten Schnabel.
Durch langjährige Verfolgung während der letzten Jahrhunderte wurde die Art in ganz Europa stark dezimiert. Das Nachlassen der Verfolgung einerseits und ein zunehmendes Nahrungsangebot andererseits, führten in den letzten Jahrzehnten zu einer Bestandserholung.
Der Kormoran ernährt sich von ca. 300-500g Fisch pro Tag. Seine Anwesenheit führt daher häufig zu Beschwerden seitens der Fischereiwirtschaft bzw. der Anglerverbände. Zahlreiche Untersuchungen zum Nahrungsspektrum des Kormorans haben jedoch gezeigt, dass er sich hinsichtlich der verzehrten Fischarten regional sehr flexibel zeigt, was in erster Linie von der Erreichbarkeit der Fische, sei es durch deren Verhalten oder Häufigkeit abhängt und nicht von ihrer fischereiwirtschaftlichen Bedeutsamkeit. Zudem wurde der Kormoran bei vielen wissenschaftlichen Untersuchungen nicht als Hauptursache für geringere Fischerträge ermittelt.

Wie alle einheimischen Vogelarten ist der Kormoran in Deutschland besonders geschützt. Die Interessenvertreter der Fischer und Teichwirte allerdings drängen auf eine Aufhebung der Schutzbestimmungen für den Kormoran, um ihn intensiver verfolgen zu können.
Das nationale Artenschutzrecht bietet, innerhalb des durch die europäische Vogelschutzrichtlinie vorgegebenen Rahmens, hinreichend Möglichkeiten, Schäden abzuwehren, die von Kormoranen für die kommerzielle Fischwirtschaft ausgehen oder an den Beständen anderer Arten verursacht werden. Eingriffe in die Bestände des Kormorans sind nach § 45(7) BNatSchG bereits zulässig. Derartige Schäden müssen allerdings nachprüfbar belegt werden und ein zumutbares Maß überschreiten. Vor solchen Eingriffen muss klar sein, dass keine Alternativen, wie z. B. eine Vergrämung oder eine veränderte Bewirtschaftungspraxis, bestehen, der Bestand des Kormoran nicht nachteilig beeinflusst wird und wissenschaftlich abgesicherte zielorientierte Erfolgsaussichten bestehen.

Mittlerweile haben fast alle Bundesländer eine Ausnahmegenehmigung für die Vergrämung von Kormoranen in Form einer Kormoranverordnung erteilt. Es sind allerdings bisher keine Untersuchungen bekannt geworden, welche Schäden belegt hätten, die eine pauschale landes-, bundes- oder gar europaweite Verfolgung des Kormorans rechtfertigen würden.

In Zusammenhang mit einer Resolution des Europäischen Parlaments 2008 für einen gesamteuropäischen Kormoran-Management-Plan hat die Europäische Kommission im Rahmen des Projektes CorMan (Sustainable Management of Cormorant Populations) eine offizielle Website „The EU Cormorant Platform“ eingerichtet. Sie soll der Erhebung statistischer Daten zu Beständen und Lebensweise des Kormorans und zum Austausch von Erfahrungen und Verfahren in Bezug auf das Kormoranmanagement dienen.

Regelungen zum Artenschutz

Gemäß Artikel 5 der Richtlinie, ist es grundsätzlich verboten, wildlebende Vogelarten zu töten oder zu fangen. Nester und Eier dürfen nicht zerstört, beschädigt oder entfernt werden, auch die Vögel selbst dürfen, besonders während ihrer Brut- und Aufzuchtzeit, weder gestört noch beunruhigt werden.

Zusätzliche Verpflichtungen ergeben sich für die in Anhang I aufgelisteten 193 Arten und Unterarten, von denen 114 regelmäßig in Deutschland vorkommen. Für sie sind besondere Schutzgebiete zu schaffen (Europäische Vogelschutzgebiete). Ein ebensolcher Schutz muss auch für die Vermehrungs-, Mauser-, Rast- und Überwinterungsgebiete der nicht in Anhang I genannten, regelmäßig auftretenden Zugvogelarten gewährleistet werden. Dies betrifft 186 Arten in Deutschland. Für sie sind diese Maßnahmen unter besonderer Berücksichtigung der Feuchtgebiete, v. a. der Feuchtgebiete internationaler Bedeutung (Ramsar-Gebiete), zu ergreifen.

Jagdregelungen

Besondere Regelungen trifft die Richtlinie für die Jagd, die auf 84 Arten und Unterarten zulässig ist, entweder gemeinschaftsweit (Arten des Anhangs II/A) oder nur in bestimmten Mitgliedstaaten (Arten des Anhangs II/B). Die Jagdregelungen der Mitgliedstaaten müssen u.a. sicherstellen, dass keine Jagd während des Heimzuges der Arten in die Brutgebiete oder während der verschiedenen Phasen der Fortpflanzung stattfindet. Verboten sind alle Methoden oder Einrichtungen, mit denen Vögel in Mengen oder wahllos gefangen oder getötet werden können, wie etwa Leimruten, Netze oder automatische Waffen (Anhang IV).
Der Handel mit lebenden oder toten Vögeln sowie ohne weiteres zu erkennenden Teilen von ihnen (z.B. Eier) ist unter bestimmten Bedingungen bei 26 Arten und Unterarten erlaubt (Anhang III). Ausnahmen von den Entnahme- und Jagdbestimmungen bzw. -verboten sind nur unter Beachtung der in Artikel 9 der Vogelschutzrichtlinie genannten Voraussetzungen zulässig, die u.a. die vorherige Überprüfung schonenderer Alternativen und strikte Kontrollmechanismen fordern. Strengere Schutzmaßnahmen sind in den einzelnen Mitgliedstaaten möglich.

Über die Ausnahmen ist jährlich zu berichten.

Zurück nach oben