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Bundesamt für Naturschutz

Konzepte für mehr Stadtnatur

Mit der politischen und gesellschaftlichen Aufmerksamkeit für die Bedeutung von Stadtnatur sind Begriffe und Konzepte in den Fokus gerückt, die unterschiedliche Perspektiven und Zielstellungen repräsentieren. Sie bieten verschiedene Ansätze und inhaltliche Schwerpunkte zur Entwicklung, Planung und Sicherung urbaner grüner Infrastruktur.

Stadtgrün

Stadtgrün wird als ein Überbegriff verwendet und umfasst „alle Formen grüner Freiräume und begrünter Gebäude. Zu den Grünflächen zählen Parkanlagen, Friedhöfe, Kleingärten, Brachflächen, Spielbereiche und Spielplätze, Sportflächen, Straßengrün und Straßenbäume, Siedlungsgrün, Grünflächen an öffentlichen Gebäuden, Naturschutzflächen, Wald und weitere Freiräume, die zur Gliederung und Gestaltung der Stadt entwickelt, erhalten und gepflegt werden müssen. Auch private Gärten und landwirtschaftliche Nutzflächen sind ein wesentlicher Teil des Grüns in den Städten. Auch das Bauwerksgrün mit Fassaden- und Dachgrün, Innenraumbegrünung sowie Pflanzen an und auf Infrastruktureinrichtungen gehören dazu.“ (BMUB 2015)

Stadtnatur

Der Masterplan Stadtnatur definiert den Begriff Stadtnatur als die „Gesamtheit aller Lebensräume innerhalb einer Stadt, die für die Artenvielfalt von Bedeutung sind“ (BMU 2019, S. 3) und betont damit die Habitatfunktion und ökologische Wertigkeit. Zur Stadtnatur zählen daher insbesondere „vielfältig und naturnah gestaltete Bereiche“, die in allen möglichen Formen des Stadtgrüns von privaten Gärten zu öffentlichen Grünanlagen, vom Straßenraum bis zum Sport- und Spielplatz vorkommen können sowie auch Habitatstrukturen für Tierarten an Gebäuden (ebd.). 

Andere Definitionen von Stadtnatur benutzen einen weit gefassten Begriff von ‚Natur‘ als ‚alles Lebendige‘ (Kowarik 1992). Das Konzept der vier Arten von Stadtnatur unterteilt die Vegetation in Städten nach ihrer Entstehung und Überprägung durch menschliche Aktivitäten:

  • Natur der ersten Art: Relikte der ursprünglichen Naturlandschaft wie Gewässer, Feuchtgebiete und Wälder
  • Natur der zweiten Art: Flächen der landwirtschaftlichen Kulturlandschaft wie Forste, Wiesen und Äcker
  • Natur der dritten Art: die gärtnerisch gestalteten Anlagen wie Parks, Gärten und Friedhöfe
  • Natur der vierten Art: die spezifisch urban­industrielle Natur auf Brachen oder Ruderalflächen (Kowarik 1992).

Es ist davon auszugehen, dass in der Bevölkerung Stadtnatur ein gut verständlicher Begriff ist und dass ein weit gefasstes Verständnis von Stadtnatur vorliegt. So zeigte die Naturbewusstseinsstudie 2015, dass in der Bevölkerung unter „Natur in der Stadt“ z. B. Parks und Grünflächen, Tiere oder Gärten unabhängig von der ökologischen Relevanz verstanden werden (BMUB 2016). 

Zwischen einem engeren und weiteren Verständnis ist je nach Zweck abzuwägen. Bei einem weiteren Verständnis kann Stadtnatur als allgemeinverständlicher Begriff genutzt werden und im Vergleich zu Stadtgrün beinhaltet er über Pflanzen hinaus alle Lebewesen und natürlichen Prozesse. Über die Verknüpfung mit der biologischen Vielfalt kann eine ökologisch wertvolle Stadtnatur als Ziel gesetzt werden, bei dem es darum geht, die grüne Infrastruktur in Bezug auf die (Lebensraum)Qualität zu verbessern. 

Ökosystemleistungen

Ökosystemleistungen sind „direkte und indirekte Beiträge von Ökosystemen zum menschlichen Wohlergehen, das heißt Leistungen und Güter, die dem Menschen einen direkten oder indirekten wirtschaftlichen, materiellen, gesundheitlichen oder psychischen Nutzen bringen (zu Beginn auch als Ökosystemdienstleistungen bezeichnet).“ (Naturkapital Deutschland - TEEB DE 2012)

Naturbasierte Lösungen

Seitens der Europäischen Kommission werden naturbasierte Lösungen definiert als „Lösungen, die von der Natur inspiriert und unterstützt werden, die kosteneffizient sind, gleichzeitig ökologische, soziale und wirtschaftliche Vorteile bieten und zum Aufbau von Resilienz beitragen. Solche Lösungen bringen durch lokal angepasste, ressourceneffiziente und systemische Interventionen mehr und vielfältigere Natur und natürliche Merkmale und Prozesse in Städte, Landschaften und Meereslandschaften.“ (Europäische Kommission, o.J.).

Die International Union for Conversation of Nature (IUCN) sieht naturbasierte Lösungen in engem Zusammenhang mit der biologischen Vielfalt und beschreibt sie als „Maßnahmen zum Schutz, zur nachhaltigen Bewirtschaftung und Wiederherstellung natürlicher und veränderter Ökosysteme, die gesellschaftliche Herausforderungen effektiv und anpassungsfähig angehen und gleichzeitig Mensch und Natur zugutekommen“ (IUCN, o.J.).

Verwandte Konzepte:

  • Ökosystembasierte Anpassung (ecosystem-based adaptation)
  • Natürlicher Klimaschutz

Klimagerechte Stadtentwicklung

Klimagerechte Stadtentwicklung meint „Planung und Gestaltung von Raumstrukturen, die resilient gegenüber Klimaänderungen sind, z. B. durch Maßnahmen zum Schutz vor (Mitigation) und der Anpassung an den Klimawandel (Adaptation)“ (BMVBS 2011).

In Bezug auf das Stadtgrün:

  • Regenwassermanagement durch eine Kombination aus Rückhalt, Entsiegelung, Abkopplung, Versickerung und Verdunstung in und mit Grünelementen (BBSR 2015)
  • Maßnahmen zur Reduktion von Hitze z. B. durch Verschattung oder Rückstrahlung von Sonnenenergie (Albedo-Effekt) (BBSR 2015)
  • Verwandte Konzepte mit Fokus auf Wasser: Schwammstadt (sponge city), blau-grüne Infrastruktur, Sustainable Urban Drainage (SUDs); Wassersensible Stadtentwicklung (water sensitive urban design)
  • Verwandte Konzepte mit Fokus auf Hitze: hitzeangepasste Stadtentwicklung

Stadtwildnis

Mit Wildnis wird in der Regel ein Gebiet gemeint, in dem keine (tiefgreifenden) menschlichen Einflüsse vorhanden sind und in dem natürliche Ökosystemprozesse unverändert oder ungestört ablaufen. Daher scheinen Stadt und Wildnis zunächst als Gegensatzpaar, denn die Stadt ist durch menschliches Wirken entstanden und geprägt. Um der Tatsache gerecht zu werden, dass sich auch in urbanen Räumen Ökosysteme eigenständig etablieren und entwickeln, wird der Begriff Stadtwildnis oder urbane Wildnis verwendet. Stadtwildnis wird definiert als innerstädtische Natur, „die sich ohne wesentliches Eingreifen und Lenken des Menschen entwickelt“ (DUH 2016). Dementsprechend sind das Zulassen von Eigendynamik und das Vorhandensein natürlicher und zufälliger Entwicklungsprozesse wie Sukzession entscheidend. Bei entsprechender Eignung soll Stadtwildnis für die Stadtbevölkerung für Naturerfahrungen und Erholungsnutzung zugänglich sein. Zur Erhaltung der biologischen Vielfalt können auch Pflegemaßnahmen sinnvoll sein, z. B. zur Wiederherstellung von Pionierstandorten (Hansen et al. 2012). Die Stadtnatur, die sich auf diesen Flächen entwickelt, hat in der Regel keine historische Entsprechung und es handelt sich um neuartige urbane Ökosysteme aus Arten, die an die besonderen urbanen Lebensbedingungen gut angepasst sind und wichtige Erkenntnisse über die Anpassung von Tier- und Pflanzenarten an urbane Lebensbedingungen liefern (Seiwert et. al. 2020; Kowarik 2011).

Animal-Aided Design

Beim Animal-Aided Design geht es um die Berücksichtigung von Tierbedürfnissen in der Freiraumplanung: „Die Kernidee von Animal-Aided Design (kurz AAD) ist es, das Vorkommen von Tieren als Teil der Gestaltung eines Freiraums integrativ zu planen.“ „Mit Hilfe von Animal-Aided Design setzt sich der Planer mit den Ansprüchen einer Tierart auseinander und stellt sicher, dass die beabsichtigten Arten im konkreten Fall auch tatsächlich vorkommen können, anstatt wie üblich das Tiervorkommen dem Zufall zu überlassen.“ (Hauck & Weisser 2015).

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