Stromleitungen
Stromnetzausbau
Mit dem Ausbau der erneuerbaren Energien muss der Ausbau der Stromnetze Hand in Hand gehen. Nach derzeitigem Stand müssen für die Energiewende ca. 18.000 Kilometer Stromnetz ausgebaut oder verstärkt werden.
Übergreifende Aspekte
Je nach Vorhabentyp (Freileitung oder Erdkabel) und Bauweise sind mit Vorhaben unterschiedliche bau-, anlage- und betriebsbedingten Wirkfaktoren verbunden. Viele damit verbundenen Beeinträchtigungen lassen sich durch Vermeidungs- und Minderungsmaßnahmen reduzieren. Eine Möglichkeit, Beeinträchtigungen zu mindern ist das ökologische Trassenmanagement. In Einzelfällen, in denen eine Vermeidung oder Minderung nicht vollumfänglich möglich ist, können Flächen- und Maßnahmenpools die Real-Kompensation unterstützen.
Eine besondere Bedeutung haben Minderungsmaßnahmen im Zusammenhang mit der aktuellen Beschleunigungsgesetzgebung erhalten. Durch die EU-Notfallverordnung und die Einführung von § 43m EnWG sowie die geplante Novelle des Energiewirtschaftsgesetzes auf Grundlage der Erneuerbare-Energien-Richtlinie (Renewable Energy Directive, RED III) entfallen bei Vorhaben in einer SUP-geprüften "go-to-Situation“ sowohl die Umweltverträglichkeitsprüfung als auch die Artenschutzprüfung in der bisherigen Form. Gleichwohl sind jedoch geeignete und verhältnismäßige Minderungsmaßnahmen zu ergreifen, soweit solche Maßnahmen verfügbar und geeignete Daten vorhanden sind, um die Einhaltung der Vorschriften des § 44 Absatz 1 BNatSchG zu gewährleisten. Vor diesem Hintergrund hat das BfN und die BNetzA im Auftrag der Task Force zur Beschleunigung des Stromnetzausbaus gemeinsam ein Konzept zu "standardisierten Minderungsmaßnahmen" im Artenschutz erarbeitet. Die vorliegende Arbeitshilfe stellt ein Set an wirksamen und grundsätzlich kosteneffektiven Standard-Minderungsmaßnahmen für bestimmte Fallkonstellationen – unter Berücksichtigung der Betriebsart, betroffener Arten/Lebensräume sowie der Datenlage – für ein möglichst breites Artenspektrum zusammen. Diese Standardisierung ist grundsätzlich geeignet, die Auswahlentscheidung für geeignete und verhältnismäßige Minderungsmaßnahmen sowohl auf der vorgelagerten Planungsebene als auch auf der Genehmigungsebene zu erleichtern.
Sowohl bei Freileitungen als auch bei Erdkabeln kann es in Gehölzbeständen bzw. Wäldern notwendig werden, Schneisen herzustellen und offen zu halten. Die damit verbundenen Eingriffe lassen sich jedoch ggf. durch ein nachfolgendes ökologische Trassenmanagement deutlich mindern. Fachliche Ansätze hierfür wurden z. B. in Vorhaben der NABU-Stiftung Nationales Naturerbe sowie der Deutschen Umwelthilfe zusammengestellt.
Dort, wo sich erhebliche Beeinträchtigungen nicht vollumfänglich vermeiden lassen und daher Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen notwendig werden, können diese vor Ort im Verfahren konzipiert werden oder es besteht die Möglichkeit auf Flächen- und Maßnahmenpools zurückzugreifen. Die damit verbundenen Vorteile und Chancen wurden aktuell in einem Forschungsvorhaben zusammengestellt, wobei auch die Beschleunigungspotenziale vor dem Hintergrund der schwierigen Flächenverfügbarkeit anhand von Positivbeispielen und anhand allgemeiner Empfehlungen hervorgehoben werden.
Freileitungen
Zu den wesentlichen Beeinträchtigungen von Freileitungen zählen z.B. die Kollisionen von Vögeln, die Eingriffe in Gehölzbestände sowie die Beeinträchtigungen des Landschaftsbildes.
Einen Überblick über die Relevanz der verschiedenen mit Freileitungen verbundenen Wirkfaktoren geben die Projektsteckbriefe im Fachinformationssystem FFH-VP-Info, wobei u. a. zwischen Hoch-/Höchstspannungsleitungen und Mittelspannungsleitungen zu unterscheiden ist.
Eine gute Übersicht über die mit Freileitungen verbundenen Auswirkungen und ihre methodische Berücksichtigung in natur- und umweltbezogenen Prüfungen der vorgelagerten Planungsebene geben Weingarten et al. (2024). Die ursprünglich für die Bundesfachplanung entwickelten Methodenvorschläge können künftig auch bei der Ausweisung von Infrastrukturgebieten (nach § 12j EnWG) eine Orientierungshilfe geben. Das Finden und der Vergleich von Trassen setzt Definition und Bewertung geeigneter Indikatoren (Flächen- und Raumkategorien bzw. Konfliktpotenziale) voraus, welche die Schutzwürdigkeit und Empfindlichkeit der Umwelt gegenüber dem Vorhaben angemessen repräsentieren.
Leitungskollision und Vogelschutzmarkierungen
Für die Bewertung der Kollisions- bzw. Tötungsrisiken von Vogelarten geben folgende Standardwerke des BfN weitreichende Hilfestellung.
Der aktuelle Stand zur Bewertung des Kollisionsrisikos von Vogelarten im Rahmen von Projekten und Eingriffen ist in der 4. Fassung des sog. Mortalitäts-Gefährdungs-Index von Bernotat & Dierschke (2021) enthalten.
Die Arbeitshilfe zur arten- und gebietsschutzrechtlichen Prüfung bei Freileitungsvorhaben (Bernotat et al. 2018) behält weiterhin Bedeutung im Hinblick auf die Informationen zu den Datengrundlagen für betroffene Gebiete und Arten (Kap. 7), die differenzierten Ausführungen zur Konfliktintensität verschiedener Leitungsvorhaben (Kap. 9) und zu möglichen Maßnahmen zur Minderung bzw. Schadensbegrenzung (Kap. 10) sowie die Ausführungen zum arten- und gebietsschutzrechtlichen Ausnahmeverfahren.
Durch die Anbringung von Vogelschutzmarkierungen an den Freileitungen kann das Anflug- und Tötungsrisiko für Vogelarten in einem artspezifisch unterschiedlichem Umfang reduziert werden. Mit der über ein Forschungsvorhaben des BfN erarbeiteten Fachkonvention zur artspezifischen Wirksamkeit von Vogelschutzmarkern können für jede Vogelart und Vorhabenkonstellation die mindernde Wirkung von Vogelschutzmarkern planerisch sachgerecht berücksichtigt werden.
Stromtod
Für die Bewertung der Stromtodrisiken von Vogelarten an Mittelspannungsleitungen kann ebenfalls die Arbeitshilfe zum sog. Mortalitäts-Gefährdungs-Index von Bernotat & Dierschke (2021) Anwendung finden.
Gefährdungspotenzialkarten
Als übergreifende räumliche Planungsgrundlagen für die vorgelagerten Planungsebenen wurden basierend auf der Verbreitung von kollisionsgefährdeten bzw. stromtodgefährdeten Vogelarten zwei Sensitivitätskarten erstellt.
Landschaftsbild
Im Hinblick auf die Beeinträchtigungen des Landschaftsbildes von Freileitungen können verschiedenen Fachpublikationen herangezogen werden.
Erdkabel
Erdkabel bieten auch bei Höchstspannungsleitungen im Vergleich zu Freileitungen eine Reihe von Vorteilen. Freileitungsvorhaben verursachen insbesondere anlagebedingte und somit fortwährende Auswirkungen auf Vögel sowie das Landschaftsbild, während sich die Umweltauswirkungen bei Erdkabelvorhaben hauptsächlich temporär auf die Bauphase und auf das Schutzgut Boden beschränken. In gehölz- oder waldreichen Gegenden sind damit jedoch z.T. auch umfangreichere Eingriffe in die Vegetation durch Schneisen verbunden, die sich jedoch ggf. durch ein nachfolgendes ökologische Trassenmanagement deutlich mindern lassen.
Einen Überblick über die Relevanz der verschiedenen mit Erdkabeln verbundenen Wirkfaktoren geben die Projektsteckbriefe im Fachinformationssystem FFH-VP-Info, wobei u. a. zwischen geschlossener und offener Bauweise zu unterscheiden ist.
Methodische Handreichungen
Viele Beeinträchtigungen durch Erdkabelvorhaben lassen sich auf vorgelagerter Planungsebene und durch Vermeidungs- und Minderungsmaßnahmen reduzieren.
Eine gute Übersicht über die mit Erdkabeln verbundenen Auswirkungen und ihre methodische Berücksichtigung in natur- und umweltbezogenen Prüfungen der vorgelagerten Planungsebene geben Runge et al. (2024). Die ursprünglich für die Bundesfachplanung entwickelten Methodenvorschläge können künftig auch bei der Ausweisung von Infrastrukturgebieten (nach § 12j EnWG) eine Orientierungshilfe geben.
Da der Großteil der mit der Verlegung von Erdkabeln verbundenen Wirkfaktoren baubedingt sind, handelt es sich hier um einen Vorhabentyp, bei dem sich viele Beeinträchtigungen durch etablierte Vermeidungs- und Minderungsmaßnahmen begrenzen lassen. In einem Forschungsvorhaben wurde daher eine umfassende Zusammenstellung der möglichen Vermeidungs- und Minderungsmaßnahmen bei Erdkabeln erarbeitet (Runge et al. 2021).