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Bundesamt für Naturschutz

Grundschleppnetz-Fischerei

In der deutschen Nordsee werden überwiegend Grundschleppnetze und Baumkurren eingesetzt, insbesondere zum Fang von Nordseegarnelen, („Krabben“) (überwiegend küstennah), von Plattfischen (zum Beispiel Scholle, Seezungen) und anderen bodennah lebenden Fischen wie Kabeljau oder Sandaal.
Scherbrett an einem Grundschleppnetz an Land
Scherbrett an einem Grundschleppnetz.

Negative Effekte

Als negative Effekte treten in der Schleppnetzfischerei sowohl schwere Beeinträchtigung des Meeresbodens als auch hohe Beifangraten insbesondere von Jungfischen der Zielarten, in sehr hoher Zahl aber auch von Wirbellosen wie Krebse, Seesterne oder Seeigeln auf.

Beifang

Unter Beifang versteht man den unerwünschten Fang von untermaßigen Exemplaren kommerziell nutzbarer Fischarten (also Jungfischen) sowie den ungewollten Fang von Nicht-Zielarten. Zum Beifang gehören demnach Fische, kleinere Meerestiere wie Krebse, Seesterne oder Quallen, aber auch größere Meerestiere wie Haie, Meeressäugetiere, Seevögel.

Je nach Fangmethode, Netztyp und -größe, Zielart und Fanggebiet sind die Zusammensetzung und die Menge des Beifangs sehr unterschiedlich. Bisher wurde der Beifang in den meisten Fällen über Bord geworfen (so genannte „Rückwürfe“, englisch Discard). Den Rückwurf überleben die meisten Tiere nicht oder werden – schwer geschädigt durch die Fangprozedur – leichte Beute von Seevögeln oder anderen Meerestieren. Die Gemeinsame Fischereipolitik der EU sieht ab 2015 ein schrittweises Verbot der Rückwürfe für quotierte Arten vor. Das Rückwurfverbot gilt somit nicht für Arten, für die keine Fangquote festgelegt wurde. Das ist aus Naturschutzsicht kritisch, weil das Rückwurfverbot in seiner jetzigen Form nicht eine generelle Reduzierung der Beifänge ermöglicht, da "nicht regulierte" Fischarten (wie Zwergzungen, Leierfische, ...), Krebse, Seesterne und Schnecken, die gerade in der beifangintensiven Grundschleppnetzfischerei einen großen Fanganteil ausmachen, weiterhin über Bord geworfen werden dürfen. Damit ein Rückwurfverbot wirklich zu einer ökosystemgerechten Fischerei beitragen kann, müssen Anreize für den Einsatz beifangvermeidender Fangpraktiken geschaffen werden.

Insbesondere für Seevögel, Meeressäugetiere oder Haie ist der ungewollte Beifang ein ernstzunehmendes Problem, dem durch vorsorgende Lösungsansätze zu begegnen ist, zum Beispiel durch alternative Fanggeräte und ökosystemgerechte Fangmethoden. Tabelle 1 zeigt verschiedenen Fischereimethoden, die in der Nordsee eingesetzt werden, und die jeweiligen negativen ökologische Auswirkungen.

Übersicht über ökologisch problematische Fangmethoden in der Nordsee

 
Methode Ökologische Auswirkungen
Aktive Fangmethoden  
Plattfisch-
Baumkurre

- starke physische Schäden am Meeresboden und den dortigen Lebensgemeinschaften durch Scheuchketten und Kurrschuhe

- hoher Beifang von Fischen (Nichtzielarten) und Wirbellosen

- geringe Größenselektivität

- nur als gemischte Plattfisch-Fischerei betrieben. Es kann kaum zwischen Scholle und Seezunge selektiert werden (das heißt es treten insbesondere in der Seezungenfischerei hohe Beifänge von Schollen auf).

Garnelen-
Baumkurre

- physische Schäden am Meeresboden und den dortigen Lebensgemeinschaften durch Rollen

- hoher Beifang von Jungfischen und Wirbellosen

- geringe Größenselektivität

Scherbrett-Grundschlepp-
netze

- physische Schäden am Meeresboden und den dortigen Lebensgemeinschaften durch Grundtau und Scherbretter

- hoher Beifang von Nichtzielarten und Wirbellosen

- geringe Größenselektivität

- geringe Artenselektivität

Passive Fangmethoden  
Grundstellnetze

Beifang von Seevögeln und Meeressäugetieren

Tabelle 1: Übersicht über ökologisch problematische Fangmethoden in der Nordsee. Quelle: Seite 34 in folgender Broschüre: Lebendige Nordsee. Beispiele für vorbildliche Fangmethoden und ihre Anwendbarkeit auf den Nordseeraum, 2014

Schädigung benthischer Lebensräume

Die Fischerei mit mobilen grundberührenden Fanggeräten (zum Beispiel Baumkurren, Dredgen und grundberührende Scherbrettnetzen) hat erhebliche negative Effekte auf benthische Lebensräume wie Sandbänke, Riffe und biogene Strukturen (zum Beispiel Sabellaria-Riffe, Muschelbänke, etc.) mit ihren typischen Lebensgemeinschaften und sensiblen Arten. Die Intensität bzw. der Grad der Schädigung ist dabei einerseits abhängig vom Fanggeschirr, seinem Gewicht und der Schleppgeschwindigkeit und andererseits vom Lebensraum und den dort vorkommenden Arten.

Am Grundtau der über den Boden gezogenen Netze befinden sich Rollen (Garnelen-Baumkurre oder Grundschleppnetze) oder auch Scheuchketten (Plattfisch-Baumkurre), die das Netz am Boden halten und die Fische bzw. Garnelen aufscheuchen sollen. Damit verursachen diese Geräte gleichzeitig mechanische Zerstörungen am Boden. Noch stärker dringen die schweren Scherbretter, die die Grundschleppnetze horizontal öffnen, in den Boden ein. Sie hinterlassen bis zu 30cm tiefe Schleppspuren am Meeresgrund. Geschirr und Scherbretter wirbeln zudem das Sediment auf, die Folge sind zum Teil erhebliche Trübungsfahnen und Sedimentumlagerungen.

Arten und Gemeinschaften reagieren unterschiedlich

In einigen Meeresgebieten in der südlichen Nordsee werden Flächen bis zu 20 Mal pro Jahr mit mobilen grundberührenden Fanggeräten befischt. Untersuchungen zeigten, dass die Biomasse bodenlebender Organismen in der südlichen und zentralen Nordsee im Vergleich zum unbefischten Zustand um 39% zurückgegangen ist. Empfindliche, langlebige Arten mit geringer Vermehrungsrate (zum Beispiel einige Muscheln und Seeigel) werden durch grundgeschleppte Fanggeräte stärker beeinträchtigt als schnell wachsende, opportunistische Arten (zum Beispiel Borstenwürmer und Seesterne).

Arten, die in höherem Alter geschlechtsreif werden und nur wenige Nachkommen haben, reagieren besonders empfindlich auf die Auswirkungen der Fischerei und können bei zu hohen fischereilichen Intensitäten vollständig verschwinden.

Die schwersten Schädigungen treten bei der Fischerei mit Dredgen im Bereich von biogenen Habitaten mit biogenen Hartsubstraten auf (siehe oben), wie Forschungsergebnisse zeigten. Die Erholungsdauer der betroffenen Organismen ist dabei stark vom jeweiligen Lebens- und Reproduktionszyklus abhängig. Während kurzlebige Arten einen vergleichsweise entsprechend kurzen Erholungszeitraum in Anspruch nehmen, benötigen langsam wachsende Arten (zum Beispiel Schwämme) viele Jahre zur Erholung.

weiterführender Inhalt

Ausgewählte Publikationen
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