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Bundesamt für Naturschutz

Häufig gefragt: EU-Verordnung über die Wiederherstellung der Natur (Nature Restoration Law)

Die Verordnung über die Wiederherstellung der Natur (Nature Restoration Law, NRL) ist zentraler Baustein der EU-Biodiversitätsstrategie 2030. Sie enthält verbindliche Vorgaben und Ziele, die mit Inkrafttreten der Verordnung für die Mitgliedstaaten direkt und unmittelbar verpflichtend sind. Nachdem die EU-Kommission im Juni 2022 einen Vorschlag vorgelegt hatte, haben Vertreter*innen des Europäischen Parlaments und des Rats der Europäischen Union die Verordnung am 24. Juni 2024 nun final unterzeichnet.
Zur Verordnung, insbesondere zu einzelnen Wiederherstellungszielen, werden in der öffentlichen Debatte viele Fragen gestellt. Das Bundesamt für Naturschutz (BfN) stellt zu einzelnen besonders kritischen Fragen an dieser Stelle Informationen bereit. Aus Sicht des BfN ist die EU-Verordnung über die Wiederherstellung der Natur ein enorm wichtiges Instrument, um dem aktuellen Biodiversitätsverlust entgegenzutreten, unsere Ökosysteme widerstandsfähiger zu machen und den natürlichen Klimaschutz zu stärken.

Wissenschaftliche Erkenntnisse stützen die Ziele der neuen Verordnung: Rund 6.000 Wissenschaftler*innen haben ein Papier unterzeichnet, das die Wiederherstellungs-Verordnung als unverzichtbaren Beitrag zur Ernährungssicherheit in Zeiten des Klimawandels benennt. Der Sachverständigenrat für Umweltfragen erläutert und begründet in einem ausführlichen Positionspapier die Bedeutung der Renaturierung und der entsprechenden Verordnung. Darüber hinaus fordern Unternehmen und Wirtschaftsverbände nachdrücklich, wirksame Maßnahmen gegen den Biodiversitätsverlust und den Klimawandel zu ergreifen. Schließlich sind intakte Ökosysteme außerordentlich wichtig für ein nachhaltiges Wirtschaften.

Müssen bis 2030 auf zusätzlichen 20 % der Land- und Meeresflächen in Deutschland verpflichtend neue Schutzgebiete eingerichtet werden?

Bezug: Artikel 1 

Nein. Es sollen auf jeweils 20 % der Land- und Meeresflächen der Europäischen Union Wiederherstellungsmaßnahmen durchgeführt werden. Dazu müssen nicht zwingend neue Schutzgebiete ausgewiesen werden. Das 20 %-Ziel zur Wiederherstellung der Land- und Meeresfläche der Europäischen Union bis 2030 (sowie bis 2050 für alle Ökosysteme, für die es notwendig ist) ist als Leitlinie für die Mitgliedstaaten darüber hinaus nicht unmittelbar verpflichtend. Der nationale Wiederherstellungsplan soll allerdings dafür sorgen, dass auch Deutschland einen angemessenen Beitrag zum gemeinschaftlichen 20 %-Ziel der EU leistet. Dies lässt sich mit einer Reihe verschiedener Wiederherstellungsmaßnahmen, auch außerhalb von Schutzgebieten, erreichen. Darüber hinaus hat sich Deutschland mit dem Kunming-Montreal Global Biodiversity Framework international verpflichtet, effektive Wiederherstellungsmaßnahmen zur Renaturierung von degradierten Ökosystemen einzuleiten.

Müssen alle Ökosysteme in den Zustand von vor 70 Jahren zurückversetzt werden?

Bezug: Artikel 4 und Artikel 5

Nein. Die Referenzzeiträume für einen guten Zustand von Lebensräumen können durch die Mitgliedstaaten flexibel anhand der vorhandenen Daten festgelegt werden. Die Orientierung am Zustand vor 70 Jahren ist nicht verpflichtend, da die Verluste der biologischen Vielfalt in den letzten 70 Jahren auch meist nicht dokumentiert sind. 

Müssen alle Barrieren in Flüssen entfernt werden?

Bezug: Artikel 9

Nein. Primär sollen Barrieren beseitigt werden, die nicht mehr gebraucht werden. Auf Grundlage eines Inventars, das die Mitgliedstaaten erstellen, sollen obsolete Barrieren beseitigt werden, die nicht mehr für die Energieerzeugung, Schifffahrt, Wasserversorgung oder den Hochwasserschutz benötigt werden. Mit der Wiederherstellung des guten ökologischen Zustands der Gewässer und der Konnektivität von Flüssen und Auen wird auch der natürliche Wasserrückhalt unterstützt. Ziel ist, europaweit 25.000 Kilometer Flüsse und Auen zu renaturieren. 

Bedeutet Wiederherstellung, dass Landwirtschaftsflächen aus der Nutzung genommen und in Wildnis überführt werden?

Bezug: Artikel 11

Nein. In der genutzten Landschaft kann Renaturierung vor allem durch die Wiederherstellung eines naturnahen Wasser- und Nährstoffhaushaltes, produktionsintergierte, biodiversitätsfördernde Maßnahmen, eine Erhöhung der Strukturvielfalt und die maßvolle Reduzierung von Pestizid und Düngemitteln gelingen. Das bedeutet, dass der weitaus größte Anteil wiederhergestellter Flächen weiterhin genutzt werden kann und auch genutzt werden muss, um ihre einzigartige Biodiversität zu fördern und zu erhalten.

Gefährdet das Nature Restoration Law die Ernährungssicherheit in der EU?

Bezug: Artikel 11 

Nein. Das Nature Restoration Law (NRL) benennt in Artikel 1 explizit das Ziel, zur Verbesserung der Ernährungssicherheit beizutragen. Zudem enthält das Gesetz in der finalen Version eine Notfallregelung, die es ermöglicht, die Ziele für landwirtschaftliche Ökosysteme temporär anzupassen. Diese Fassung bildet einen Kompromiss zwischen EU-Kommission, EU-Parlament und Rat der EU ab, auf den sich diese drei Institutionen im Trilog am 9. November 2023 geeinigt haben und das EU-Parlament in der Abstimmung am 27. Februar 2024 zugestimmt hat. Damit soll auch unter außergewöhnlichen Umständen die Verfügbarkeit von Flächen erhalten bleiben, die für eine ausreichende landwirtschaftliche Erzeugung für den Lebensmittelverbrauch in der Union erforderlich sind. 
Die größten Risiken für die Ernährungssicherheit gehen aktuell vom Klimawandel und dem Verlust der biologischen Vielfalt aus. Ökosystemleistungen, wie zum Beispiel Bestäubung, biologische Schädlingsbekämpfung, Schutz vor Bodenerosion und Erhalt der Bodenfruchtbarkeit, sind für die Landwirtschaft essentiell. Langfristig ist es somit im Interesse der Landwirtschaft und der gesamten Gesellschaft, auf nachhaltige und naturverträgliche Bewirtschaftungsweisen zu setzen. Intakte, klimaschützende Ökosysteme ermöglichen nach aktuellem Stand der Wissenschaft eine verlässlichere Nahrungsmittelproduktion, die derzeit durch den Klimawandel stark gefährdet ist. 
Das NRL hat das Potenzial, einen großen Beitrag zu nachhaltigen Ernährungssystemen zu leisten und die funktionelle Vielfalt in Agrarlandschaften zu erhöhen. Strukturelemente, die traditionell bedeutende Bestandteile der landwirtschaftlichen Kulturlandschaft waren, bieten beispielsweise wichtige Lebens- und Rückzugsräume für die Tier- und Pflanzenwelt. Deswegen müssen – laut NRL - Feldgehölze und Heckenstrukturen wieder verstärkt gefördert und in die landwirtschaftliche Anbaufläche integriert werden. Denn sie tragen nicht nur zum Biotopverbund bei, sondern können auch die Auswirkungen des Klimawandels mindern, indem sie Verdunstung sowie Bodenerosion durch Wind reduzieren und so die Wasserverfügbarkeit verbessern. 
 

Sind Landwirt*innen, die auf Moorböden wirtschaften, nun gezwungen diese wiederzuvernässen?

Bezug: Artikel 11, Absatz 4

Nein. Im Nature Restoration Law steht, dass die Wiedervernässung für Landwirt*innen und private Landbesitzer*innen weiterhin freiwillig ist. Zwar sind die Ziele zur Wiedervernässung von Moorböden als wirksame Maßnahme zum Klimaschutz genannt, allerdings gehen sie inhaltlich nicht über die Ziele der Nationalen Moorschutzstrategie und der Bund-Länder-Zielvereinbarung zum Moorbodenschutz hinaus. 
Die Mitgliedstaaten sollen – so das NRL - Anreize schaffen, um die Wiedervernässung zu einer attraktiven Option für Landwirt*innen und private Landbesitzer*innen zu machen. Wiedervernässte Flächen lassen sich beispielsweise weiterhin in Form von Paludikulturen landwirtschaftlich nutzen. Paludikultur („Paludus" = Sumpf; Moor) ist ein Verfahren zur nassen Bewirtschaftung von Mooren mit Torferhalt oder sogar Torfbildung.
Anreize für diese Art der Folgenutzung sind in Deutschland beispielsweise im Aktionsprogramm Natürlicher ⁠Klimaschutz⁠ und in der Nationalen Moorschutzstrategie vorgesehen. Durch eine Bewirtschaftung in Paludikultur werden Moorökosysteme bei gleichzeitiger Nutzung wiederhergestellt, die Treibhausgasemissionen werden zugleich deutlich reduziert. Dabei eignet sich beispielsweise der Anbau von Schilf, Rohrkolben und Seggen in Paludikultur zur Produktion von Dämm- und Baustoffen. Aber auch die Beweidung durch Wasserbüffel oder die Anlage von Freiflächen-Photovoltaikanlagen ist möglich. Um die Ziele des NRL zu erreichen, können auch Flächen, die zum Torfabbau genutzt wurden, wiedervernässt werden.

Können Wälder weiter bewirtschaftet werden?

Bezug: Artikel 12

Ja. Denn Wiederherstellung schließt eine forstwirtschaftliche Nutzung nicht aus. Es sollen Maßnahmen ergriffen werden, die die Biodiversität in Wäldern erhöhen: Das können durchaus biodiversitäts- und klimaschutzfördernde Maßnahmen im Rahmen der Waldbewirtschaftung sein. Die EU-Kommission schlägt beispielsweise als produktionsintegrierte Maßnahme vor, die Strukturvielfalt in Wäldern zu erhöhen – zum Beispiel indem man einige alte Bäume als „Habitatbäume“ erhält. Eine an der Naturnähe ausgerichtete Waldbewirtschaftung steht gleichermaßen für mehr Klima- und Biodiversitätsschutz und erhöht die Resilienz von Wäldern im Klimawandel.

Gibt es Unterstützung in der Gesellschaft für die Wiederherstellungs-Verordnung?

Folgende Initiativen unterstützen u.a. die Ziele der EU-Verordnung über die Wiederherstellung der Natur:

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