Häufig gefragt: EU-Verordnung über die Wiederherstellung der Natur (Nature Restoration Law)

Wissenschaftliche Erkenntnisse stützen die Ziele der neuen Verordnung. 6.000 Wissenschaftler*innen unterzeichneten ein Papier, das die Wiederherstellungsverordnung als unverzichtbaren Beitrag zur Ernährungssicherheit in Zeiten des Klimawandels benennt. Der Sachverständigenrat für Umweltfragen veröffentlichte zudem eine ausführliche Stellungnahme, in der die Wichtigkeit der Renaturierung und die Bedeutung dieser Verordnung begründet wird. Intakte Ökosysteme sind dabei essentiell für ein nachhaltiges Wirtschaften. Aus diesem Grund fordern auch Unternehmen und Wirtschaftsverbände nachdrücklich, wirksame Maßnahmen gegen den Biodiversitätsverlust und den Klimawandel zu ergreifen.
Die erfolgreiche Durchführung der Wiederherstellungsverordnung ist eine gesamtgesellschaftliche Herausforderung und bedarf der Synergien und Zusammenarbeit auf allen Ebenen. Ein öffentlicher Beteiligungsprozess ist für alle relevanten Akteursgruppen vorgesehen. Dazu werden ab 2025 verschiedene, zum Teil ressortübergreifende Beteiligungsformate angeboten.
Müssen bis 2030 auf zusätzlichen 20 % der Land- und Meeresflächen in Deutschland verpflichtend neue Schutzgebiete eingerichtet werden?
Bezug: Artikel 1
Nein. Es sollen bis 2030 auf jeweils 20 % der Land- und Meeresflächen der Europäischen Union wirksame und flächenbezogene Wiederherstellungsmaßnahmen durchgeführt werden und bis 2050 in allen Ökosystemen, die der Wiederherstellung bedürfen. Es handelt sich um ein übergeordnetes unionsweites Ziel, das für die einzelnen Mitgliedstaaten nicht unmittelbar eine bindende Wirkung entfaltet. Hierfür müssen nicht zwingend neue Schutzgebiete ausgewiesen werden. Das Ziel ist vielmehr als Leitlinie für die Mitgliedstaaten gedacht. Im nationalen Wiederherstellungsplan wird Deutschland darlegen, welchen Beitrag Deutschland zu dem gemeinschaftlichen 20 %-Ziel der EU leisten wird. Dieser Beitrag kann mit vielen verschiedenen Wiederherstellungsmaßnahmen, auch außerhalb von Schutzgebieten, erreicht werden.
Müssen alle Ökosysteme in den Zustand von vor 70 Jahren zurückversetzt werden?
Bezug: Artikel 4 und Artikel 5
Nein. Die Referenzzeiträume für einen guten Zustand von Lebensräumen können durch die Mitgliedstaaten flexibel anhand der vorhandenen Daten festgelegt werden. Die Orientierung am Zustand vor 70 Jahren ist nicht verpflichtend, da die Verluste der biologischen Vielfalt in den letzten 70 Jahren auch meist nicht dokumentiert sind.
Müssen alle Barrieren in Flüssen entfernt werden?
Bezug: Artikel 9
Nein. Es müssen jedoch Hindernisse beseitigt werden, um zur Erreichung der Wiederherstellungsziele gemäß Artikel 4 der W-VO und des Ziels der Wiederherstellung von europaweit mindestens 25.000 frei fließenden Flüssen bis 2030 beizutragen. Dabei sollen prioritär obsolete Barrieren beseitigt werden, die nicht mehr für die Energieerzeugung, Schifffahrt, Wasserversorgung, für den Hochwasserschutz oder für andere Zwecke benötigt werden. Es sind sowohl Querbauwerke in Flüssen als auch laterale und vertikale Hindernisse an Ufer, Aue und im Flussbett adressiert. Durch die Entfernung der Hindernisse können Fische wieder frei wandern und die Artenvielfalt und die ökologische Funktion der Flüsse und Auen wird verbessert. Darüber hinaus werden auch der natürliche Wasserrückhalt und der Hochwasserschutz unterstützt.
Bedeutet Wiederherstellung, dass Landwirtschaftsflächen aus der Nutzung genommen werden?
Bezug: Artikel 11
Nein. Auch in der genutzten Landschaft können vor allem durch die Wiederherstellung eines naturnahen Wasser- und Nährstoffhaushaltes, produktionsintegrierte, biodiversitätsfördernde Maßnahmen, eine Erhöhung der Strukturvielfalt sowie eine maßvolle Reduzierung von Pestiziden und Düngemitteln deutliche Erfolge erzielt werden. Somit können auch Flächen mit Wiederherstellungsmaßnahmen weiterhin genutzt werden. Besonders die verbleibenden extensiv genutzten Standorte müssen weiterhin bewirtschaftet werden, um ihre einzigartige Biodiversität zu fördern und zu erhalten. Landwirtschaftliche Betriebe können durch die Nutzung etablierter Förderinstrumente aktiv zur ökologischen Verbesserung beitragen.
Gefährdet das Nature Restoration Law die Ernährungssicherheit in der EU?
Bezug: Artikel 10 und 11
Nein. Die Verordnung benennt ganz im Gegenteil in Artikel 1 explizit das Ziel, zur Verbesserung der Ernährungssicherheit beizutragen. Zudem enthält das Gesetz eine Notfallregelung. Diese ermöglicht es, unter bestimmten Voraussetzungen die Ziele für die in Artikel 11 geregelten Bestimmungen, die vor allem landwirtschaftliche Ökosysteme betreffen, vorübergehend auszusetzen. Sie soll sicherstellen, dass auch in Krisenzeiten genügend Flächen für eine ausreichende landwirtschaftliche Erzeugung erhalten bleiben.
Die größten Risiken für die Ernährungssicherheit gehen aktuell vom Klimawandel und dem Verlust der biologischen Vielfalt aus. Wichtige Ökosystemleistungen wie die Bestäubung von Pflanzen, biologische Schädlingsbekämpfung und Bodenschutz sind essentiell für eine zukunftsfähige Landwirtschaft. Wissenschaftliche Erkenntnisse zeigen, dass intakte Ökosysteme die Nahrungsmittelproduktion langfristig stabilisieren und widerstandsfähiger gegen Klimaveränderungen machen. Die Verordnung hat das Potenzial, einen großen Beitrag zu nachhaltigen Ernährungssystemen zu leisten und die funktionelle Vielfalt in Agrarlandschaften zu erhöhen. Die vorgesehene Förderung bestäubender Insekten in der Agrarlandschaft trägt maßgeblich zur Sicherung der Ernährungssicherung und der Erträge bei.
Sind Landwirt*innen, die auf Moorböden wirtschaften, nun gezwungen diese wiederzuvernässen?
Bezug: Artikel 11, Absatz 4
Nein. Die Verordnung stellt explizit klar, dass die Wiedervernässung auf landwirtschaftlichen Flächen für Landwirt*innen und private Landbesitzende weiterhin freiwillig ist. Aus der Verordnung ergeben sich somit keine neuen Verpflichtungen für Landwirt*innen und private Landbesitzende zur Wiedervernässung ihrer Flächen, soweit sich aus dem nationalen Recht – zum Beispiel auf Grundlage der GLÖZ-Standards – nicht schon entsprechenden Verpflichtungen ergeben. Als wirksame Maßnahme zum Klimaschutz sind die Ziele zur Wiedervernässung von Moorböden enthalten, die allerdings inhaltlich nicht über die Ziele der Nationalen Moorschutzstrategie und der Bund-Länder-Zielvereinbarung zum Moorbodenschutz hinausgehen. Die Mitgliedstaaten sollen Anreize schaffen, um die Wiedervernässung zu einer attraktiven Option für Landwirt*innen und private Landbesitzer*innen zu machen. Wiedervernässte Flächen lassen sich beispielsweise weiterhin in Form von Paludikulturen landwirtschaftlich nutzen. Paludikultur („Paludus" = Sumpf; Moor) ist ein Verfahren zur nassen Bewirtschaftung von Mooren mit Torferhalt oder sogar Torfbildung.
Anreize für diese Art der Folgenutzung sind beispielsweise im Aktionsprogramm Natürlicher Klimaschutz und in der Nationalen Moorschutzstrategie vorgesehen. Durch eine Bewirtschaftung in Paludikultur werden Moorökosysteme bei gleichzeitiger Nutzung wiederhergestellt und es findet eine deutliche Reduktion der Treibhausgasemissionen statt. Dabei eignet sich beispielsweise der Anbau von Schilf, Rohrkolben und Seggen in Paludikultur zur Produktion von Dämm- und Baustoffen. Aber auch die Beweidung durch Wasserbüffel oder die Anlage von Freiflächen-Photovoltaikanlagen ist möglich. Um die Ziele der Verordnung zu erreichen, können auch Wiederherstellungsmaßnahmen auf anderen Flächen angerechnet werden, denn Maßnahmen auf Flächen von Torfabbaugebieten sind vollständig anrechenbar. Die Wiedervernässungsziele können außerdem anteilig auch durch die Wiedervernässung von Flächen anderer Landnutzungen, zum Beispiel Wälder oder ungenutzte Flächen, erreicht werden.
Können Wälder weiter bewirtschaftet werden?
Bezug: Artikel 12
Ja. Denn Wiederherstellung schließt eine forstwirtschaftliche Nutzung nicht aus. Es sollen Maßnahmen ergriffen werden, die die Biodiversität in Wäldern erhöhen: das können durchaus biodiversitäts- und klimaschutzfördernde Maßnahmen im Rahmen der Waldbewirtschaftung sein. Die als Anhang zur Verordnung bestehende Beispielliste für Wiederherstellungsmaßnahmen schlägt beispielsweise als produktionsintegrierte Maßnahme vor, die Strukturvielfalt in Wäldern zu erhöhen – zum Beispiel indem man einige alte Bäume als „Habitatbäume“ erhält. Eine an der Naturnähe ausgerichtete Waldbewirtschaftung steht gleichermaßen für mehr Klima- und Biodiversitätsschutz und erhöht die Resilienz von Wäldern im Klimawandel.
Gibt es Unterstützung in der Gesellschaft für die Wiederherstellungs-Verordnung?
Folgende Initiativen unterstützen u.a. die Ziele der EU-Verordnung über die Wiederherstellung der Natur: