Fischereimanagement

Vorteile von Schutzgebieten für Fischerei und Meeresnatur
Die Meeresschutzgebiete dienen primär dem Schutz bedrohter Arten und Lebensräume. Bei Umsetzung entsprechender Managementmaßnahmen könnten sie gleichzeitig als Rückzugsräume und letztendlich auch als Erholungsgebiete für bedrohte und überfischte Bestände wirken. Allerdings sind derartige fischereiliche Maßnahmen in den deutschen Meeresschutzgebieten bislang nur in sehr geringem Umfang realisiert worden, und zwar für die Freizeitfischerei. Regelungen für die Berufsfischerei können nur auf EU-Ebene im Rahmen der europäischen Gemeinsamen Fischereipolitik (GFP) getroffen werden.
Meeresschutzgebiete haben nachweislich positive Auswirkungen auf die Fischbestände, sofern die Gebiete angemessen groß und langfristig etabliert sind sowie einen ausreichenden Schutzstatus besitzen. Dies bedeutet einen hohen Anteil an Zonen ganz ohne Fischerei (sog. No-take-areas / zones) bzw. mit einem Verbot bestimmter schädigender Fangmethoden wie zum Beispiel der Grundschleppnetzfischerei. Die Vorteile solcher Schutzgebiete sind:
- Zunahme der Artenvielfalt
- Zunahme der Anzahl, Biomasse und Größe von Arten, die Fischereidruck ausgesetzt sind
- Schutz von gefährdeten Arten (zum Beispiel Meeressäugetiere, Seevögel) und Lebensräumen (zum Beispiel Sandbänke, Riffe)
- Schutz spezifischer Lebensstadien (zum Beispiel Jungfische in „Kinderstuben“ und Altfische mit besonderer Bedeutung für die erfolgreiche Fortpflanzung)
- Schutz von Nahrungs- oder Laichgründen
- Ausbreitungseffekt von juvenilen und adulten Fischen aus den Schutzgebieten in die umgebenden Meeresbereiche („spillover effect“).
Berufsfischerei - Konfliktanalyse als Basis für Managementmaßnahmen
Zur Untersuchung der Möglichkeiten einer naturschutzgerechten Fischerei in den deutschen AWZ-Schutzgebieten hat das BfN bereits 2006 – 2008 in einem dreijährigen Forschungsvorhaben „Ökosystemverträgliche Fischerei in marinen Schutzgebieten“ (EMPAS) die Auswirkungen der Fischerei auf Arten und Lebensräume in den marinen Natura 2000-Gebieten in der deutschen AWZ der Nord- und Ostsee durch den Internationalen Rat für Meeresforschung (International Council for the Exploration of the Sea, ICES) untersuchen und Managementoptionen entwickeln lassen. Im Fokus standen dabei die Lebensraumtypen und Arten, die gemäß der europäischen Gesetzgebung der FFH- und Vogelschutzrichtlinie einen besonderen Schutzstatus genießen, also Sandbänke und Riffe sowie relevante Meeressäugetiere, Seevögel und bestimmte Fischarten. Dabei wurden folgende wesentliche Konfliktfelder zwischen Naturschutzzielen und den Effekten der Fischereiaktivitäten identifiziert:
- Auswirkungen von mobilen grundberührenden Fanggeräten auf benthische Lebensraumtypen Sandbänke und Riffe und ihre typischen Artengemeinschaften (Nordsee)
- Beifang von Seevögeln in passiven Fanggeräten, insbesondere in grundgestellten Kiemen- und Verwickelnetzen (Ostsee)
- Beifang von Schweinswalen in passiven Fanggeräten, hauptsächlich in Kiemen- und Verwickelnetzen (Nord- und Ostsee)
Vorschläge für Managementmaßnahmen in den Natura 2000-Gebieten in der deutschen AWZ
Basierend auf der o.g. EMPAS-Studie und der Konfliktanalyse zwischen Fischereiaktivitäten und den Schutzzielen sowie den Empfehlungen des ICES haben Wissenschaftler des BfN und des Thünen-Instituts bereits 2011 gemeinsam räumlich und zeitlich differenzierte Managementmaßnahmen in den Natura 2000-Gebieten in der deutschen AWZ von Nord- und Ostsee vorgeschlagen. Hierzu gehört beispielsweise der Ausschluss von Grundschleppnetzfischerei in empfindlichen Lebensräumen (Riffe, Sandbänke) ebenso wie zeitlich differenzierte Verbote von Stellnetzfischerei in Zeiten, in denen besonders viele Seevögel in einem Schutzgebiet rasten oder mausern. Für jedes deutsche AWZ-Schutzgebiet wurden nach eingehender Prüfung und Abstimmung individuelle Managementmaßnahmenvorschläge, auch zur Freizeitfischerei (Angelfischerei), entwickelt.
Die Regelungen für die Freizeitfischerei wurden 2017 in den Verordnungen für die Naturschutzgebiete festgelegt. Fischereiliche Maßnahmen für die Berufsfischerei werden derzeit in internationalen Abstimmungsprozessen erarbeitet.

Langwieriger Abstimmungsprozess im Rahmen der GFP
Die Regulierungen der Berufsfischerei in den Schutzgebieten in der deutschen AWZ werden ausschließlich im Rahmen der europäischen Gemeinsamen Fischerei Politik (GFP) festgelegt und sind somit ein völlig separater Prozess unabhängig von den Regulierungen der anderen menschlichen Eingriffe wie der Freizeitfischerei. Gemäß der GFP muss Deutschland in einer sogenannten „gemeinsamen Empfehlung“ den Mitgliedsstaaten mit Fischereiinteressen (auch in den deutschen Schutzgebieten) Vorschläge für eine Regulierung der Fischerei in den Naturschutzgebieten der deutschen AWZ vorlegen. Alle betroffenen Mitgliedstaaten müssen den Vorschlägen zustimmen.
Für die Nordsee beraten die zuständigen Fischereiminister hierzu in der so genannten Scheveningen-Gruppe. Nach langwierigen Verhandlungen hat Deutschland eine in dieser Gruppe abgestimmte Empfehlung für das Fischereimanagement in den Naturschutzgebieten in der deutschen AWZ der Nordsee an die EU-Kommission übermittelt. Die EU-Kommission hat diese jedoch als unzureichend zurückgewiesen, so dass derzeit eine Überarbeitung und ein erneuter Abstimmungsprozess erfolgen. Eine abschließende Entscheidung steht noch aus.
Für die Schutzgebiete in der Ostsee hat das internationale Verfahren zur Umsetzung von Managementmaßnahmen noch nicht begonnen.