Artenschutz in der FFH-Richtlinie
Arten von gemeinschaftlichem Interesse
In den Anhängen II, IV und V der FFH-Richtlinie werden Arten von gemeinschaftlichem Interesse mit Bezugsraum Europäische Union aufgeführt. Gemäß Art. 1 der Richtlinie sind dies:
- bedrohte Arten (mit Ausnahme von Randvorkommen),
- potentiell bedrohte Arten,
- seltene Arten sowie
- endemische Arten.
Prioritäre Arten
Arten des Anhangs II, die europaweit besonders stark gefährdet sind, werden als prioritär (*) gekennzeichnet. Dies hat u.a. besonders strenge Schutzvorschriften im Falle von Eingriffen in zu deren Schutz ausgewiesenen Gebieten zur Folge. In Deutschland sind ohne die bereits ausgestorbenen Arten insgesamt 9 Tier- und Pflanzenarten als prioritäre Arten aufgeführt.
Strenger Schutz für Anhang-IV-Arten
Den Artenschutzregelungen nach Art 12 ff. der FFH-Richtlinie entsprechend, soll von den Mitgliedstaaten ein „strenges Schutzsystem“ für alle Anhang IV-Arten eingerichtet werden. Hierzu zählen bekannte Arten wie z.B. der Feldhamster (Cricetus cricetus), die Wildkatze (Felis silvestris) oder die Würfelnatter (Natrix tessellata). Maßnahmen für einen strengen Schutz beinhalten spezielle Verbote, die sich zum einen auf den direkten Zugriff (Fang, Tötung) und zum anderen auf Fortpflanzungs- und Ruhestätten beziehen.
Viele Arten des Anhang IV kommen in land- und forstwirtschaftlich genutzten Gebieten vor. Bei der Durchführung von Bewirtschaftungsmaßnahmen auf diesen Flächen müssen daher die Lebensraumansprüche der Arten berücksichtigt und die Bewirtschaftung entsprechend angepasst werden. Hinweise für Bewirtschaftungsformen, die Artenschutzbelange berücksichtigen, liegen für zahlreiche Arten vor. So wäre es aus Naturschutzsicht für die Erhaltung der Waldfledermausbestände erforderlich, ein Höhlenangebot von 25-30 Höhlen pro Hektar Altbestand, entsprechend 7-10 Bäumen bereitzustellen. Um die Bestände des Feldhamsters zu schützen, sollten v.a. Saumstrukturen und Brachflächen erhalten bleiben, die Begrünung abgeernteter Äcker bis zur Neueinsaat zugelassen und auf den Einsatz von Rodentiziden und Gülledüngung verzichtet werden. Für die Erhaltung von Schlingnattern ist der Verzicht auf Aufforstungen, die Erhaltung und die Pflege brachliegender Sekundärstandorte wie Steinbrüche, Bahndämme oder Straßenböschungen bzw. kleinräumiger Habitatstrukturen wie Trockenmauern, Steinriegeln, Lesesteinhaufen oder Totholz notwendig (Petersen et al. 2004).
Die Artenportraits des BfN stellen Informationen zu den in Deutschland vorkommenden Arten des Anhang IV der FFH-Richtlinie bereit und geben Empfehlungen zur Bewirtschaftung und Pflege der Flächen, auf denen diese Arten vorkommen.
Entnahme von Anhang V-Arten
Die FFH-Richtlinie erlaubt die Nutzung von Arten des Anhangs V unter der Vorraussetzung, dass sie mit der Aufrechterhaltung eines günstigen Erhaltungszustandes vereinbar ist. Hierzu sind gegebenenfalls gemäß Art. 14 der Richtlinie besondere Maßnahmen zu ergreifen. Mögliche Maßnahmen im Sinne der Richtlinie können sein, die Festsetzung einer Entnahmequote, die Einführung eines entsprechenden Genehmigungssystems, zeitliche oder örtlich begrenzte Entnahmeverbote oder auch die Installation von Nachzuchtprogrammen in Gefangenschaft. Diese Maßnahmen beinhalten auch die Fortsetzung der Überwachung des günstigen Erhaltungszustandes gemäß Artikel 11.
Beispiele für in Deutschland vorkommende Anhang V-Arten sind der Edelkrebs (Astacus astacus) oder die Äsche (Thymallus thymallus).
Um einem nicht-selektiven Töten oder Fangen von Arten der Anhänge V und IV entgegenzuwirken, werden in Anhang VI bestimmte Fang- und Tötungsgeräte sowie Transportmittel verboten.
Monitoringpflichten
Um die Wirksamkeit der ergriffenen Schutzmaßnahmen zu überprüfen, ist für alle Arten der Anhänge II, IV und V ein Monitoringsystem einzurichtet, um den Erhaltungszustand laufend zu kontrollieren. Anhand der gesammelten Informationen sollen anschließend gegebenenfalls weitere Untersuchungs- oder Erhaltungsmaßnahmen eingeleitet werden, um signifikant negative Auswirkungen auf die betreffende Art zu vermeiden.
Ausnahmen von den Artenschutzregelungen
Gemäß Art. 16 (1) der FFH-Richtlinie können die Mitgliedsstaaten von den Artenschutzregelungen der Artikel 12 ff. der FFH-Richtlinie unter strengen Voraussetzungen abweichen, sofern es keine anderweitige zufriedenstellende Lösung gibt und die Population trotz der Ausnahmeregelung ohne Beeinträchtigung in einem günstigen Erhaltungszustand verweilt. Über die Ausnahmen ist alle zwei Jahre zu berichten.
Gründe für Ausnahmen vom Artenschutz
- Schutz wildlebender Tier- und Pflanzenarten, die durch die entsprechende Art gefährdet werden und die Erhaltung der natürlichen Lebensräume
- Verhütung ernster Schäden an Kulturen, in der Tierhaltung, an Wäldern, Fischgründen, Gewässern sowie an sonstigen Formen von Eigentum
- Im Interesse der Volksgesundheit und der öffentlichen Sicherheit oder aus anderen zwingenden Gründen des überwiegend öffentlichen Interesses, einschließlich solcher sozialer oder wirtschaftlicher Art oder positiver Folgen für die Umwelt
- Zu Zwecken der Forschung und des Unterrichts, der Bestandsauffüllung und Wiederansiedlung und der für diesen Zweck erforderlichen Aufzucht, einschließlich der künstlichen Vermehrung von Pflanzen