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Bundesamt für Naturschutz

Definitionen und Recht

Zu den Zielen des Bundesnaturschutzgesetzes (BNatSchG 2009) zählen u.a. die Sicherung der Vielfalt, Eigenart und Schönheit sowie des Erholungswertes von Natur und Landschaft (§ 1 Abs. 1 Nr. 3 BNatSchG). Zur Erholung wird auch die "natur- und landschaftsverträgliche sportliche Betätigung in der freien Landschaft" hinzugerechnet (s. Begriffsbestimmungen; § 7 Abs. 1 Nr. 3 BNatschG). Aber was genau bedeutet Natur- und Landschaftsverträglichkeit im Sport und welche Konsequenzen ergeben sich daraus? Zur näheren Definition hat der Beirat für Umwelt und Sport beim Bundesumweltministerium 2001 eine fachliche Erläuterung zum Begriff der Natur- und Landschaftsverträglichkeit sportlicher Betätigungen in der freien Natur beschlossen.

Naturschutz und Sport

Sport- und Freizeitaktivitäten in der Natur können zu einer Belastung der Tier- und Pflanzenwelt und deren Lebensräume führen. Wie groß die Belastung ist, hängt von mehreren Faktoren, wie der Sportart und mit welcher Intensität sie ausgeübt wird und von der Empfindlichkeit der Ökosysteme mit ihrer Tier- und Pflanzenwelt ab. Um die Natur zu schützen, müssen Verhaltensregeln für die Natursportler*innen aufgestellt werden. Das Thema „Störung“ nimmt  dabei eine zentrale Rolle ein. 

Erläuterung zum Begriff der Natur- und Landschaftsverträglichkeit sportlicher Betätigungen in der freien Natur

Der Beirat für Umwelt und Sport beim Bundesumweltministerium hat 2001 nachfolgende fachliche Erläuterung zum Begriff der Natur- und Landschaftsverträglichkeit sportlicher Betätigungen in der freien Natur beschlossen:

    Sportliche Betätigungen in der freien Natur dienen in der Regel der Erholung sowie dem Natur- und Landschaftserlebnis. Werden bei ihrer Ausübung die Vorgaben des § 7 Abs. 1 Nr. 3 BNatSchG eingehalten, sind sportliche Betätigungen natur- und landschaftsverträglich, es sei denn, sie

    1. widersprechen den zum Schutz von Biotopen und Tier- und Pflanzenarten erlassenen rechtlichen Vorschriften,
    2. beeinträchtigen erheblich die Vielfalt, Eigenart und Schönheit von Natur und Landschaft und mindern den Erlebnis- und Erholungswert - erheblich ist die Beeinträchtigung dann, wenn sie nachhaltig und auf eine bedeutsame Fläche oder auf ökologisch herausragende Natur- und Landschaftselemente wirkt,
    3. stören durch Lärm oder andere Einflüsse die Erholungsfunktion der Landschaft erheblich,
    4. verursachen Stoffeinträge oder physikalische Belastungen, welche die Selbstregulationskraft des betroffenen Ökosystems übersteigen, 
    5. stören wildlebende Tiere so, dass Auswirkungen auf die Reproduktion und Stabilität der betroffenen Populationen zu vermuten sind - unter Störung werden hier die sportbedingten Reize verstanden, die bei Tieren eine Abweichung vom Normalverhalten verursachen. Sie sind für den Schutz wildlebender Tiere dann von Bedeutung, wenn sie nachhaltige Wirkungen auf der Ebene der Population verursachen. Eine Kausalität sollte nachgewiesen werden,
    6. verändern den Lebensraum von heimischen Tieren und Pflanzen so, dass diese in ihrem Fortbestand gefährdet werden - der Verlust und die Veränderung von Lebensräumen sind nach wie vor die bedeutendste Ursache für den Artenrückgang in Deutschland. Eine Gefährdung des Lebensraumes kann dann als gegeben angesehen werden, wenn durch die sportliche Betätigung, auch in Verbindung mit anderen Störfaktoren, dauerhafte und erhebliche Beeinträchtigungen des Lebensraums eintreten,
    7. erfolgen mittels Verbrennungsmotoren - der Einsatz von Verbrennungsmotoren bezieht sich auf die unmittelbare Ausübung der sportlichen Aktivität. Nicht eingeschlossen sind die An- und Abreise sowie unmittelbar für die Sportausübung notwendige Hilfsgeräte.

    1. die sportliche Nutzung der freien Natur differenziert und im Einzelfall beurteilt wird,
    2. geeignete räumliche Konzepte für die sportliche Nutzung der freien Natur etabliert werden,
    3. Möglichkeiten der Lenkung der Sportausübung zur Vermeidung und Minimierung von Beeinträchtigungen in der Praxis eingesetzt werden,
    4. in Vorranggebieten für den Naturschutz eine besondere Sorgfaltspflicht von Seiten des Sports wahrgenommen wird,
    5. in siedlungsnahen und städtischen Bereichen verstärkt landschaftsästhetisch und sportfunktional hochwertige Räume für landschaftsgebundene Sportausübung bereitgestellt werden,
    6. der Sport seine Aufgaben in der Umweltbildung verstärkt wahrnimmt und
    7. zwischen Naturschutz und Sport Leitlinien vereinbart und eingehalten werden.

    Definition Störung

    Sportliche Aktivitäten sind dann in Frage zu stellen, wenn sie als Störung von Natur und Landschaft definiert werden müssen. Wann lässt sich jedoch von einer Störung sprechen und welche weiteren Termini müssen rund um den Begriff Störung definiert werden?

    Nachfolgend werden zwei Definitionen des Störungsbegriffs aufgeführt, die diesen zunächst kurz erläutern:

    1. Stock et al. (1994) definieren Störungen "als nicht zur normalen Umwelt von Organismen, Populationen oder zum normalen Haushalt von Ökosystemen gehörenden Faktoren oder Faktorenkomplexe, häufig vom Menschen ausgelöst, die reversible oder irreversible Veränderungen in den Eigenschaften dieser Systeme bewirken".  Auch bei einem Eingriff oder Einfluss im weiteren ökologischen Sinn, wie z.B. Feuer, Windbruch, Mahd, Beweidung kann von einer Störung gesprochen werden. Im Naturschutz interessieren in der Regel die anthropogenen Eingriffe.
       
    2. Bei Störungen handelt es sich um äußere Einwirkungen, die sich negativ auf das Energie- und/ oder Zeitbudget des Tieres auswirken können. Störungen können verursacht werden von anderen Tieren (Feinde/ unbekannte Großtiere), von Vorgängen in der Umwelt (Hochwasser, Stürme etc.) sowie von Menschen. "Störung unterbricht oder verändert andere (lebenswichtige) Aktivitäten, wie Nahrungsaufnahme, Nahrungssuche, Sich-Putzen, Brüten, Füttern oder andere Aktivitäten im Zusammenhang mit der Fortpflanzung sowie Abläufe in der Entwicklung von Tieren oder ihr Ruhen" (Reicholf 1999: 74)


    Da der Begriff "Störung" bereits eine Wertung der aufgetretenen Reizwirkung enthält, schlagen Stock et al. (1994) vor, das Störereignis in den von der Störquelle ausgehenden Störreiz und in die Störwirkung (Reaktion des gestörten Individuums) einzuteilen. Als dritten Begriff führen die Autoren die Konsequenzen für das gestörte Individuum sowie für die nachfolgenden Ebenen (die Population/ die Biozönose/ das Ökosystem) an. Nach Auffassung von Stock et al. (1994) sollten diese drei Begrifflichkeiten grundsätzlich auf den verschiedenen Ebenen (Individuum, Population usw.) unterschieden und so exakt wie möglich erfasst werden.

    Die Bedeutung des Störreizes ist abhängig von seiner

    • Dauer
    • Intensität
    • Frequenz sowie
    • zeitlichen Verteilung (Tageszeit, Jahreszeit)

    Der Störreiz kann folgende potentielle Auswirkungen haben (Reicholf 1999: 77):

    • physiologische Auswirkungen, z.B. die Erhöhung der Herzschlagfrequenz, gesteigerter Energieverbrauch beim Tier,
    • verhaltensbiologische Auswirkungen, z.B. erhöhte Aufmerksamkeit, Sichern, Flucht des Tieres sowie
    • ökologische Auswirkungen, z.B. das Verschwinden bzw. gänzliche Fehlen empfindlicher Arten in eigentlich für sie geeigneten Lebensräumen.

    Im Hinblick auf die Stärke des Störreizes sind zusätzlich das zeitliche Zusammenwirken sowie der Summierungseffekt verschiedener Reize zu berücksichtigen.

    In Abhängigkeit der Intensität von Störungen und der Störungsempfindlichkeit des Tieres variiert dessen Reaktionsstärke.

    Wirken sich anthropogene Einflüsse beim Tier auf Verhaltens- oder physiologische Parameter aus, bezeichnet man dies als Reaktion.

    Die Reaktionen können in Änderungen des Verhaltens bestehen, die von der erhöhten Aufmerksamkeit des Tieres bis zum gänzlichen Fernbleiben vom jeweiligen gestörten Lebensraum reichen können.

    Tiere können auf einen Störreiz mit der Änderung ihres Raum- und/ oder Zeitnutzungsmusters reagieren. Man spricht in diesem Fall von Kompensation. Neben dem Kompensationsverhalten sind noch zwei weitere Mechanismen zu nennen, wodurch die Reaktionen der Tiere vermieden oder vermindert werden können: die Anpassung und die Gewöhnung.

    Wenn Tiere aufgrund bestimmter Eigenschaften zum Überleben und zur Fortpflanzung geeigneter sind, wird von Anpassung gesprochen.

    "Man unterscheidet zwischen phylogenetischer Anpassung durch Auslese von genetisch bedingten Eigenschaften und adaptiver Modifikation aufgrund von Erfahrung der Individuen. Solche Erfahrungen können tradiert werden" (Ingold 1996: 15).

    Reagiert ein Tier aufgrund von Erfahrungen auf ein Störereignis weniger stark oder gar nicht mehr, führt man diese Reaktionsabschwächung auf eine Gewöhnung zurück.

    "Gewöhnung bedeutet nicht, dass Anpassung erfolgt ist" (ebd.).

    Um eine Störreaktion beim Tier feststellen zu können, ist neben der Beobachtung einer Verhaltensänderung auch die Messung physiologischer Parametern möglich, z.B. Änderung der Herzschlagrate, der Hormonkonzentration, des Blutdrucks. Damit lassen sich Auswirkungen des Störreizes beim Tier vor der augenscheinlichen Reaktion desselben bestimmen.

    Bei der Erfassung der Verhaltensparameter sind aber nicht nur die Verhaltensreaktionen und physiologischen Parametern von Bedeutung, sondern auch die angestammten Verhaltensweisen des Tieres sowie die äußeren Faktoren.

    Konsequenzen des Störreizes entstehen nicht nur auf der Ebene des Individuums (Auswirkungen auf sein Verhalten, seine Kondition und Fitness), sie können sich bei einer gravierenden Störung weiter auf die Population, die Biozönose und letztlich auf des gesamte Ökosystem auswirken.

    Je nachdem auf welcher Ebene sich die Auswirkungen manifestieren, spricht man von gravierenden oder vernachlässigbaren Auswirkungen.

    "Ein Störreiz ist in seiner Wirkung dann gravierend, wenn die Anpassungsfähigkeit des Individuums überfordert und seine Fitness gemindert ist" (Stock et al. 1994: 53), also wenn aufgrund einer geänderten Verhaltensweise "eine negative Auswirkung auf den Energiehaushalt oder eine Beeinträchtigung der Kondition des Individuums erkennbar ist" (ebd.).

    Zu vernachlässigen ist ein Störreiz, wenn er sich nicht in eine höhere Ebene fortsetzt.

    "Erst wenn ein Reiz eine nicht kompensierbare, nachteilige Wirkung auf einer Ebene hervorruft, kann und muss von einem gravierenden Einfluss, also von einer Störung gesprochen werden"(Stock et al. 1994: 53).

    Die Anzahl der potentiell zu erfassenden Parameter macht die Komplexität eines Störereignisses deutlich. In den meisten empirischen Untersuchungen werden nur ein Teil der genannten Parameter erfasst, was die Nachvollziehbarkeit und Interpretation der Ergebnisse erschweren kann.

    Angaben zu Fluchtdistanzen

    Die Problematik der Fluchtdistanzen ergeben sich im wesentlichen aus den Streubereichen, die bei den einzelnen Arten auftreten können. Die Differenzen bei den Angaben zu den Fluchtdistanzen der einzelnen Arten sind zum einen Folge der subjektiven Einschätzung, die im wesentlichen aus eigenen Beobachtungen ohne konkrete Messungen resultiert. Die angegebenen Werte sind häufig ein Nebenprodukt der ornithologischen Feldarbeit. Zum anderen sind die unterschiedlichen Angaben darauf zurückzuführen, dass verschiedene Situationen und Gegebenheiten bei der Erfassung von Fluchtdistanzen berücksichtigt werden.

    Aussagen über den Fortpflanzungserfolg

    Ähnlich verhält es sich mit den verschiedenen Methoden und Parametern, die für Aussagen über den Fortpflanzungserfolg herangezogen werden.

    Die Auswirkungen von Störungen beispielsweise auf den Bruterfolg können erfasst werden durch:

    • einen Vergleich von zwei oder mehr Stichproben von Nestern, die in unterschiedlichem Maß Störungen ausgesetzt waren, oder
    • einen Vergleich zweier oder mehrerer Gebiete, die in unterschiedlichem Maße Störungen ausgesetzt waren, oder
    • einen Vergleich von Stichproben aus verschiedenen Jahren mit unterschiedlicher Störungsintensität (Messung der Häufigkeit menschlicher Aktivitäten bei erfolglosen und erfolgreichen Nestern) (Keller 1995)

    Die unterschiedlichen Aussagen über den Bruterfolg sind jedoch nicht nur auf die unterschiedlichen Erfassungsmethoden zurückzuführen, sondern auch auf die verschiedenen Parameter, die bei der Erfassung berücksichtigt wurden

    • Erfassung des generellen Fortpflanzungserfolges (Anzahl der Jungen/ Brutpaar),
    • Bestimmung des Schlüpferfolges und des Aufzuchterfolges sowie
    • nur einen der beiden Parameter.

    Die Bandbreite der möglichen Parameter sowie der unterschiedlichen Meßmethoden lassen Keller folgendes schlussfolgern: "Die Variabilität der Art und Intensität der untersuchten Störungen erlaubt keine generelle Aussage über das Ausmaß der Verminderung des Bruterfolgs" (Keller 1995: 7).

    Angaben zur Herzschlagrate

    Brütende Austernfischer reagieren auf sehr unterschiedliche Reize mit vergleichbarer Herzschlagrate (Hüppop und Hagen 1990). Dabei wirkt eine Störung durch eine Person, die einen Weg in der Nähe des Nestes begeht (ohne diesen in Richtung Nest zu verlassen) in ähnlicher Art wie der sich nähernde Partner. Da Herzschlagraten-Änderungen aufgrund der Annäherung des Partners kaum als Störung zu werten sind, stellt sich die Frage, ob die Reaktion zu unspezifisch ist bzw. ob die Herzschlagänderung erst ab einem bestimmten erhöhten oder zu niedrigen Wert aussagekräftig ist.

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