Rechtliche Grundlagen
Natura 2000-Gebiete in der deutschen AWZ
Ausschlaggebend für die Auswahl der Natura 2000-Gebiete im Meer sind das Vorkommen und die Verbreitung bestimmter Arten von Seevögeln, Meeressäugetieren und Fischen sowie der besonders schützenswerten, international bedeutsamen Lebensraumtypen „Sandbänke“ und „Riffe“, die in beiden oben genannten Richtlinien in Anhängen aufgelistet sind. Ziel der Ausweisung ist der Schutz dieser besonderen und gefährdeten Lebensräume und Arten.
Am 25. Mai 2004 hat Deutschland der Europäischen Kommission zehn Natura 2000-Gebiete in der deutschen ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ, 12-200 Seemeilen) von Nord- und Ostsee gemeldet. Zwei der Gebiete zum Schutz von Seevögeln sind seit September 2005 als nationales Naturschutzgebiet bzw. als Vogelschutzgebiet (Special Protected Area - SPA) ausgewiesen. Die acht FFH-Gebiete wurden im November 2007 von der EU als Gebiete gemeinschaftlicher Bedeutung (Site of Community Importance - SCI) anerkannt und sind mit Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union im Januar 2008 rechtskräftig geworden.
Im September 2017 wurden die insgesamt zehn Gebiete durch sechs Schutzgebietsverordnungen national unter Schutz gestellt. Sie schließen die zur Umsetzung der Vogelschutz-RL bereits ausgewiesenen Naturschutzgebiete mit ein. Dabei werden die beiden bestehenden durch die neuen Naturschutzgebietsverordnungen ersetzt.
Die acht „Sites of Community Importance“ wurden mit der nationalen Unterschutzstellung durch Deutschland zu einem „Special Area of Conservation“ (SAC) = Besonderes Schutzgebiet.
Management der Gebiete
Das BfN ist als zuständige Behörde für den Meeresnaturschutz in der ausschließlichen Wirtschaftszone auch verantwortlich für das Management der Schutzgebiete und setzt zusammen mit allen Akteuren konkrete Schutzmaßnahmen um. Die Erhaltungs- und Wiederherstellungsmaßnahmen, die zur Erreichung der Schutzzwecke erforderlich sind, werden in Gebietsmanagementplänen festgelegt. Hierbei werden die zuständigen Behörden und Interessenverbände, sowie die interessierte Öffentlichkeit mit eingebunden.
Dringend notwendige Regulierungen der europäischen Fischerei können nicht von den Mitgliedstaaten selbst, sondern nur von der Europäischen Kommission im Rahmen der Gemeinsamen Fischereipolitik (GFP) erlassen werden. Deshalb erarbeiteten das Bundesumweltministerium und Bundeslandwirtschaftsministerium, unterstützt vom Bundesamt für Naturschutz und den Thünen-Fischerei-Instituten, Maßnahmen zur Regulierung der Fischerei in den AWZ-Schutzgebieten. Diese wurden in einem langwierigen Abstimmungsprozess, unter anderem mit den Nachbarstaaten bzw. der so genannten Scheveningen Gruppe abgestimmt. Der hieraus folgende Antrag bei der Europäischen Kommission wurde zunächst als unzureichend abgelehnt. Derzeit erfolgt ein erneuter umfangreicher Abstimmungsprozess neuer Maßnahmenvorschläge. Die abgestimmten Regulierungsmaßnahmen werden dann erneut bei der Europäischen Kommission beantragt. Mit einer Entscheidung ist im Laufe von 2020 zu rechnen.
Kriterien für die Auswahl der Natura 2000-Gebiete
Eines der wichtigsten Kriterien bei der Identifizierung von ökologisch herausragenden Gebieten für das Natura 2000-Netzwerk ist das Vorkommen besonders schützenswerter Tierarten und Lebensraumtypen, die in den Anhängen der Vogelschutzrichtlinie und der FFH-Richtlinie aufgelistet sind und zu deren Schutz EU-weit besondere Anstrengungen zu unternehmen sind. Auf der Basis der Ergebnisse umfangreicher, vom BMU finanzierter und vom BfN koordinierter und ausgewerteter Forschungsprojekte, wurden folgende in den Anhängen der FFH-Richtlinie genannte Arten und Lebensraumtypen als relevant für die Abgrenzung von Schutzgebieten in der deutschen AWZ identifiziert:
- § Anhang II-Arten
Schweinswal
Kegelrobbe
Seehund
Anadrome Wanderfische
wie zum Beispiel Stör, Finte, Alse, Meer- und Flussneunauge - § Anhang I-Lebensraumtypen
Lebensraumtypen
Sublitorale Sandbänke
Riffe
Gemäß Anhang III der FFH-Richtlinie wurden die Bedeutung und Dichte ihres Vorkommens, ihre Repräsentativität sowie ihr Erhaltungszustand bei der Auswahl von geeigneten Schutzgebieten als Kriterien herangezogen. Die Schutzgebiete sind zu vernetzen, und zusammen mit weiteren konkreten Maßnahmen soll ein günstiger Erhaltungszustand der Lebensräume und Arten bewahrt oder wiederhergestellt werden.
Für die Abgrenzung der Vogelschutzgebiete wurde ein für Nord- und Ostsee unterschiedliches Artenspektrum der Seevögel identifiziert. Im Anhang I der Vogelschutz-Richtlinie sind die Arten aufgeführt, die besonderer Schutzmaßnahmen bedürfen, weil sie beispielsweise vom Aussterben bedroht sind, aufgrund ihres geringen Bestandes oder ihrer beschränkten örtlichen Verbreitung als selten gelten. Für diese Arten haben die Mitgliedsstaaten Schutzmaßnahmen zu treffen, um ihr Überleben und ihre Vermehrung in ihrem Verbreitungsgebiet sicherzustellen. Dazu gehört explizit auch, die zahlen- und flächenmäßig geeignetsten Gebiete zu Schutzgebieten zu erklären. In den Meeresflächen der deutschen AWZ von Nord- und Ostsee kommen sieben Anhang I Arten vor:
- Sterntaucher
- Prachttaucher
- Ohrentaucher
- Küstenseeschwalbe
- Flussseeschwalbe
- Brandseeschwalbe
- Zwergmöwe
Darüber hinaus müssen aber auch die nicht in Anhang I aufgeführten, regelmäßig auftretenden Zugvogelarten geschützt werden, in dem ihre Vermehrungs-, Mauser- und Überwinterungsgebiete sowie Rastplätze in ihren Wanderungsgebieten als Nahrungsgebiet entwickelt und erhalten werden.
Ausweisungsprozess
Deutschland hat im Mai 2004 zehn Natura 2000-Gebiete in der deutschen AWZ der Nord- und Ostsee an die Europäische Kommission gemeldet:
- drei FFH-Gebiete und ein Vogelschutzgebiet in der Nordsee sowie
- fünf FFH-Gebiete und ein Vogelschutzgebiet in der Ostsee.
Zuvor waren die Gebiete ausführlich mit den betroffenen Bundesressorts sowie den angrenzenden Küstenbundesländern und der interessierten Öffentlichkeit abgestimmt worden. Die Ausweisung der zehn Natura 2000-Gebiete in der AWZ erfolgt gemäß den Vorgaben der europäischen Naturschutz-Richtlinien, der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie (FFH-RL) und der Vogelschutz-Richtlinie (VRL). Die dafür zu beachtenden Verfahrensschritte sind unterschiedlich. Siehe Grafik unten.
Die beiden Europäischen Vogelschutzgebiete konnten nach der Meldung an die Europäische Kommission direkt vom BMU durch entsprechende Verordnungen unter Schutz gestellt werden. Sie wurden im September 2005 als nationale Naturschutzgebiete bzw. als besondere Schutzgebiete (Special Protected Area - SPA) nach der Terminologie der europäischen Vogelschutzrichtlinie ausgewiesen. Die acht FFH-Gebiete wurden von der Europäischen Kommission im November 2007 in die Liste der Gebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung (Sites of Community Importance - SCI) aufgenommen und im Januar 2008 im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht.
Im September 2017 wurden auch die FFH-Gebiete national unter Schutz gestellt und in sechs Naturschutzgebiete (NSG) zusammengefasst. Die nationale Unterschutzstellung erfolgte durch sechs Schutzgebietsverordnungen, die auch die zur Umsetzung der Vogelschutzrichtlinie ausgewiesenen Naturschutzgebiete mit einschließen. In der Terminologie der europäischen FFH-Richtlinien wurden mit der nationalen Unterschutzstellung die acht „Sites of Community Importance“ (SCIs) zu sechs „Special Area of Conservation“ (SAC), also zu „Besonderen Schutzgebieten“, den oben erwähnten Naturschutzgebieten.
Deutschland leistet damit nicht nur einen wichtigen Beitrag zum Natura 2000-Netzwerk, sondern auch zum weltweiten Netzwerk von Meeresschutzgebieten, welches nach Beschluss des Weltgipfels von Johannesburg (2002) ursprünglich bis zum Jahr 2012 fertiggestellt werden sollte.
Die drei NSG der deutschen AWZ der Nordsee sind 2008 auch als Meeresschutzgebiete im Nordostatlantik (OSPAR Marine Protected Areas; OSPAR-MPAs) ausgewiesen und 2011 als räumliche Schutzmaßnahmen im Sinne von Art. 13 Abs. 4 der Meeresstategie-Rahmenrichlinie (MSRL) an die Europäische Kommission gemeldet worden.
Die drei NSG der Ostsee sind Bestandteil des HELCOM Marine Protected Area Netzwerks.