Windenergie an Land
Entwicklung und Aufgabe
Waren bis zur Jahrtausendwende noch Anlagen mit einer Leistung im Bereich weniger Hundert Kilowatt der Standard, befindet sich inzwischen die Leistung der installierten Anlagen im Megawatt-Bereich. Mit der Leistungssteigerung der Anlagen geht eine Zunahme des Rotordurchmessers und der Gesamthöhe der Anlagen einher, so dass inzwischen Höhen von rund 350 m erreicht werden können. Durch den Zubau und die fortschreitende technische Weiterentwicklung der Windenergieanlagen (WEA) muss auch die Konfliktträchtigkeit für den Naturschutz stetig neu bewertet werden.
Das BfN beschäftigt sich mit potentiellen Auswirkungen auf Natur und Landschaft und erarbeitet Empfehlungen zur Minimierung bzw. Vermeidung von Konflikten. Auf Grundlage von verschiedenen Forschungsvorhaben im Themenfeld „Naturschutz und Windenergieausbau“ werden fachliche und methodische Empfehlungen für die Praxis erarbeitet.
Standortwahl von Windenergie an Land
Der Bau- und der Betrieb von WEA an Land führen vielerorts zu Konflikten hinsichtlich des Artenschutzes, vor allem aufgrund der regelmäßigen Betroffenheit von Vögeln und Fledermäusen. Um erhebliche Beeinträchtigungen zu vermeiden, ist zunächst die Festlegung naturverträglicher Standorte wesentlich.
Die räumliche Steuerung der Windenergienutzung erfolgt über die Regionalplanung, die in den meisten Ländern an regionale Planungsgemeinschaften bzw. -verbände übertragen wurde, oder über kommunale Planungsträger.
Seit 2022 gilt das sogenannte Zwei-Prozent-Flächenziel des Bundes für den Ausbau der Windenergie. Mit Einführung des WindBG wurde den Bundesländern neben einem verbindlichen Flächenbetragswert auch Fristen zur Ausweisung von Windenergiegebieten gesetzt. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, wie hierbei die Berücksichtigung des Artenschutzes auf den vorgelagerten Planungsebenen erfolgen kann.
Beschleunigung von Planung und Genehmigung
Ende 2022 ist die europäische Dringlichkeitsverordnung 2022/2577 (EU-NotfallVO) mit einer Geltungsdauer von 18 Monaten in Kraft getreten, welche bis zum 30.06.2025 verlängert wurde. Mit der Verordnung wurden vorübergehende Notfallvorschriften festgelegt, um Genehmigungsverfahren zum Ausbau erneuerbarer Energien erheblich zu vereinfachen und zu beschleunigen. Hintergründe sind vornehmlich der Angriffskrieg der Russischen Föderation gegen die Ukraine und die damit verbundene Bedrohung der europäischen Versorgungssicherheit.
In nationales Recht wurden die von den Mitgliedsstaaten zu regelnden Vorgaben der EU-NotfallVO unter anderem 2023 über eine Novelle des Windenergieflächenbedarfsgesetzes umgesetzt. Für Windenergie an Land sieht hierzu der geänderte § 6 WindBG erhebliche Verfahrenserleichterung in Windenergiegebieten vor. Bestandteil der Regelungen in § 6 WindBG ist beispielsweise, dass in ausgewiesenen Windenergiegebieten eine Umweltverträglichkeitsprüfung und eine artenschutzrechtliche Prüfung nicht durchzuführen sind, sofern diese Gebiete bestimmte Voraussetzungen erfüllen.
Soweit auf Grundlage des § 6 WindBG keine artenschutzrechtliche Prüfung mehr stattfindet, hat die zuständige Behörde auf Grundlage vorhandener Daten geeignete und verhältnismäßige Minderungsmaßnahmen anzuordnen, um die Einhaltung der artenschutzrechtlichen Zugriffsverbote des § 44 Abs. 1 BNatSchG zu gewährleisten. Die Festlegung von Minderungsmaßnahmen auf Grundlage vorhandener Daten sowie die Entscheidung, ob alternativ Zahlungen ins nationale Artenhilfsprogramm (nAHP) anzuordnen sind, stellt für die zuständigen Behörden aktuell eine enorme Herausforderung dar.
Der Europäische Gesetzgeber hat am 30.10.2023 die als „RED III“ (Renewable Energy Directive III) bezeichnete Änderung der Erneuerbare-Energien-Richtlinie beschlossen. Die Bestimmungen sehen in Verstetigung der EU-NotfallVO ebenso die Beschleunigung des Ausbaus von erneuerbaren Energien vor. Hierfür sollen die Mitgliedsstaaten sogenannte „EE-Beschleunigungsgebiete“ ausweisen, für die Erleichterungen bei der Genehmigung von erneuerbaren Energieerzeugungsanlagen vorgesehen sind. Eine Voraussetzungen hierfür ist, dass bereits bei der planerischen Ausweisung der Beschleunigungsgebiete geeignete Regeln für wirksame Minderungsmaßnahmen festgelegt werden, um mögliche negative Umweltauswirkungen zu vermeiden oder zu verringern. Die Umsetzung der Bestimmungen der RED III in nationales Recht ist derzeit noch ausstehend.