NSG Pommersche Bucht – Rönnebank
Kurzbeschreibung
Das 2.092 km² große Naturschutzgebiet Pommersche Bucht - Rönnebank ist das größte Schutzgebiet in der deutschen Ostsee. Es befindet sich etwa 20 km östlich der Insel Rügen. Es erstreckt sich von den Riffen des Adlergrundes und der Rönnebank im Norden und Nordwesten bis zur seewärtigen Grenze der deutschen Küstengewässer im Süden, wo es den gesamten deutschen Teil der Oderbank, der größten Sandbank der deutschen Ostsee, umfasst. Das reichhaltige Nahrungsangebot in diesem großen Schutzgebiet und sein eisfreier Zustand selbst in kalten Wintern ziehen jedes Jahr bis zu einer halben Million Meeresenten an. Das Naturschutzgebiet bietet nicht nur Seevögeln und anderen bedrohten Seevögeln, sondern auch zahlreichen anderen bedrohten Arten wie Wanderfischen, Plattfischen und Meeressäugern wichtige Nahrungs-, Rast-, Fortpflanzungs- und Aufzuchtgebiete.
Belastungen und Management
Wie die gesamte deutsche Ostsee leidet auch das Schutzgebiet unter der Eutrophierung und den durch den Klimawandel bedingten steigenden Wassertemperaturen. Eine besondere Belastung in diesem Gebiet ist die Stellnetzfischerei, die zu einem erheblichen Beifang von Seevögeln und Meeressäugern führen kann. Obwohl die Oderbank aufgrund des geringen Schiffsverkehrs eines der ruhigsten Gebiete der deutschen Ostsee ist, hat der Ausbau von Offshore-Windparks zu einem erhöhten Schiffsverkehr zu und von den Windparks geführt. Der Schiffsverkehr verursacht Unterwasserlärm und stört auch Seevögel, insbesondere die empfindlichen Seetaucher, da sie durch die herannahenden Schiffe aufgeschreckt oder verjagt werden.
Das Schutzgebietsmanagement zielt darauf ab, das Überleben und die Fortpflanzung der in der Vogelschutz- und der FFH-Richtlinie aufgeführten Arten und Lebensräume durch Maßnahmen zur Vermeidung negativer Auswirkungen und durch Wiederherstellungsaktivitäten zu sichern. Die Schutzgebietsverordnung hat die Freizeitfischerei aus weiten Teilen des Gebiets verbannt. Die kommerzielle Fischerei ist in einigen Teilen eingeschränkt. Im Rahmen der Gemeinsamen Fischereipolitik (GFP) der EU werden als Ergebnis von jahrelangen Bemühungen des BfN demnächst weitere Vorschriften für die kommerzielle Fischerei erlassen. Das BfN unterstützt die Wiederansiedlung des Störs und Planungen zur Wiederherstellung von Steinriffen.
Zahlen und Fakten
Name | FFH-Gebiet (FFH)/ Vogelschutzgebiet (V) | EU Code | Größe |
---|---|---|---|
Westliche Rönnebank | FFH | DE 1249-301 | 86 km² |
Adlergrund | FFH | DE 1251-301 | 234 km² |
Oderbank | FFH | DE 1652-301 | 1,101 km² |
Pommersche Bucht | V | DE 1552-401 | 2,004 km² |
Lebensräume und Arten | Größe, Anzahl oder Bedeutung (2024) |
---|---|
Sandbänke | ca. 574 km² |
Riffe | ca. 163 km² |
Schweinswal (Phocoena phocoena)-Population der zentralen Ostsee | Überwinterungsgebiet 263-560 (vor allem in dem FFH-Gebiet Pommersche Bucht) |
Kegelrobbe (Halichoerus grypus) | Nahrungs- und Durchzugsgebiet |
Finte (Alosa fallax) | nachgewiesen |
Baltischer Stör (Acipenser oxyrinchus) | Nachgewiesen im FFH-Gebiet Pommersche Bucht |
Eisente (Clangula hyemalis) | 210,000 im Winter |
Sterntaucher (Gavia stellata) und Prachttaucher (Gavia arctica) | 4,250 im Frühjahr |
Charakteristik
Mit den dicht bewachsenen Riffen und der Oderbank gehört das Schutzgebiet zu den wichtigsten Überwinterungsgebieten in der Ostsee für Seetaucher, Lappentaucher und Meeresenten. Darüber hinaus hat es wegen seiner Produktivität eine besondere Bedeutung für Wanderfische, Schweinswal und Kegelrobbe.
Die Riffe in den Teilgebieten Rönnebank und Adlergrund bestehen aus imposanten Blocksteinfeldern mit eingestreuten Sandflächen. Dieses Mosaik bietet reich strukturierte Lebensräume mit einer hohen Artenvielfalt – und somit reichlich Nahrung für Fische, Meeressäuger und Seevögel. In der Rönnebank sind die Blocksteine dicht mit Miesmuscheln (Mytilus edulis) bewachsen, die wiederum gerne von Seepocken besiedelt werden. Im Adlergrund sind die flacheren Steinriffe bis 10 m Tiefe vor allem mit Sägetang (Fucus serratus), aber auch mit Meersaite (Chorda filum) und Rotalge (Furcellaria lumbricalis) bewachsen, die Versteckmöglichkeiten für viele Fische und andere kleine Meerestiere bieten. Jüngere Untersuchungen zeigen, dass diese Algen wegen der anhaltenden Eutrophierung und steigender Wassertemperaturen stark zurück gehen. Die tieferen Riffgebiete im Adlergrund sind wie in der Rönnebank mit Miesmuscheln bewachsen. Mit ihren feinen Kiemen entnehmen die Miesmuscheln dem Wasser nicht nur den lebenswichtigen Sauerstoff, sondern auch Planktonorganismen und Schwebstoffe als ihre Nahrung. Dadurch tragen sie zur Verbesserung der Wasserqualität bei.
Charakteristische Arten der tiefer als 20 m gelegenen Sandflächen sind die Baltische Plattmuschel (Macoma baltica), die Sandklaffmuschel (Mya arenaria) und Herzmuscheln sowie verschieden seltene Krebsarten (Bathyporeia pilosa, Pontoporeia femorata, Saduria entomon). Sie zeichnen sich alle dadurch aus, dass sie mit dem niedrigen Salzgehalt in der östlichen deutschen Ostsee gut zurecht kommen.
Zu den hier vorkommenden Fischarten zählen Grundeln, Aalmutter (Zoarces viviparus), Sprotte (Sprattus sprattus), Hering (Clupea harengus), Plattfische und Dorsch (Gadus morhua).
Die Oderbank ist die zentrale morphologische Struktur der Pommerschen Bucht. Vermutlich handelt es sich um einen Dünenkomplex, der beim Anstieg des Meeresspielgels nach der letzten Eiszeit überflutet wurde. Die Oderbank ist nahezu homogen mit hellen Feinsanden bedeckt, die stellenweise mit einem hohen Anteil an Schill angereichert sind. Diese große, nahezu makrophytenfreie Sandbank ist einmalig im deutschen Ostseeraum und ein hervorragendes und repräsentatives Beispiel für den Lebensraumtyp „Sandbänke mit nur schwacher ständiger Überspülung durch Meerwasser“.
Nur wenige Arten von wirbellosen Bodenlebewesen kommen in der Pommerschen Bucht vor. Allerdings können diese Arten dank guter Sauerstoff- und Nahrungsverfügbarkeit erstaunlich hohe Bestände und Biomassen ausbilden. Da die grundberührende Fischerei in einem großen Bereich der Oderbank schon viele Jahre untersagt ist, zeigen die charakteristischen Bodenlebewesen natürliche Verbreitungsmuster und Populationsdynamiken. Durch diesen Reichtum an wirbellosen Bodenlebewesen hat das Gebiet eine herausragende Bedeutung als dauerhaft verfügbare Nahrungsquelle für zahlreiche Arten.
Wegen der geringen Wassertiefe und der damit verbundenen ganzjährig guten Versorgung mit Sauerstoff haben sowohl der Adlergrund als auch die Oderbank eine wichtige Rolle als Ausgangspunkt für eine Wiederbesiedlung benachbarter tieferer Gebiete mit Bodenlebewesen. Dies kommt zum Tragen, wenn leider immer häufiger und großflächiger auftretender Sauerstoffmangel zu einem Massensterben in tieferen Bereichen führt.
Die Pommersche Bucht ist wegen des Reichtums an Bodenlebewesen ein besonders wichtiges Laich- und Aufzuchtgebiet für Plattfische wie Steinbutt, Scholle und Flunder. Noch unerfahrene junge Fische können sich mit ihrem wellenartigen Flossenschlag schnell in den feinen Sanden eingraben. Manche Arten perfektionieren ihre Tarnung, indem sie ihre Pigmentierung der Farbe und Struktur des Untergrunds anpassen.
Die Oderbank ist auch ein wichtiges Nahrungs- und Überwinterungshabitat für den Ostseeschnäpel (Coregonus lavaretus) und die Finte (Alosa fallax). Darüber hinaus gilt sie – auf der Grundlage historischer Quellen - als wichtiges potenzielles marines Verbreitungs- und Nahrungsgebiet für den in der Oder und ihren Zuflüssen wieder angesiedelten Stör (Acipenser oxyrinchus). Stör und Finte gehören zu den anadromen Wanderfischen, die als Anhang II-Arten der FFH-Richtlinie besonderen Schutz benötigen. Anadrome Fische ziehen nur zum Laichen die Flüsse hinauf, die erwachsenen Tiere hingegen leben im Meer.
Die Schweinswale (Phocoena phocoena), die in der Rönnebank und Oderbank gesichtet werden, sind Tiere aus der stark gefährdeten Schweinswalpopulation der zentralen Ostsee. Diese Population hatte bei der letzten Zählung nur noch knapp 500 Tiere. Sie nutzt die Rönnebank und die Oderbank als Durchzugs- und Überwinterungsgebiet. Mutter-Kalb-Paare wurden hier auch gesichtet. Dies unterstreicht die Bedeutung des Gebiets für die Fortpflanzung und den Erhalt dieser extrem gefährdeten Population. Besonders in kalten Wintern sind die dauerhaft eisfreien Gebiete der Pommerschen Bucht für die Schweinswale überlebenswichtig. Sie wandern dann von den nördlichen eisbedeckten Regionen der Ostsee in die Pommersche Bucht. Im Sommer kommen auch Schweinswale der Beltsee-Population in das Schutzgebiet.
Schweinswale sind erwiesenermaßen extrem empfindlich auf Unterwasserlärm. Da die Oderbank wenig Schiffsverkehr hat, profitieren die Schweinswale von einem der ruhigsten Meeresgebiete der deutschen Ostsee. Allerdings hat der Ausbau der Offshore-Windenergieanlagen in der Nähe des Schutzgebiets zu einem Anstieg des Schiffsverkehrs im und um das Schutzgebiet geführt.
Neben den Schweinswalen ist das Schutzgebiet auch für die Kegelrobbe (Halichoerus grypus) von Bedeutung. Die Kegelrobbenpopulation in der deutschen Ostsee ist in den letzten Jahren deutlich gewachsen, vor allem in den Gewässern um die Insel Rügen. Für diese Tiere ist das Schutzgebiet ein wichtiges Nahrungs- und Wanderungsgebiet.
Die Muscheln der Riffe und Sandflächen von Rönnebank und Adlergrund stellen eine wichtige Nahrungsquelle für Meeresenten dar, vor allem für die Eisente (Clangula hyemalis). Wegen des geringen Salzgehalts bilden die Muscheln nur dünne Kalkschalen aus und sind damit eine relativ bequeme und energiereiche Nahrung für die Meeresenten.
Eisenten sind sowohl im Winter als auch im Frühjahr in sehr großer Anzahl in weiten Teilen der deutschen Ostsee zu finden. Deutschland hat deshalb eine besondere Verantwortung für den Schutz dieser Art. Der Hauptzug in die deutsche Ostsee findet von Ende Oktober bis Anfang Dezember statt. Das größte zusammenhängende Aufenthaltsgebiet der Eisenten ist im Winter (Dezember - Februar) das Meeresgebiet des Adlergrunds mit seinen herausragenden Miesmuschelbänken bis hin zu den Flachgründen der Oderbank. Bis zu 210.000 Individuen halten sich dann im Schutzgebiet auf, das entspricht einem sehr großen Teil des Überwinterungsbestands der deutschen Ostsee. Sie nutzen die guten Nahrungsbedingungen, um ihre Fettreserven nach der anstrengenden Brut- und Zugzeit wieder aufzufüllen. Der Heimzug in die Brutgebiete setzt ab Anfang Februar ein und erreicht Ende März bis Ende April seinen Höhepunkt.
Untersuchungen internationaler Wissenschaftlerteams zeigen, dass die Anzahl an Eisenten der westsibirischen-nordeuropäischen Population drastisch eingebrochen ist, von 4,1 Millionen (1992/1993) auf 1,5 Millionen Individuen (2007 – 2009). Derzeit ist noch nicht bekannt, ob hierfür vor allem ein zu geringer Bruterfolg oder eine zu hohe Sterblichkeit verantwortlich sind. In letzter Zeit haben die Bestände der Eisente in der deutschen Ostsee wieder etwas zugenommen, aber liegen noch deutlich unter dem früheren Niveau. Eine vollständige Erholung wird erschwert durch andauernde und neue Belastungen in ihren Brut-, Rast und Überwinterungsgebieten.
Innerhalb der deutschen AWZ der Ostsee haben Pracht- und Sterntaucher (Gavia arctica and Gavia stellata) ihre wichtigsten Überwinterungsgebiete in der Pommerschen Bucht, ebenso wie der Rothalstaucher (Podiceps grisegena). Bis 10 % der nordwesteuropäischen Populationen von Ohrentauchern (Podiceps auritus), Eisenten, Trauerenten (Melanitta nigra) und Samtenten (Melanitta fusca) überwintern oder rasten in der Pommerschen Bucht. Im Winter sind die Trauerenten großflächig in der deutschen Ostsee verteilt (60.000 Individuen halten sich dann im Schutzgebiet auf). Im Frühjahr (März-Mai) konzentrieren sich aber bis zu 210.000 Trauerenten auf der Oderbank im Schutzgebiet. Im Sommer (Juni-September) hat die Pommersche Bucht für die Trauerente eine besondere Bedeutung als Mausergebiet. Mehrere zehntausend Exemplare dieser schwarzen Schönheiten verbringen dort diese sensible Zeit, in der sie flugunfähig sind. Von den Samtenten halten sich im Winter 85.000 Tiere und im Frühjahr bis zu 75.000 Individuen in der Pommerschen Bucht auf. Der Mauserbestand der Samtente schwankt stark und beträgt mitunter mehrere hundert Tiere.
Auch viele andere Schlüsselarten unter den Seevögeln nutzen das Schutzgebiet in den verschiedenen Jahreszeiten als Rast- und als Nahrungsgebiet. Dazu zählen der Gelbschnabeltaucher (Gavia adamsii), der Tordalk (Alca torda), die Gryllteiste (Cepphus grille), die Trottellumme (Uria aalge), die Zwergmöwe (Hydrocoleus minutus) und die Stummöwe (Larus canus).