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Bundesamt für Naturschutz

Tiefseebergbau

Rohstoffabbau in der Tiefsee? Kaum vorstellbar, doch laufen bereits seit mehreren Jahrzehnten Erkundungen, welche Rohstoffe sich in vielen 1000 Metern Tiefe der Ozeane finden lassen und ob und auf welche Weise sie abbaubar wären. Denn in der Tiefsee befinden sich Metalle wie Eisen, Mangan, Kobalt, Nickel, Kupfer, Gold, Silber, Platin und selbst die so begehrten „seltenen Erden“.

Tiefseelebensräume

Die erdgeschichtliche Entwicklung der Tiefseelebensräume hat zu Jahrmillionen alten metallhaltigen Ablagerungen an Seebergen, hydrothermalen Quellen und in Sedimentationsbecken entlang vulkanischer Bruchzonen geführt. Genau hier aber haben sich hochspezialisierte, einzigartige Lebensgemeinschaften entwickelt, die an die hier herrschenden Lebensbedingungen wie extrem hoher Druck, größtenteils Kälte, Dunkelheit und damit fehlender Fotosynthese und Nahrungsknappheit angepasst sind. Viele Lebensräume, Regionen und Arten sind noch weitgehend unerforscht und auch unentdeckt. Dabei bietet die Tiefsee nicht nur einen riesigen Lebensraum für vielfältige, faszinierende und verletzliche Lebewesen, sondern besitzt darüber hinaus wichtige Funktionen für das gesamte Ökosystem Meer und die Klimaregulation.

Rohstoffabbau im Meer

Rohstoffabbau im Meer erfolgt einerseits auf den Kontinentalschelfen, bis ca. 400 Meter Wassertiefe, die zumeist in den ausschließlichen Wirtschaftszonen der Länder oder auf den von den Küstenstaaten beanspruchten erweiterten Kontinentalschelfen liegen. Hier werden vor allem Öl und Gas gefördert, Sand und Kies oder weitere Rohstoffe wie Phosphor abgebaut. Tiefseebergbau könnte vor allem in Gebieten jenseits nationaler Rechtszuständigkeiten stattfinden. Gemäß UN-Seerechtsübereinkommen ist in diesen Gebieten der Meeresboden einschließlich seiner Bodenschätze seerechtlich als gemeinsames Erbe der Menschheit definiert und geschützt. Die Erkundung und der Abbau von Rohstoffen werden stellvertretend durch eine UN-Behörde, die Internationale Meeresboden-Behörde (International Seabed Authority, ISA) geregelt.

Seegurke auf Manganknollen
Seegurke (Psychropotes longicauda) auf Manganknollen in der Clarion Clipperton Zone im Pazifik zwischen Hawaii und Mexico.

Tiefsee-Rohstoffe und biologische Vielfalt

Man unterscheidet insbesondere drei verschiedene Rohstoffgruppen in der Tiefsee:

Manganknollen liegen in zum Teil hoher Dichte auf der Oberfläche oder in der oberen Bodenschicht der Tiefsee-Ebenen in ca. 4.000 bis 6.000 Metern Wassertiefe. Im Laufe von Jahrmillionen Jahren lagerten sich Metallverbindungen zumeist aus der Wassersäule an organischen Kernen (zum Beispiel winzigen Steinchen, Fossilien) an oder sie entstanden aus gesteinsbildenden Prozessen im Sediment. In solchen Feldern mit Manganknollen in über 4.000 Metern Tiefe finden sich lokal starke Vorkommen von Seegurken, Schwämmen, verschiedene Arten der Oktopoden und vielen Bodenlebewesen. Manche Arten benötigen die Manganknollen zur Ansiedlung, da es das einzig feste Substrat in einem weichen Sediment ist.

Kobalthaltige Krusten bildeten oder bilden sich durch Ablagerung von im Meerwasser gelösten Metallen auf freiliegenden Gesteinen, von über 400 bis zu etwa 4.000 Meter Tiefe in Gebieten mit vulkanischer Aktivität. Pro Million Jahre wachsen die Krusten 1 bis 5 Millimeter und damit sogar noch langsamer als die Manganknollen. Sie sind vor allem auf den Flanken von Seebergen – die als besonders schutzbedürftige Lebensräume eingestuft sind - in 800 bis 2.500 Metern Wassertiefe zu finden – gerade diese sind jedoch die biologisch und ökologisch relevantesten Zonen der Seeberge mit einer artenreichen Boden- und Fischfauna.

Polymetallische Sulfide bildeten oder bilden sich insbesondere an erkalteten oder aktiven Hydrothermalquellen. Je länger die Hydrothermalquellen aktiv waren oder sind, desto mächtiger die Erzablagerungen – und die dort vorkommenden Lebensgemeinschaften haben viele endemische Arten, die sich auf diese Lebensbedingungen spezialisiert haben. Vor allem Bakterien nutzen die im Wasser gelösten Schwefelwasserstoffe für Chemosynthese. Diese Bakterien dienen Röhrenwürmern, spezialisierten Muschelarten und vielen verschiedenen Arten von Krebstieren und selbst Fischen als Nahrung. Die Schwarzen Raucher der Hydrothermalfelder gelten als die am dichtesten besiedelten Lebensräume der Tiefsee – bis zu 300 Arten hat man an einem Schwarzen Raucher gefunden.

Gefahren durch den Tiefseebergbau

Bereits die Erkundungen der Rohstoffvorkommen in der Tiefsee bringen Gefahren für die marine Lebensvielfalt mit sich, beispielsweise durch Unterwasserlärm von Schiffen und Tauchrobotern sowie durch seismische Untersuchungen. Besonders gravierend jedoch werden die Risiken und Auswirkungen des eigentlichen Rohstoffabbaus sein:

  • Verlust der über geologische Zeiträume von Jahrtausenden bis zu Jahrmillionen entstandenen Hartsubstrate (Manganknollen, Eisen-Mangan-Krusten, Schlote/Massivsulfide), die Lebensgrundlagen für viele Lebewesen sind
  • Direktes Töten von Lebewesen durch den Abbau
  • Gefahr des Verlusts von Arten, auch besonderen wie sehr langlebigen Arten oder lebenden Fossilien oder Arten, die teils noch nicht einmal bekannt sind
  • Verlust von Biodiversität und genetischen Ressourcen
  • Schädigungen der Meereslebewesen durch Emissionen von künstlichem Licht, Lärm, Vibrationen
  • Schädigungen der Meeresumwelt und Meereslebewesen durch beim Abbau freigesetzte Schadstoffe und Sedimentwolken, die sich weit im Wasser verteilen und dabei auch weit entfernte Lebensräume schädigen können
  • Gefahr der Anreicherung von freigesetzten Schadstoffen in Nahrungsketten bis hin zu Meerestieren, die Menschen als Nahrung dienen
  • Sedimentwolken können Lebewesen im Wasser (von kleinstem Plankton bis zu großen Walen) belasten und Lebewesen am Boden begraben
  • Insgesamt Beeinträchtigung einiger Ökosystemfunktionen mit potenziellen globalen Auswirkungen
Kaiserbarsch über weißen Kaltwasserkorallen und gelben Anemonen
Kaiserbarsch über weißen Kaltwasserkorallen und gelben Anemonen in 650m Wassertiefe im Westatlantik.

Position des BfN

Nach aktuellem wissenschaftlichem Stand birgt der Tiefseebergbau erhebliche Gefahren für die Tiefsee. Einige negative Auswirkungen sind bereits beschrieben, die gravierend und langfristig bis unumkehrbar wären. Mögliche weitreichende Folgeschäden durch Tiefseebergbau sind nur unzureichend kalkulierbar. Insgesamt sind die Risiken von schweren, langfristigen bis irreversiblen Schäden und des Verlusts von Biodiversität und Ökosystemen zu hoch. Stattdessen sollten Strategien der Rohstoff­Versorgungssicherheit gestärkt werden, die mit den internationalen und nationalen Nachhaltigkeitszielen Deutschlands vereinbar sind. Dazu gehören die Etablierung von Recycling, eine höhere Ressourceneffizienz, sowie technologische und soziale Innovationen. Die Biodiversität in der Tiefsee ist zu schützen und zu erhalten – samt der Bewahrung vielfältiger Potenziale wie Ökosystem­Stabilität, genetische Reservoire, Ökosystemfunktionen und Forschungserkenntnisse aus besonderen Eigenschaften von Tiefseelebewesen wie Langlebigkeit und Anpassungsfähigkeit an extreme Bedingungen. Um Tiefseeökosysteme besser verstehen und erhalten zu können, ist weitere Forschung essenziell.

Das Bundesamt für Naturschutz empfiehlt unter Verweis auf das Vorsorgeprinzip, international keinen Tiefseebergbau zuzulassen, solange die Risiken für die Meeresumwelt, die Biodiversität und die Menschheit nicht ausreichend erforscht, verstanden und zu managen sind. Es gilt, der Verantwortung gerecht zu werden, das gemeinsame Erbe der Menschheit, einschließlich der Ökosysteme der Tiefsee und ihrer biologischen Vielfalt mitsamt ihres gesamten Potenzials und ihren Funktionen, zu erhalten – global und auch für zukünftige Generationen.

Weiterführende Dokumente und Informationen

Das BfN hat 2022 eine Broschüre veröffentlicht, in dem die einzigartige biologische Vielfalt der Tiefsee und die Risiken des Tiefseebergbaus mit einander in Beziehung gesetzt werden. Ausführlich wird dargelegt, inwiefern die Erkundung und der mögliche Abbau von Rohstoffen an den faszinierenden Tiefsee-Lebensräumen die marine Lebensvielfalt bedroht und wie sich das BfN dazu positioniert. Die Broschüre ist reichhaltig bebildert und mit informativen Grafiken versehen.

weiterführender Inhalt

Mehr Schutz für die Tiefsee

04.11.2022
Putbus/Insel Vilm
Meldung
Die Tiefsee braucht mehr Schutz! Das ist das Fazit einer Broschüre, die das Bundesamt für Naturschutz jetzt veröffentlicht hat. Ihr Titel:... mehr lesen
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