Biologische Vielfalt in der Städtebauförderung
Die Städtebauförderung ist ein wichtiges Instrument der Stadtentwicklung, mit dem auch Stadtgrün und biologische Vielfalt gefördert werden können. Während Klimaschutz und -anpassung in der Städtebauförderung inzwischen als wichtige Themen etabliert sind, findet die biologische Vielfalt vergleichsweise wenig Beachtung. Daher werden auf dieser Seite Strategien und konkrete Maßnahmen vorgestellt, mit denen Lebensqualität, Klimaschutz und -anpassung und die biologische Vielfalt integriert in Gebieten der Städtebauförderung geplant werden können. Vorgestellt werden zwölf Maßnahmentypen in 40 Varianten unterteilt in die Handlungsfelder „Stadtgrünmaßnahmen“, „Maßnahmen an Gebäuden“ und „Planung und Prozesse“.
Stadtgrün und biologische Vielfalt in der Städtebauförderung
Die Städtebauförderung ist ein wichtiges Instrument der Stadtentwicklung, mit dem städtebauliche Missstände beseitigt und benachteiligte Stadtteile aufgewertet werden. Mit dem integrierten Ansatz und der Chance zur Bündelung von Maßnahmen in Fördergebieten entstehen vielfältige Möglichkeiten, den Anteil an Stadtgrün zu erhöhen und den Bestand an Grün- und Freiflächen aufzuwerten. Derzeitig bieten alle Förderlinien über Maßnahmen zur Verbesserung der grünen und blauen Infrastruktur Möglichkeiten zur Berücksichtigung der biologischen Vielfalt.
Die Städtebauförderung unterstützt umfassende Investitionen in den Fördergebieten. Die einzelnen Vorhaben der Städtebauförderung können so gestaltet werden, dass in dem betroffenen Gebiet vielfältige Verbesserungen entstehen. Im Sinne der integrierten Planung kann biologische Vielfalt mitgedacht und Synergien genutzt werden. Denn eine vielfältige Stadtnatur erhöht auch die urbane Lebensqualität: Mit der Förderung der biologischen Vielfalt gehen zahlreiche Leistungen einher, die für das städtische Leben unverzichtbar sind – einschließlich Klimaanpassung, Beiträge zu Gesundheit, Wohlbefinden und sozialem Zusammenhalt.
Handlungsmöglichkeiten
Biologische Vielfalt sollte frühzeitig bei der Planung von Fördergebieten bedacht werden. Voraussetzung für die Förderung ist in allen Programmen das Erstellen eines integrierten städtebaulichen Entwicklungskonzeptes (ISEK) für das betroffene Gebiet. Das ISEK soll strategische Ziele, Handlungsfelder und Maßnahmen bündeln und interdisziplinäre Schnittstellen aufzeigen. Im ISEK kann biologische Vielfalt zum einen als eigenes Handlungsfeld berücksichtigt werden, in dem Strategien und Maßnahmen für das betroffene Fördergebiet gebündelt werden. Zum anderen kann biologische Vielfalt als Querschnittsthema betrachtet werden und als übergeordnetes Ziel gesetzt und in verschiedenen Handlungsfeldern des ISEK mit Maßnahmen unterfüttert werden.
Zur Förderung von biologischer Vielfalt gibt es ein breites Spektrum an Maßnahmen. Nachfolgend werden die drei übergeordneten Handlungsfelder „Stadtgrünmaßnahmen“, „Maßnahmen an Gebäuden“ sowie „Planungen und Prozesse“ vorgestellt. Diese umfassen 12 Maßnahmenkategorien mit mehr als 40 Maßnahmen, die Synergien zwischen Lebensqualität, biologischer Vielfalt sowie Klimaschutz und -anpassung ermöglichen. Sie sind für verschiedene städtebauliche Kontexte geeignet – vom dicht bebauten Quartier bis zum brachgefallenen Industriegebiet.
Handlungsfeld „Stadtgrünmaßnahmen“
Das Handlungsfeld „Stadtgrünmaßnahmen“ bündelt Maßnahmen zur Neuanlage, Aufwertung, Vernetzung oder Wiederherstellung von städtischen Grün- und Freiflächen. Diese lassen sich in verschiedenen städtischen Räumen sowohl mit unterschiedlichem Flächenbedarf als auch variablem Kostenaufwand umsetzen. Viele der Maßnahmen können in bereits vorhandene Grün- und Freiflächen eines Fördergebietes integriert werden und bei entsprechender Planung und Umsetzung wesentlich zu einer ökologisch wertvollen Stadtnatur beitragen. Dabei werden neben der Förderung der biologischen Vielfalt auch andere Stadtgrünleistungen wie etwa Klimaanpassung oder Naturerleben gestärkt.
Die Maßnahme „Neue Grünflächen“ beschreibt unterschiedlich große Grünräume, die neu anlegt oder als öffentliche Grünflächen entwickelt werden. Hierzu gehören unter anderem formal gestaltete Parks sowie strukturreiche Stadtwildnisflächen, welche behutsam für die Erholungsnutzung und Naturerfahrung erschlossen werden. „Kleine Grünelemente“ sind kleinflächige Maßnahmen, die insbesondere in verdichteten Stadträumen zum Einsatz kommen können: Baumpflanzungen, Stauden- oder Gemeinschaftsbeete bringen punktuelle Aufwertung. Durch Schwammstadtelemente kann zudem Klimaanpassung integriert werden. Die Kategorie „Aufwertung“ umfasst Maßnahmen zur Qualifizierung von bestehenden Grünflächen: Gehölzpflanzungen, Einsaaten von extensiven Wiesenflächen oder die Anlage von Biotopstrukturen und Regengärten erhöhen die Lebensraumvielfalt und sind räumlich flexibel realisierbar. Durch „Vernetzung“ wird die Entwicklung einer zusammenhängenden grünen Infrastruktur möglich: Biotopverbundsysteme, übergeordnete grün-blaue Korridore oder lokale Grünverbindungen verbinden das Stadtgrün auf verschiedenen Maßstabsebenen. Bei Maßnahmen zur „Wiederherstellung“ werden natürliche Prozesse und Lebensräumen reaktiviert. Durch Versiegelung oder Verbauung veränderte Flächen bekommen durch Entsiegelung neue ökologische Funktionen. Bei der Gewässerrenaturierung werden Lebensräume wiederhergestellt und ökologische Prozesse gefördert.


Maßnahmen an Gebäuden
Die Begrünung von Gebäudefassaden und -dächern, die Entsiegelungen und Begrünung von Höfen und anderen überbauten Flächen sowie kleine Habitat-Maßnahmen bieten Potenzial für biologische Vielfalt im Siedlungsraum. Je nach Fläche bzw. Gebäude eignen sich verschiedene Varianten mit unterschiedlichem Kosten- und Pflegeaufwand. Damit werden bisher ungenutzte Potenzialflächen insbesondere in verdichteten Stadtgebieten erschlossen. Die Maßnahme der Dachbegrünung bietet in ihren unterschiedlichen Ausprägung – von extensiv bis intensiv – Raum für Retention, Habitate oder auch gärtnerische Betätigungen. Daneben ermöglicht die Kategorie „Fassadenbegrünung“ Stadtgrün in der Vertikalen: Verschiedene Varianten von bodengebundenen Selbstklimmern, Gerüstkletterern, über traditionelle Spalierbepflanzungen bis zu flexiblen Pflanzkübeln bringen Vegetationsstrukturen an Gebäude. Im Gebäudeumfeld lassen sich über Nisthilfen, Kleinhabitate oder ein artangepasstes Nahrungsangebot mit verschiedenen Maßnahmen „Siedlungstierarten fördern“.

Planung und Prozesse
Das Handlungsfeld „Planung und Prozesse“ deckt die Vielfalt der vorbereitenden und begleitenden Prozesse ab. Hierzu gehört auch die Einbindung der Stadtgesellschaft.
„Strategien und Konzepte“ vereinen zum einen Planungen, die für Fördergebiete der Städtebauförderung erstellt werden, und zum anderen begleitende Strategien wie den Schutz wertgebender Elemente oder den Erwerb von wertvollen Flächen, die für die Förderung der biologischen Vielfalt relevant sind. Die Kategorie „Partizipation“ greift die Beteiligung der Anwohnenden auf und bei Planung und Umsetzung auf; hierzu gehört auch das Engagement der Stadtgesellschaft zu fördern. „Kommunikation und Bildung“ umfasst Maßnahmen, um den Prozess kommunikativ zu begleiten; zum Beispiel durch Öffentlichkeitsarbeit auf verschiedenen medialen Ebenen, Umweltbildungsangebote aber auch Informationen auf der Fläche. Langfristig ist die Kategorie „Unterhaltung“ entscheidend für den Erfolg der etablierten Maßnahmen und für die Erhaltung der städtischen Flora und Fauna.

Empfehlungen für Kommunen
Damit biologische Vielfalt in Vorhaben der Städtebauförderung etabliert werden kann, empfiehlt sich folgendes:
Biologische Vielfalt als Querschnittsthema anerkennen und berücksichtigen:
Biologische Vielfalt muss in Kommunen als zentrales Thema der Stadtentwicklung betrachtet und durch passende Expertise frühzeitig in Planungen mit einbezogen werden. Dazu gehört auch ein Umdenken in der aktuellen Stadtgrün-Unterhaltung und eine Betrachtung der Folgen kommunaler Handlungen.
Defizite ermitteln und gegensteuern:
In Vorhaben der Städtebauförderung sollten die Defizite und Bedarfe an Grünräumen für Freizeit und Erholung und zur Klimaanpassung frühzeitig zu erörtert und Synergien mit der Förderung der biologischen Vielfalt bedacht werden.
Schutzwürdigen Bestand erhalten und weiterentwickeln:
Bei Sanierungen und Bauvorhaben ist ein sorgsamer Umgang mit und Schutz von Artenvorkommen und Lebensstätten an Gebäuden oder in Biotopen wichtig. Hierzu gehört auch das Einbeziehen neu entstandener wilder Stadtnatur. Brachen, Baulücken oder Flächen mit besonderem ökologischem Wert können durch Ankauf, Aufwertung oder Renaturierung gesichert und entwickelt werden und den Raum für Stadtnatur erweitern.
Vernetzung herstellen:
Eine Vernetzung von Grünflächen in Städtebauförderungsgebieten und die Einbindung anliegender Flächen schafft grüne Wegeverbindungen, schließt Lücken im Freiraumsystem und stärkt den städtischen Biotopverbund zugunsten der Wanderfähigkeit städtischer Arten.
Mitwirkung fördern und dauerhafte Unterhaltung sichern:
Durch eine Einbindung der Öffentlichkeit in der Planung und Umsetzung können Nutzungsansprüche berücksichtig, gesellschaftliches Engagement gefördert und langfristig Unterstützung bei der Erhaltung der Maßnahmen gewonnen werden. Trägerschaften durch zivilgesellschaftliche Gruppen, Initiativen oder Vereine können die kommunale Verwaltung unterstützen.
Die Inhalte dieser Seite stammen aus dem Forschungs- und Entwicklungsvorhaben „Biologische Vielfalt berücksichtigen in der Städtebauförderung – Empfehlungen für Kommunen zur Berücksichtigung der biologischen Vielfalt in Fördergebieten der Städtebauförderung“ (kurz BioViBeS).