Internationaler Schutz wandernder Tierarten
Wandernde Arten
Von der Regelung der Bonner Konvention werden wandernde Arten erfasst. Hierunter sind Gesamt- oder Teilpopulationen wild lebender Arten zu verstehen, von denen ein bedeutender Anteil zyklisch und vorhersehbar mindestens eine politische Grenze überschreitet. Innerhalb eines Staates lebende und wandernde Arten werden von dem Abkommen nicht erfasst.
Weltweit gibt es etwa 4.000 bis 6.000 wandernde Tierarten, die in regulären Intervallen zu Nist,- Überwinterungs-, Nahrungs-, oder Fortpflanzungsorten wandern. Die bedeutendste Gruppe unter den wandernden Arten bilden die Zugvögel (Störche, Kraniche, Gänse, Enten, Ibisse und andere). Daneben umfasst das Abkommen auch Meeressäuger (Wale, Delfine, Robben), Reptilien (z.B. Meeresschildkröten) und Landsäuger wie Fledermäuse oder Antilopen. Auch diverse Fischarten wandern. So werden durch die Bonner Konvention auch Aale und Lachse geschützt.
Manche Arten wandern tausende von Kilometern, um ihre Winter- oder Sommerquartiere zu erreichen. Der Weißstorch (Ciconia ciconia) legt jedes Jahr lange Strecken zwischen seinen Brut- und Winterquartieren in Afrika südlich der Sahara zurück. Störche umfliegen auf ihrer Reise das Mittelmeer, um die warmen Aufwinde über den Landflächen zu nutzen. Während die "Weststörche" Afrika über die Meerenge von Gibraltar erreichen, ziehen die sogenannten "Oststörche" im Herbst über den Bosporus und die Sinaihalbinsel nach Ost- und Südafrika. Auf diesem Weg legen die Tiere eine Strecke von ca. 10.000 km zurück.
Oft bilden wandernde Tierarten wichtige Komponenten des Ökosystems, indem sie beispielsweise Pflanzen bestäuben oder Samen verbreiten und damit die Funktion von Wäldern, Feuchtgebieten, Grasland und anderen wertvollen Biomen verbessern.
Weltregister wandernder Tierarten
Daten zu Verbreitungsgebieten und Wanderrouten wandernder Tierarten bietet das Weltregister wandernder Tierarten - Global Register of Migratory Species (GROMS), das eine Referenzliste von 4.430 wandernder Wirbeltierarten bereithält. Es dient der Unterstützung der Bonner Konvention und wurde im Rahmen eines F+E-Vorhabens in Zusammenarbeit mit dem Zoologischen Forschungsmuseum Alexander Koenig in Bonn erstellt. Es wurde u.a. eine globale Analyse der wandernden und bestandsbedrohten Arten erarbeitet, die bis dahin nicht durch die Bonner Konvention erfasst wurden.
Gefährdung wandernder Tierarten
Hauptgefährdungsursache für wandernde Arten ist die Vernichtung von Lebensräumen entlang ihrer Wanderrouten. Hier sind vor allem zu nennen die Trockenlegung von Feuchtgebieten und die Bewässerung von Trockenzonen für die agrarische Nutzung, die zunehmende Besiedlung von Gebieten, die als Rastraum für durchziehende Vögel dienen, sowie der Verbrauch der immer knapper werdenden Süßwasserressourcen in den Trockenzonen der Sahara und der Sahel-Zone. Auch oft nur gedankenlose Eingriffe in natürliche Abläufe bringen Bestände ganzer Arten in Gefahr. Robben und Delphine werden in manchen Regionen von Fischern als Nahrungskonkurrenten systematisch getötet. Ziehende Wasservögel werden von Landwirten und Fischfarmern besonders in den Rastgebieten als Schadvögel vernichtet. Die touristische Erschließung der letzten verbliebenen Nistplätze der Meeresschildkröten haben diese z.T. an den Rand des Aussterbens gebracht.
Zweigeteiltes Schutzsystem
Differenziert nach Schutzbedürftigkeit sind die wandernden Arten in zwei Anhängen aufgelistet. Anhang I enthält die gefährdeten, vom Aussterben bedrohten Arten. Anhang II umfasst weniger schutzbedürftige Arten, die sich in einem ungünstigen Erhaltungszustand befinden und deren Populationsgröße oder Verbreitungsgebiet langfristig gefährdet ist, oder deren Erhaltungssituation durch eine internationale Zusammenarbeit gefördert werden kann.
Übersicht der Anhänge
Differenziert nach Schutzbedürftigkeit sind die wandernden Arten in den Anhängen I und II aufgelistet.
Für die gefährdeten, vom Aussterben bedrohten Arten in Anhang I müssen die sogenannten Arealstaaten, d.h. Staaten auf deren Gebiet sich das Verbreitungsgebiet einer Anhang I zugehörigen Art befindet, bestimmte Maßnahmen und Verbote zum Schutz dieser Art ergreifen.
Schutzmaßnahmen
- Erhaltung der Lebensstätten
- Beseitigung von Wanderungshindernissen
- Beseitigung sonstiger das Überleben beeinträchtigender Einflüsse
Verbote
- Entnahme aus der Natur (Entnehmen, Jagen, Fischen oder Fangen)
- Vorsätzliches Töten
- Absichtliches Beunruhigen
Der Schutz der Arten des Anhang II soll durch Regionalabkommen geregelt werden, die die betreffenden Arealstaaten untereinander schließen sollen. In diesem Zusammenhang fungiert die Bonner Konvention als Rahmenkonvention, die Mindestanforderung für die Ausgestaltung der separaten und eigenständigen Regionalabkommen stellt. Neben den Regionalabkommen wurden auch sogenannte Verwaltungsabkommen für einzelne Arten zwischen den Regierungen einzelner Staaten geschlossen. Die Bonner Konvention hat solche Verwaltungsabkommen mit deutscher Beteiligung z.B. für die Großtrappe und den Seggenrohrsänger initiiert.
Übersicht der Regional- und Verwaltungsabkommen der Bonner Konvention
Regional- und Verwaltungsabkommen | Anzahl der Vertragsstaaten |
---|---|
Abkommen zur Erhaltung der europäischen Fledermauspopulation, EUROBATS | 37 (D) |
Abkommen zur Erhaltung der Kleinwale in Nord- und Ostsee, ASCOBANS | 10 (D) |
Abkommen zur Erhaltung der afrikanisch-eurasischen Wasservögel, AEWA | 82 (D) |
Abkommen zur Erhaltung der Wale im Schwarzen Meer, Mittelmeer und den angrenzenden Gebieten des Atlantiks, ACCOBAMS | 24 |
Abkommen zur Erhaltung der Albatrosse und Sturmvögel, ACAP | 13 |
Abkommen zur Erhaltung der Gorillas und ihrer Lebensräume | 7 |
Verwaltungsabkommen über Schutzmaßnahmen für den Schneekranich (Grus leucogeranus) | 11 |
Verwaltungsabkommen über Schutzmaßnahmen für den Dünnschnabelbrachvogel (Numenius tenuirostris) | 18 |
Verwaltungsabkommen über Schutzmaßnahmen für Meeresschildkröten der afrikanischen Atlantikküste | 23 |
Verwaltungsabkommen zur Erhaltung und Pflege der mitteleuropäischen Population der Großtrappe (Otis tarda) | 14 (D) |
Verwaltungsabkommen über Schutzmaßnahmen für Meeresschildkröten des Indischen Ozeans und Südost-Asiens | 35 |
Verwaltungsabkommen zur Erhaltung und Wiederansiedlung des Bukhara Rothirsches (Cervus elaphus bactrianus) | 4 |
Verwaltungsabkommen über Schutzmaßnahmen für den Seggenrohrsänger (Acrocephalus paludicola) | 16 (D) |
Verwaltungsabkommen über Schutzmaßnahmen für die westafrikanischen Populationen des Afrikanischen Elefanten (Loxodonta africana) | 13 |
Verwaltungsabkommen zur Erhaltung der Wale und ihrer Lebensräume im Raum der pazifischen Inseln | 15 |
Verwaltungsabkommen zur Erhaltung, Wiederansiedlung und nachhaltigen Nutzung der Saiga-Antilope (Saiga tatarica tatarica) | 5 |
Verwaltungsabkommen zwischen Argentinien und Chile zur Erhaltung der Rotkopf-Gans (Chloephaga rubidiceps) | 2 |
Verwaltungsabkommen zur Erhaltung von süd- südamerikanischen wandernden Vögeln des Graslandes und ihrer Lebensräume | 5 |
Verwaltungsabkommen über Schutzmaßnahmen für die Ostatlantik-Populationen der Mittelmeer-Mönchsrobbe (Monachus monachus) | 4 |
Verwaltungsabkommen über Schutzmaßnahmen für den Dugong (Dugong dugong) und seine Lebensräume im gesamten Verbreitungsgebiet | 27 |
Verwaltungsabkommen zur Erhaltung der Flamingos der Hochanden und ihrer Lebensräume | 3 |
Verwaltungsabkommen zur Erhaltung der Seekühe und Kleinwale Westafrikas und Makronesiens | 17 |
Verwaltungsabkommen zur Erhaltung wandernder Greifvögel in Afrika und Eurasien | 60 (D) |
Verwaltungsabkommen zur Erhaltung der wandernden Haie | 49 (D) |
Verwaltungsabkommen zwischen der Argentinischen Republik und der Republik Chile zur Erhaltung des Andenhirsches (Hippocamelus bisulcus) | 2 |
Abkommen zur Erhaltung der Seehunde im Wattenmeer, WSSA | 3(D) |
(D): Deutschland ist Mitglied
Deutschland unmittelbar betreffende Regionalabkommen
Beispiele für Deutschland unmittelbar betreffende Regionalabkommen sind
- EUROBATS: Abkommen zur Erhaltung der europäischen Fledermauspopulationen
- AEWA: Afrikanisch-eurasisches Wasservogelabkommen
- WSSA: Abkommen zur Erhaltung der Seehunde im Wattenmeer
- ASCOBANS: Abkommen zur Erhaltung der Kleinwale in Nord- und Ostsee