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Bundesamt für Naturschutz

Gefährdungsursachen und Handlungsbedarf

Der Insektenrückgang findet in Deutschland, aber auch weltweit, bereits seit mehreren Jahrzehnten statt. Die Gefährdungsursachen wirken demnach ebenfalls über einen entsprechend langen Zeitraum, sie sind vielfältig und komplex. Der Rückgang der Insektenvielfalt geht mit dem quantitativen Verlust und der qualitativen Verschlechterung der Lebensräume einher.

Ursachen des Insektenrückgangs

Der Insektenrückgang findet in Deutschland, aber auch weltweit, bereits seit mehreren Jahrzehnten statt. Die Gefährdungsursachen wirken demnach ebenfalls über einen entsprechend langen Zeitraum, sie sind vielfältig und komplex. Der Rückgang der Insektenvielfalt geht mit dem quantitativen Verlust und der qualitativen Verschlechterung der Lebensräume einher. Beides betrifft spezialisierte Arten mit geringer ökologischer Toleranz am stärksten. Von besonders großer Bedeutung sind dabei die quantitativen Verluste von Lebensräumen durch Nutzungsänderungen sowie die qualitativen Verschlechterungen von Habitaten in Folge der Beseitigung oder Veränderung von Habitatstrukturen, der Fragmentierung, der Intensivierung der Bewirtschaftung, der überhöhten Nährstoff- und Schadstoffeinträge sowie des Einsatzes von Pflanzenschutzmitteln. Damit ist ein erheblicher Teil der Einflussfaktoren auf die Art und die Intensität der Landbewirtschaftung zurückzuführen (vgl. BfN-Argarreport 2017, BfN-Artenschutzreport 2015).

Im Folgenden sind bedeutende Gefährdungsursachen aufgeführt, die in den bundesweiten Roten Listen sowie weiteren Publikationen und Analysen des BfN genannt werden. Diese Aufzählung ist jedoch nicht als abgeschlossen zu betrachten und eine pauschale Wichtung der Ursachen nach Relevanz für den Insektenrückgang ist nicht möglich.

Gefährdungsursachen

Gefährdungsursachen sind vielfältig in unserem Alltag. Faktoren wie Pflanzenschutzmittel, Dünger oder auch Beleuchtung sind ein Teil davon. 

Pflanzenschutzmittel können auch für Insekten, die nicht Ziel der Anwendung sind, tödlich sein oder zu Schädigungen wie Orientierungsstörungen und Verhaltensänderungen führen. Studien belegen, dass Insektizide aus der Gruppe der Neonikotinoide einen negativen Einfluss auf die Dichte der Wildbienen, auf das Nistverhalten von solitär lebenden Wildbienenarten und auf die Koloniegröße von Hummelarten haben und zudem die Reproduktionsfähigkeit der Arten einschränken (vgl. dazu u. a. EFSA 2018). Schwebfliegen sowie parasitische Wespen und vermutlich weitere Insektenarten können sich auch über den Konsum von mit Neonikotinoid angereicherten Honigtau (z. B. nach dem Einsatz gegen Blattläuse) vergiften Calvo-Agudo et al. 2019).

Pestizide können indirekt die Qualität der Lebensräume und die Nahrungsgrundlage der Insekten beeinflussen. Unterschiedliche Ackerbegleitkräuter sind für Insekten Lebensgrundlage in Kulturbeständen, die auch nach der Blütezeit der Hauptkultur, wie z. B. Raps, als Nahrungsgrundlage zur Verfügung stehen. Großflächig und häufig eingesetzte Breitbandherbizide wie Glyphosat vernichten die Ackerwildkrautvegetation und damit zugleich die Nahrungsgrundlage für viele Insekten.

Mehr über die Auswirkungen des Pestizids Glyphosat auf die Biodiversität im Positionspapier des BfN.

Der überhöhte Stickstoffeintrag aufgrund von Düngung (v. a. Mineraldünger, Gülle) und aus der Luft führt in Böden und Oberflächengewässern sowie im Grundwasser zu einer Nährstoffanreicherung (Eutrophierung). Dadurch reduziert sich die Pflanzenvielfalt und in Folge dessen auch die Insektenvielfalt, da wichtige Futter- und Nektarpflanzen fehlen. Der erhöhte diffuse Eintrag, das heißt der Eintrag von organischen Nährstoffen wie Phosphor und Stickstoff aus nicht punktgenau definierten Quellen, - z. B. durch eine landwirtschaftliche Nutzung der Umgebung - führt ebenfalls zu einer zunehmenden Anreicherung mit Nährstoffen. Eine typische Folge von Eutrophierung in Stillgewässern sind Algenblüten und der dadurch mitunter entstehende Sauerstoffmangel. Dies hat vor allem auf die wasserbewohnenden Larven vieler Insektenarten, z. B. Köcherfliegen (Robert 2016), negative Auswirkungen. Die Nährstoffanreicherung in den Böden führt zur Veränderung der Pflanzenartenzusammensetzung und der Vegetationsstruktur. Diese Änderungen wirken sich wiederrum auf die Insektenvielfalt aus. Derzeit beträgt der Flächenbilanzüberschuss an Stickstoff je nach Standort in Deutschland zwischen 60 und 120 kg/ha und liegt im Durchschnitt bei 70 kg/ha.

Nachtaktive Insekten, die sich normalerweise am schwachen Licht der Gestirne orientieren, werden von künstlichen Lichtquellen angezogen und in ihrer Orientierung gestört (Eisenbeis 2013). Die zunehmende Lichtverschmutzung kann starke Auswirkungen auf solche Insekten haben (van Langevelde et al. 2018, Macgregor et al. 2017). Insekten werden auch an Lichtquellen getötet, wenn diese als Fallen wirken oder Insekten durch den andauernden Lichtreiz wiederholt um bzw. an die Lichtquelle fliegen und damit erheblichen Energieverlust erleiden und schlussendlich sterben ohne ihren Lebenszyklus vollendet zu haben. Arten wie Köcherfliegen werden auf diese Weise aus ihren natürlichen Habitaten an Gewässerufern über größere Distanzen angelockt (Scheibe 2000, Robert 2016).

Die Kollisionen von fliegenden Insekten zum Beispiel mit Windenergieanlagen stehen derzeit nicht im Fokus der Forschungstätigkeiten des BfN zu den Ursachen des Insektenrückgangs. Hintergründe dazu sind jedoch in einem Faktenpapier des BfN zusammengefasst.

Handlungsbedarf

Um dem bereits seit langem zu beobachtenden Insektenrückgang effektiv und nachhaltig entgegen zu wirken, ist eine Vielzahl an Maßnahmen erforderlich. Einer natur- und insektenverträglichen Landbewirtschaftung kommt dabei aufgrund des großen Anteils bewirtschafteter Flächen in Deutschland eine Schlüsselrolle zu.

Wichtigstes Ziel muss sein, den Verlust an Lebensräumen zu stoppen, ein vielfältiges Landschaftsmosaik zu erhalten bzw. zu schaffen sowie vor allem auch die Qualität der Lebensräume zu verbessern. Der Erhalt von Übergangsstrukturen, wie Wald- und Ufersäumen, die Anpassung der Bewirtschaftungshäufigkeit und eine kleinräumige Bewirtschaftung von Flächen sind Beispiele für Maßnahmen zur Förderung der Insektenvielfalt im Offenland. Pufferstreifen, u. a. um Schutzgebiete, müssen ebenfalls wie der Biotopverbund und die grüne Infrastruktur weiter verbessert werden.

Der Einsatz von Dünger sowie von Pflanzenschutzmitteln ist zeitnah zu reduzieren und in Schutzgebieten und Gewässerrandstreifen gänzlich zu unterlassen. Auf großflächig biodiversitätsgefährdende Wirkstoffe wie die Insektizide aus der Gruppe Neonikotinoide oder das Herbizid Glyphosat ist zu verzichten. Die Rückführung von Belastungen, wie z. B. die Eutrophierung von Böden und Gewässern durch Stickstoffüberschuss, muss umgehend eingeleitet werden.
In den Prüfungen und Zulassungsverfahren für Pflanzenschutzmittel werden die großflächigen Auswirkungen von Insektiziden und Herbiziden auf die Artenvielfalt bisher noch zu wenig berücksichtigt. Die Zulassungen von Pflanzenschutzmitteln müssen noch stärker mit Auflagen zur Reduzierung der Auswirkungen auf die biologische Vielfalt und Ökosysteme verbunden werden.
Über einzelne Maßnahmen hinaus bedarf es eines grundlegenden Umsteuerns der Agrarpolitik zu mehr Naturverträglichkeit sowie einer effizienten Honorierung ökologischer Leistungen.

Zur Reduktion der Lichtverschmutzung sind Beleuchtungslösungen im öffentlichen und privaten Raum zu entwickeln, die sowohl eine technische Verbesserung (Wellenlänge, Farbtemperatur, Lichtintensität, Strahlungsrichtung) wie auch die intelligente Steuerung (Beleuchtungsdauer, Nachtabsenkung) der Beleuchtung berücksichtigen.

Die Erforschung der Ursachen des Insektenrückgangs muss intensiviert werden, um weitergehende Kenntnisse zu den Gefährdungsursachen zu gewinnen und um neben den genannten auch spezifischere Maßnahmen gegen den Rückgang einleiten zu können. Das BfN hat 2018 die Analyse der Gefährdungsursachen für die Arten der aktuellen Rote-Liste-Reihe in Auftrag gegeben (F+E-Vorhaben: Gefährdungsursachenanalyse für Tiere, Pflanzen und Pilze ). Um bundesweite Daten zur Verbreitung, zu Bestandsgrößen sowie Bestandsveränderungen und -trends von Insekten zu erhalten, sind sowohl die Erfassung und Erforschung der Arten als auch die Einrichtung eines bundesweiten Insektenmonitorings notwendig.

Wesentlich ist neben dem fachlichen Austausch und Diskurs auch die Förderung von Bildung zu Naturschutz und biologischer Vielfalt. Neben der universitären Bildung zählen hierzu auch die Stärkung von Expertennetzwerken und die Unterstützung ehrenamtlichen Engagements.

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