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Bundesamt für Naturschutz

Stellnetz-Fischerei

Stellnetzfischerei ist eine der häufigsten Fangmethoden zum Fang von Dorschen, Heringen und Plattfischen in der Ostsee. Gleichzeitig stellt diese Fangmethode (insbesondere mit Kiemen- und Verwickelnetzen) eine der Hauptgefährdungsursachen für Seevögel und Schweinswale dar.
Dorsch (Gadus morhua) gefangen im Stellnetz
Dorsch gefangen im Stellnetz.

Beifang in der Stellnetzfischerei der Ostsee

Tauchende Seevögel oder auch Schweinswale können die feinen, monofilamenten Netze unter Wasser nicht wahrnehmen, schwimmen auf der Jagd nach Beute in sie hinein, verfangen sich und ertrinken. Das Risiko, in Stellnetzen zu verenden, ist für diese Tiere abhängig von der Maschenöffnung, Filamentstärke, Standzeit, Tages- sowie Jahreszeit und insbesondere auch von der Lage des Fanggebietes bzw. inwieweit es sich mit den Nahrungsgründen der Vögel und Schweinswale deckt.

Bedrohte Ostsee-Schweinswale

In der Stellnetzfischerei treten Beifänge von Schweinswalen regelmäßig auf, jedoch wird leider nur ein geringer Teil dieser Beifänge gemeldet bzw. abgegeben. Eine der Möglichkeiten, den Beifang von Schweinswalen zu dokumentieren, ist das sogenannte Totfundmonitoring von gestrandeten Tieren. 2000 bis 2014 hat sich die Zahl der jährlichen Totfunde von Schweinswalen an der deutschen Ostsee-Küste von 25 auf 129 mehr als vervierfacht.

Einige der als Beifang verendeten Tiere werden von den Fischern abgegeben und wird mit zu den Totfunden gerechnet. Ein Teil der tot gestrandeten Schweinswale zeigt deutliche Hinweise auf fischereilichen Beifang (zum Beispiel ertrunkene Tiere, Netzmarken, abgetrennte Körperteile und ähnliches), ob aufgrund von Schlepp- oder Stellnetzen, lässt sich nicht sagen. Die Todesursache lässt sich zweifelsfrei nur bei den Tieren feststellen, deren Verwesungsgrad noch nicht zu weit fortgeschritten ist. Daher ist es sehr schwierig, die exakte Beifangquote zu ermitteln. Bezogen auf alle Totfunde an der Küsten Mecklenburg-Vorpommerns zwischen 2003 und 2012 lag die Beifangquote bei 7,9% und der Verdacht auf Beifang bei 3,6%. Bezogen auf die Totfunde mit bekannter Todesursache lag die Beifangquote bei 50% und der Verdacht auf Beifang bei 19% (Daten Dt. Meeresmuseum im Auftrag des Landesamtes für Natur, Umwelt und Geologie MV). 

Der Zustand der Schweinswalpopulationen in der Ostsee ist insgesamt nach wie vor besorgniserregend. Nach den Daten von SCANS (Small Cetacean Abundance in the North Sea and adjacent waters) in der westlichen Ostsee hat die Population innerhalb von 11 Jahren von ca. 27.920 (1994) auf 10.600 Tiere (2005) abgenommen. Das Programm MiniSCANS ermittelte zwar 2012 für die westliche Ostsee wieder rund 18.500 Tiere, jedoch ist aus biologischer Sicht ein Populationsanstieg in diesem Maße nicht erklärlich. Vermutlich ist es zu einer Verschiebung des Hauptverbreitungsgebietes gekommen.

Vor allem die östliche Population ist – entsprechend den Daten von SAMBAH - jedoch mit nur noch ca. 450 Tieren extrem stark bedroht (Konfidenzintervall 100 bis 1.000 Tiere).

Schweinswal (Phocoena phocoena)
Tauchender Schweinswal

Hohes Risiko für Schweinswale

Zu Beifängen von Schweinswalen kommt es insbesondere in Stellnetzen, die in der Dorsch- und Plattfischfischerei eingesetzt werden. Vor allem jüngere und unerfahrene Tiere verfangen sich in den Netzen. Je länger die Standzeit (also die Zeit, in der das Netz im Wasser verbleibt), desto höher das Risiko, dass sich ein Schweinswal darin verfängt.

Das Konfliktpotential zwischen Stellnetzfischerei und Schweinswalen ist dort besonders hoch, wo die Schweinswaldichte hoch ist und gleichzeitig viel Stellnetzfischerei betrieben wird. Dies ist zum Beispiel in der westlichen Ostsee der Fall.

Das Konfliktpotential ist jedoch auch in der östlichen deutschen Ostsee hoch, wo die Bestandsituation der Schweinswale besonders kritisch ist.

Besonders tauchende Seevögel gefährdet

Bei den Seevögeln sind all die Arten durch Stellnetzfischerei bedroht, die tauchend ihre Nahrung suchen. Besonders gefährdet sind dabei fischfressende Arten wie Seetaucher, Lappentaucher und Alken, die ihre Beute auch schwimmend verfolgen. Sie können die Netze unter Wasser nicht rechtzeitig wahrnehmen und verfangen sich darin.

Aber auch Meeresenten wie Trauer-, Eis-, Eider- oder Samtenten, die auf Flachgründen nach Muscheln und anderen bodennah lebenden Organismen suchen, sind gefährdet. Gerade in diesen Nahrungsgebieten sind auch wichtige Fanggründe der Stellnetzfischerei.

Alle Arten von Kiemen- und Verwickelnetzen, vom kleinmaschigen Heringsnetz bis zum großmaschigen Stellnetz für Plattfische, können zum Beifang von Seevögeln führen. Wassertiefe, Wassertrübung, Tageszeit und Standzeit der Netze beeinflussen dabei die Höhe der Beifänge.

Eiderente (Somateria mollissima) in Stellnetz verendet
Eiderente in Stellnetz verendet.

Risiko besonders hoch in Gebieten für Rast und Überwinterung

Beifänge von Seevögeln treten vor allem dort auf, wo sich die Fanggebiete der Stellnetzfischerei mit den Rast- und Nahrungsgebieten der Tiere überschneiden. Insbesondere Vogelschutzgebiete (im Küstenbereich und in der AWZ) besitzen eine hohe Bedeutung für die Überwinterung von Seevögeln. Doch auch in diesen Gebieten findet bislang Stellnetzfischerei uneingeschränkt statt. Beispielsweise im Greifswalder Bodden oder in der Pommerschen Bucht, die wichtige Überwinterungsgebiete für Meeresenten oder Seetaucher darstellen.

Weitere Forschungsergebnisse von Bellebaum (2011) in den deutschen Ostseegewässern zeigten:

  • Saisonal wurden die höchsten Beifangraten in der Grundstellnetzfischerei zum Fang von Dorsch, Flunder, Salmoniden, Zander, Hecht und Barsch in den Wintermonaten von Dezember bis April festgestellt. In der Herings- und Hornhechtfischerei mit pelagischen Stellnetzen traten hohe Beifangraten von Januar bis Mai auf. Gerade die Winter und Frühjahrsmonate sind Zeiten, in hier der besonders viele Seevögel überwintern.
  • Hochrechnungen ergaben, dass allein in der Heringsfischerei im Greifswalder Bodden (Feb.-Mai) jährlich zwischen 918-2259 Beifangopfer anfallen
  • Die meisten Beifänge treten in Wassertiefen bis zu 10m auf.
  • Unabhängig vom Fanggerät und der fischereilichen Zielart bildeten Benthos-fressende Tauch- und Meeresenten durchweg mehr als 50 % des Vogelbeifangs. Dabei überwiegen in den Boddengewässern mit 65 % der Individuen die Tauchenten (zum Beispiel Berg-, Reiher und Tafelente), wohingegen in Beifängen in den äußeren Küstengewässern sowie in der AWZ mit 47 % der Individuen die Meeresenten (zum Beispiel Eider-, Eis-, und Trauerente) dominierten (Quelle: Bellebaum, 2011, siehe PDF).

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