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Bundesamt für Naturschutz

Wiederansiedlung Baltischer Störe

Die ehemals in der Ostsee vorkommenden Baltischen Störe sind die Nachfahren der vor ca. 1.000 - 2.000 Jahren aus Amerika eingewanderten Art Atlantischer Stör, Acipenser oxyrinchus, wie genetische Untersuchungen im Rahmen eines vom BfN geförderten Forschungsvorhabens des Leibniz-Instituts für Gewässerkunde und Binnenfischerei (IGB) und der Gesellschaft zur Rettung des Störs (GRS) zeigten.

Wiederaufbau des Bestandes

In diesem Forschungs-, Zucht- und Wiederansiedlungsprojekt sollte auch der Bestand der Art in der Oder und ihren Nebenflüssen wieder aufgebaut werden.
Geeignete Besatzfische für die Oder und für den Aufbau des Elterntierbestandes konnten aus zwei kanadischen Flüssen bezogen werden, zum Beispiel aus dem St. Johns Fluss. Dies geschah im Rahmen einer Kooperation des IGB mit regionalen kanadischen Institutionen in Abstimmung mit dem International Council for the Exploration of the Sea (ICES).
Internationale Kooperation ist - wie auch beim Europäischen Stör - für den Schutz und die Wiederansiedlung dieser stark bedrohten Wanderfischart unerlässlich. Die erwachsenen Tiere leben viele Jahre im Meer und wandern erst im Alter von etwa 12 - 15 Jahren das erste Mal wieder zum Laichen die großen Flüsse hinauf, zum Beispiel in historischer Zeit in die Oder. Der letzte Baltische Stör wurde 1996 vor Estland gefangen und gilt in der Ostsee seit 2003 als ausgestorben. Inzwischen gibt es Wiederfänge von ausgewilderten Stören. Derzeit arbeitet HELCOM (Ostsee Konvention) an einem ostseeweiten Aktionsplan zum Schutz des Baltischen Störs, der im Baltic Sea Action Plan - BSAP - aufgenommen wird.

Aufbau eines Elterntierbestands und Nachzucht in Deutschland, dezentrale Aufzucht mit internationalen Partnern

Die Elterntiere aus Kanada werden bei der Landesforschungsanstalt für Landwirtschaft und Fischerei Mecklenburg-Vorpommern (LFA) in Born auf dem Darß gehalten. Etwa 50 Baltische Störe leben hier in großen Becken unter kontrollierten Bedingungen, werden mit großem Engagement gepflegt und sorgen für den notwendigen Nachwuchs für die späteren Besatzmaßnahmen in der Oder und deren Einzugsgebiet. Darüber hinaus werden Jungstöre dezentral in zwei Teichanlagen in Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg aufgezogen und mit Erreichen der Geschlechtsreife in den Elterntierbestand auf dem Darß integriert.

Die Nachkommen für die Aufzucht werden dann zwischen den Partnerbetrieben im Ostseeraum aufgeteilt, wo sie bis zur Aussetzgröße noch einige Monate aufgezogen werden. Solch dezentrale Aufzucht hat sich seit einigen Jahren bewährt. In Containern und kleinen Durchflussanlagen werden die Jungfische von Fischern vor Ort am Besatzgewässer aufgezogen. So sollen die Tiere frühzeitig an das neue Heimatgewässer angepasst und für die Heimfindung geprägt werden. Hier, wo sie aufwachsen, ist ihr späteres Ziel für das Ablaichen, wenn sie nach Erreichen der Geschlechtsreife ab etwa 15 Jahren in die Heimatflüsse zurückkehren. Durch das Aussetzen an verschiedenen Gewässern steigt die Erfolgschance für die Etablierung sich selbsterhaltender Bestände. Die dezentrale Aufzucht bietet auch die Möglichkeit, die lokale Bevölkerung an das Thema heranzuführen, und ist ein wichtiges Element für die Akzeptanz der Wiederansiedlungsprojekte. Darüber hinaus ist die Einbindung regionaler Partner in Estland, Litauen, Lettland und Polen essentiell für ein gemeinsames Wirken zum Schutz des Baltischen Störs im Ostseeraum im Rahmen des HELCOM Aktionsplans.

Die Wissenschaft erforscht, wie Störe lernen

Wissenschaftler*innen am IGB befassen sich ständig mit der Optimierung der Aufzucht und den Überlebensbedingungen der ausgewilderten Störe. Sie gingen beispielsweise auch der Frage nach, ob die Jungstöre durch Training ihre Fitness für das Überleben in Freiheit steigern können. Ein wichtiger Fitnessfaktor ist das Fressverhalten. In Verhaltensstudien wurden zwei Gruppen von Stören untersucht: diejenigen, die ihr Futter in blanken Fließrinnen bekamen und eine zweite Gruppe, die ihr Futter aus einer kleinen Sandfläche in ihren Becken suchen mussten, also unter naturähnlicheren Bedingungen. Störe ernähren sich in der Natur von Kleinstlebewesen, die sie aus dem feinsandigen oder kiesigen Gewässergrund „herausgründeln“. Nach zwei Wochen mussten beide Gruppen ihre Beute in einer Fließrinne mit vollständig bedecktem Sandboden suchen, in dem das Futter vergraben war. Die trainierten Fische fanden die Nahrung doppelt so schnell wie ihre ungeübten Artgenossen, und auch in der Gehirnstruktur zeigten sich Unterschiede. Die Nervenzellen bleiben bei Fischen zeitlebens aktiv, und so können die Tiere sehr dynamisch auf Veränderungen reagieren. Die „Lernerfahrungen“ ließen sich bei den Stören im Gehirn nachweisen.

Aktionsplan zum Schutz der Baltischen Störe unter HELCOM

Für den Baltischen Stör wurde durch die HELCOM (Helsinki Konvention zum Schutz der Ostsee) - Arbeitsgruppe Stör ein Aktionsplan erarbeitet, der inhaltlich dem Aktionsplan für den Europäischen Stör ähnelt. Dieser Aktionsplan wurde durch HELCOM 2019 angenommen und setzt seitdem den Rahmen für die harmonisierten Maßnahmen zum Schutz und zur Wiedereinbürgerung der Art in den Vertragsstaaten.

Der Aktionsplan stellt eine regionale Anpassung des Pan-Europäischen Aktionsplans für die Störe dar. Er umfasst eine ausführliche Charakterisierung der Art Baltischer Stör (Acipenser oxyrinchus) und ihrer historischen Lebensräume im Ostseeeinzugsgebiet sowie Informationen zum Schutzstatus. Zusammenfassend stellt der Plan in 16 Aktionsfeldern die 3 Säulen der Arterhaltung und Wiederansiedlung vor:

  1. den „ex situ“-Schutz, also Maßnahmen wie z.B. Zucht- und Wiederansiedlungsprogramme, die außerhalb des eigentlichen Lebensraums die Erhaltung der Art gewährleisten;
  2. die Maßnahmen, die zum Schutz der Art „in situ“ - also im natürlichen Lebensraum der Ostsee und ihrer Zuflüsse - notwendig sind sowie
  3. die administrativen Voraussetzungen, die für einen effektiven Schutz geschaffen werden müssen.

Die HELCOM State & Conservation Group hat zur Umsetzung des Plans eine Expertengruppe für die Beratung und Implementierung des Plans ins Leben gerufen, in der auch das BfN vertreten ist.

Kontakt

Dipl. Biol. Dr. Jörn Geßner
Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB)
030 641 81 -626 
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