Bereich I - FFH-Gebiet Sylter Außenriff
Wichtige Merkmale des Bereichs I
Einmalige Riffe wechseln mit Sandbänken und weiteren streng geschützten Lebensraumtypen. Nahrungsreiche Fronten und Auftriebsgebiete sorgen für einen großen Fischreichtum.
Die Heterogenität der vorkommenden Biotoptypen und eine enge Verzahnung des Lebensraumtyps „Riffe“ mit dem § 30 Biotop „Artenreiche Kies-, Grobsand- und Schillgründe“ sind ein besonderes Merkmal dieses Bereiches des Naturschutzgebietes (NSG). Mit der an der östlichen Grenze gelegenen Amrumbank ist auch der Lebensraumtyp „Sandbänke“ im Schutzgebiet vertreten. Im westlichen Teil kommen darüber hinaus die nach OSPAR als gefährdet geltenden schlickigen Sedimente mit grabender Bodenmegafauna vor, die detaillierte Kartierung dieses Biotoptyps ist derzeit (2020) noch in Arbeit.
Die Amrumbank repräsentiert den Lebensraumtyp „Sandbänke“. Sie ist durch eine hohe Biotop- und Habitatvielfalt gekennzeichnet, mit grobsandigen bis kiesigen und mit feinsandigen Bereichen. Dementsprechend haben sich verschiedene typische Lebensgemeinschaften der Bodentiere entwickeln können.
Charakteristisch für die Amrumbank sind
- Grobsandgemeinschaften wie Goniadella - Spisula - Gemeinschaft (Knäuelwurm-Trogmuschel-Gemeinschaft)
- Feinsandgemeinschaften mit der Tellmuschel (Tellina fabula) als namensgebende Art
- Gemeinschaften mit langlebigen Muschelarten.
Die Riffe im Schutzgebiet gelten als einmalig in den küstenfernen Gebieten der deutschen Nordsee. Sie ziehen sich als bandartige Steinfelder entlang der Flanken des Elbe-Urstromtales. Darüber hinaus durchdringen Blöcke und Steinfelder wie ein Fenster die sandigen Flächen unter anderen auch im zentralen Bereich der Amrumbank. Charakteristisch sind hartsubstrat-typische Epifauna-Gemeinschaften mit Arten wie Seenelke (Metridium dianthus (vormals M. senile)), Essbarer Seeigel (Echinus esculentes), Tote Mannshand (Alcyonium digitatum) sowie Seescheiden (Ascidaea), Blättermoostierchen (Flustra folicea) und Schwämme (Haliclona spp.).
Biogene Riffe sind im Bereich I bislang nicht nachgewiesen worden. Historische Quellen weisen allerdings auf das Potenzial ihres Auftretens unter natürlichen Bedingungen hin, zum Beispiel der ehemals weit verbreiteten Europäischen Auster (Ostrea edulis).
Durch den Einstrom von Elbewasser aus dem Süden und die Vermischung mit dem Gezeitenstrom aus dem Nordostatlantik ergeben sich schwankende Salinitäten, Verwirbelungen und damit Fronten und Auftriebsgebiete. So entstehen Zonen besonderen Nahrungsreichtums, zum Beispiel durch einen hohen Planktonanteil und nachfolgend auch verschiedener Fischarten.
Unter den Fischen finden sich aufgrund der vorhandenen Lebensraumtypen sowohl charakteristische Arten der Sandbänke (wie zum Beispiel viele Plattfischarten), aber auch der Riffbewohner, zum Beispiel Dorsche (Gadus morhua), und des „freien Wassers“ (pelagische Arten wie beispielsweise Sprotten (Spratus spratus) oder Heringe (Clupea harengus)).
Als Anhang II-Arten der FFH-Richtlinie werden im Gebiet Finten (Alosa fallax) und Flussneunaugen (Lampetra fluviatilis) geschützt, die hier wichtige marine Habitate für die Nahrungssuche und Überwinterung finden. Diese seltenen Arten gehören zu den anadromen Wanderfischen, die sich als adulte Tiere im Meer aufhalten und nur zum Laichen in die Flüsse aufsteigen. Die Jungfische wandern nach einiger Zeit ebenfalls ins Meer.
Von besonderer Bedeutung ist das Schutzgebiet für Schweinswale: hier wurden die höchsten Konzentrationen von Schweinswalen in der gesamten deutschen Nordsee nachgewiesen, wodurch das Gebiet eine zentrale Bedeutung für die Erhaltung dieser Art hat. Regelmäßige Sichtungen von Mutter-Kalb-Paaren und Konzentrationen mit bis zu 50 Tieren innerhalb einer Sichtungsdauer von 10 Minuten (sogenannte „hot spots“) belegen, dass das Gebiet eine zentrale Rolle als Kalbungs- und Paarungshabitat spielt. Das Sylter Außenriff grenzt direkt an das Schweinswal-Schutzgebiet westlich vor Sylt, dem bisher einzigen Walschutzgebiet in der Nordsee. Die hohen Schweinswaldichten lassen auch Rückschlüsse auf gute Vorkommen potenzieller Beutefische zu.
Seehunde und Kegelrobben nutzen das Gebiet als wichtiges Nahrungshabitat bzw. durchschwimmen es auf dem Weg von ihren Fressplätzen zu ihren Ruhe- und Reproduktionsplätzen. Kegelrobben dienen derzeit die Knobsände vor Amrum und Helgoland als Fortpflanzungsgebiete. Aufgrund der saisonal stark schwankenden Bestandszahlen ist davon auszugehen, dass ein starker Austausch mit Tieren von anderen Liegeplätzen und Kolonien rund um die Nordsee, zum Beispiel aus Großbritannien, besteht. Das NSG hat demnach eine wichtige Trittsteinfunktion und somit kommt dem Schutz geeigneter Migrationskorridore eine hohe Bedeutung zu.