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Bundesamt für Naturschutz

Gutachten: Keine ausreichende Kontrolle Neuer Techniken außerhalb des Gentechnikrechts

Presse
Biotechnologie
Gentechnik
15.11.2017
Bonn
Sind alle Pflanzen, die mit Hilfe neuer Verfahren der Genom-Bearbeitung wie CRISPR/Cas entstanden sind, als genveränderte Organismen anzusehen? Fallen sie unter das europäische Gentechnikrecht? Über diese rechtlichen Fragen wird der Europäische Gerichtshof im Frühjahr 2018 entscheiden. Ein vom Bundesamt für Naturschutz (BfN) beauftragtes Rechtsgutachten zeigt jetzt erstmals, dass die verschiedenen europäischen Spezialgesetze außerhalb des Gentechnikrechts keine adäquaten Kontroll- und Prüfmaßstäbe für die sogenannten Neuen Techniken zur Verfügung stellen.

Die Präsidentin des Bundesamtes für Naturschutz (BfN) Prof. Beate Jessel warnt deshalb: "Eine Herausnahme der Neuen Techniken aus dem Gentechnikrecht würde zu erheblichen Regelungslücken sowie zu einer Zersplitterung der Zuständigkeiten führen. Wegen des enormen Potenzials Neuer Techniken ist eine am Vorsorgeprinzip und den Belangen des Umweltschutzes orientierte Risikoprüfung unabdingbar. Dies kann derzeit nur das Gentechnikrecht gewährleisten. Dafür gibt es nach geltender Rechtslage kein passendes Substitut."

Mit Neuen Techniken wie CRISPR/Cas und anderen Verfahren der Genom-Bearbeitung, die unter dem Begriff Genome Editing zusammengefasst werden, kann das Erbgut von Organismen weitreichend und gezielt biotechnologisch verändert werden. Die Entwicklung dieser Verfahren schreitet rasant voran, und die Potenziale sind groß - sowohl auf der Seite möglicher Anwendungen, als auch auf der Seite der Risiken für Konsumenten, Natur und Umwelt. Zurzeit ist rechtlich strittig, ob Anwendungen der Neuen Techniken unter den Gentechnikbegriff der EU-Freisetzungsrichtlinie (2001/18/EG) und damit letztlich unter das Regelwerk des europäischen Gentechnikrechts fallen.

Der Jurist Prof. Tade M. Spranger von der Universität Bonn hat im Auftrag des BfN erstmals systematisch geprüft, ob und inwieweit andere Regelungsregime neben dem Gentechnikrecht dazu geeignet sind, mögliche Umweltrisiken der durch Neue Techniken entstandenen Organismen zu kontrollieren. Der Verfasser analysiert unter anderem das Saatgutrecht, das europäische Lebens- und Futtermittelrecht sowie das Pflanzenschutzmittel- und Sortenschutzrecht und zeigt dabei eklatante Regelungslücken auf. Denn weder einzeln noch in der Gesamtschau seien die untersuchten Rechtsgebiete in der Lage, eine dem Gentechnikrecht vergleichbare Kontrolle möglicher Umweltauswirkungen aufzufangen.

Dies werde allein dadurch deutlich, dass die untersuchten Rechtsnormen ganz anderen Zwecken dienen - etwa der Sicherstellung ausreichender und leistungsfähiger Pflanzensorten für die Landwirtschaft im Saatgutrecht. Wildpflanzen würden beispielsweise im Saatgutrecht gar nicht erfasst und somit auch keiner Zulassungsprüfung unterzogen. Außerdem sei das Saatgutrecht nicht darauf ausgelegt, spezifische Gefahren zu bewerten, die sich aus der Anwendung hochtechnologischer Verfahren ergeben könnten. Dies gelte auch für das Recht der Pflanzenschutzmittelzulassung, das auf Wirkstoffe der Pflanzenschutzprodukte beschränkt ist.

Neben massiven Regelungsdefiziten würde eine Regulierung außerhalb des Gentechnikrechts aber auch ganz erhebliche praktische Umsetzungsprobleme verursachen, die sich verwaltungsorganisatorisch nicht bewerkstelligen ließen, schlussfolgert Spranger. Die untersuchten Normen involvieren eine Vielzahl von Behörden auf Bundes- und Landesebene, die nebeneinander innerhalb ihrer jeweiligen Zuständigkeiten tätig werden müssten und über keine umfassende Expertise auf dem Gebiet der Biotechnologie verfügen.

Auf Grundlage des Gutachtens weist die Präsidentin des BfN, Prof. Beate Jessel, darauf hin, dass das untersuchte landwirtschaftliche Fachrecht - wenn überhaupt - nur Teilbereiche der möglichen Anwendungen Neuer Techniken abdecke und daher nicht, wie bisweilen dargestellt, das Gentechnikrecht ersetzen könne.

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