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Bundesamt für Naturschutz

Graphoderus bilineatus - Schmalbindiger Breitflügel-Tauchkäfer

Geschützt nach
Anhang II FFH-Richtlinie
Anhang IV FFH-Richtlinie
EU-Code
1082
Artengruppierung
Käfer
Status Rote Liste Deutschland
(Spitzenberg et al. 2016): 3 (Gefährdet)
Status Rote Liste Europa
(Foster 1996): * (Nicht gefährdet) in: Finnland, Frankreich, Schweden; 3 (Gefährdet) in: Dänemark, Schweiz; V (Vom Aussterben bedroht) in: Großbritannien, Niederlande
Verantwortlichkeit
Bisher keine Bearbeitung

Beschreibung

Auf Tauchstation

Der Schmalbindige Breitflügel-Tauchkäfer hat in keinem europäischen Land einen volkstümlichen Namen und ist daher zumeist nur entomologisch interessierten Personen bekannt. Der deutsche Name „Schmalbindiger Breitflügel-Tauchkäfer” wurde erst jüngst eingeführt. Der Käfer und die Larve leben räuberisch unter Wasser und kommen nur zum Luftholen an die Wasseroberfläche. Dieser Schwimmkäfer wird ca. bis 16 mm groß und hat eine auffällig breite gelbe Bindenzeichnung auf dem Halsschild. Er ist für den Nichtfachmann dennoch leicht mit anderen Arten der Gattung Graphoderus (z.B. dem häufigen G. cinereus) zu verwechseln. Charakteristisch sind die ganz helle Unterseite und die breit und flach gerandeten Flügeldecken.

Verbreitung

In Europa ist die Art insgesamt sehr selten. Die wenigen bekannten Vorkommen in Deutschland befinden sich v. a. im Norden und Osten. Die Ansprüche der Art an den Lebensraum sind denen des Breitrandes sehr ähnlich, wobei die Anforderungen an die Gewässergröße geringer sind.

Lebensraum

Graphoderus bilineatus ist eine Charakterart für schwach bis mäßig nährstoffführende, bis zu einem Meter tiefe, größere Standgewässer mit pflanzenreichen Uferzonen, wie z.B. Flachseen, Altarme, Moorweiher, Teiche und Gräben, sowie Kies- und renaturierte Kohlegrubengewässer (GEO 2001).

Foto: NSG Niederspreeer Teichgebiet (Sachsen), Froschteich, mäßig nährstoffreiches, nicht bewirtschaftetes Flachgewässer mit ausgeprägtem Bestand an Unterwasser- und Schwimmblattpflanzen und stabilen Vorkommen des Schmalbindigen Breitflügel-Tauchkäfers.

Fortpflanzung/Biologie

Im März werden die Eier in lebende Stängel und Blätter von Wasserpflanzen (oberhalb des Wassers) abgelegt. Die Larven schlüpfen bald darauf und verpuppen sich bereits ca. 2-2,5 Monate später. Die erwachsenen Käfer schlüpfen ca. einen Monat später. Sie sind flugfähig und ernähren sich räuberisch.

Lokale Population

Abgrenzung der lokalen Population

Die lokale Population des Schmalbindigen Breitflügel-Tauchkäfers ist auf das Gewässer und hier besonders dessen Uferbereich bis zu 300 m vom Gewässerrand als Pufferzone beschränkt (vgl. Schnitter et al. 2006). Auf der Suche nach geeigneten Gewässern unternehmen die Käfer in den Sommermonaten nächtliche Schwarmflüge, sicher über Distanzen von mehreren hundert Metern. Die Nutzung von kleineren Gewässern als "Trittstein" in der natürlichen Verbreitung kann als sicher angesehen werden.

Gefährdung

In genutzten Gewässern, stellt ein überhöhter Fischbesatz eine Gefahr dar. Beeinträchtigungen sind auch in der fischereilichen Nutzung (Ablassen, Kalken, Entkrauten u. a.) zu sehen. Eine Veränderung der Gewässer z. B. durch zunehmende Beschattung und Nährstoffeintrag kann sich negativ besonders auf die Käfervorkommen in Moor-Wiesen-Komplexen auswirken.

Gefährdungsursachen

Der Schmalbindige Breitflügel-Tauchkäfer ist vor allem durch den Verlust nährstoffarmer Stillgewässer mit einer großen ungestörten Randzone gefährdet. Von Holmen (1993) und Foster (1996) wird das Verschwinden dieser Art, wie auch die des Breitrandkäfers (Dytiscus latissimus),  in weiten Teilen Europas seit Beginn unseres Jahrhunderts als verspätete Antwort auf die Klimaveränderung nach der letzten Eiszeit gesehen. Neben klimatischen Ursachen sind für den Rückgang dieser Art menschliche Einflüsse, wie Maßnahmen zur Entwässerung, Überdüngung und Beschattung der Brutgewässer, zu hoher Fischbesatz in den wenigen noch verbliebenen Lebensräumen (Holmen 1993) verantwortlich. Menschliche Einflüsse, wenn auch nicht für den generellen Trend verantwortlich, haben das lokale Erlöschen der Art in vielen Teilen Mittel- und Westeuropas dann beschleunigt.

Folgende Maßnahmen der Land- und Fischereiwirtschaft können sich nachhaltig auf Vorkommen des Schmalbindigen Breitflügel-Tauchkäfers auswirken:

Land- und Fischereiwirtschaft

  • Überdüngung von Gewässern in der Teichwirtschaft (Fischteiche, Weiher und Flachseen) insbesondere durch starke Zufütterung (Intensivierung der Teichwirtschaft: Erträge > 0,7 t/ha)
  • Hoher Prädationsdruck durch zu hohen Fisch- und Wasservogelbesatz
  • Ausbreitung des Sonnenbarsches als extrem aggressiver Räuber (speziell in Bayern)
  • Intensivierung der Landwirtschaft: Ausbringung von Dünge- oder Pflanzenschutzmitteln in der Nähe von Gewässern, fehlende oder zu schmale Pufferzonen, Einleitung von ungefilterten Abwässern aus Regenwasserleitern 
  • Entwässerungsmaßnahmen und Entfernen von Pflanzenwuchs in Stillgewässern und an deren Rändern
  • Zu starke Beschattung der Ufer von Flachseen, dadurch Rückgang der Röhrichtgürtel

Sonstige

  • Verlust nährstoffarmer, reich gegliederter Flachseen und Weiher 
  • Verlust von überstauten Feuchtwiesen und sommertrockener Altarme in Flussauen
  • Verlandung/Versandung und Absenkung des Grundwasserspiegels, gerade im Umland von Ballungsgebieten (Berlin) und in den Tagebaugebieten der Nieder- und Oberlausitz (Brandenburg, Sachsen, Sachsen-Anhalt)
  • Wasserverschmutzung, Versauerung der Gewässer (z.B. durch Sümpfungswässer)
  • Stoffeintrag durch Luftverschmutzung

Schutz

Für den Schutz der Art ist die Erhaltung großer, möglichst nährstoffarmer Seen und Teiche mit Wasserpflanzen wichtig. Da es nicht ausreicht, nur die derzeit sehr weit auseinander liegenden Vorkommen zu schützen, müssen verschiedene verbindende Seentypen und Weiher ebenfalls in das Schutzkonzept mit einbezogen werden.

Erhaltungsmaßnahmen

Handlungsempfehlungen zur Erhaltung der lokalen Population des Schmalbindigen Breitflügel-Tauchkäfers

Nutzungsbedingte Beeinträchtigungen des Schmalbindigen Breitflügel-Tauchkäfers gehen von der Fischerei- und Landwirtschaft aus. Um Beeinträchtigungen durch Bewirtschaftung zu verhindern bzw. zu minimieren, werden folgende Maßnahmen empfohlen:

Landwirtschaft

  • Breite Pufferzone um mindestens die Hälfte der Uferzone eines Gewässers (> 300 m), in der eine zweimalige Mahd im Jahr oder extensive Viehhaltung (< 2 GVE/ha) stattfindet

Fischereiwirtschaft

  • Gewässersanierung durch Abfischung (besonders bei Renaturierungs- und Ausgleichsmaßnahmen)
  • Reduzierung des Fischbesatzes in möglichen Brutgewässern
  • Keine künstliche Erhöhung des Raubfischbesatzes
  • Verbesserung der Wasserqualität durch Reduzierung des Nährstoffeintrages
  • Extensive Teichwirtschaft im Herbst: Restwassermenge belassen, in der die Käfer überwintern können; keine Kalkung, keine Zufütterung
  • Förderung von Röhrichtgürteln und Flachwasserzonen (mind. 30-50 m Breite)

Sonstige Maßnahmen

  • Anlage temporärer, größerer Flachgewässer (mindestens 1 ha)
  • Stabilisierung des Wasserhaushaltes in den betreffenden Landschaften
  • Schaffung von Retentionsflächen am Rande größerer Flüsse und Ströme
  • Erhaltung großflächig unzerschnittener Feuchtgebiete auf niedrigem Nährstoffniveau
  • Erhaltung verschiedener Seentypen und Weiher unterschiedlicher Entwicklungsstufen in einem Gebiet

Erhaltungszustand

  • Atlantische Region: ungünstig - schlecht
  • Kontinentale Region: ungünstig - schlecht

Programme und Projekte

Finanzierungsinstrumente für Maßnahmen und Umsetzung von Managementplänen

  • Internetseite des BfN zu Finanzierungsoptionen von Maßnahmen im Rahmen der FFH- und Vogelschutzrichtlinie
  • Finanzierungsinstrument der EU zur Förderung von Umwelt- und Naturschutz-Projekten in Europa, LIFE+

 

Literaturhinweise

verändert nach:
Hendrich, L. und Balke, M. (2003): Graphoderus bilineatus (DeGeer, 1774). In: Petersen, B., Ellwanger, G., Biewald, G., Hauke, U., Ludwig, G., Pretscher, P., Schröder, E., und Ssymank, A. (Bearb.): Das europäische Schutzgebietssystem Natura 2000. Ökologie und Verbreitung von Arten der FFH-Richtlinie in Deutschland. Band 1: Pflanzen und Wirbellose. - Bonn-Bad Godesberg (Landwirtschaftsverlag) - Schriftenreihe für Landschaftspflege und Naturschutz 69(1): 388-396.

Autor*in

Kontaktinformationen für weitere Auskünfte und Hilfestellungen

Für weitere Hinweise zur Art und Hilfestellungen für die Bewirtschaftung der Lebensräume wenden Sie sich bitte an die für Sie zuständige Naturschutzbehörde in Ihrer Region.

Experten

Dr. Lars Hendrich
Zoologische Staatssammlung München
Münchhausenstraße 21
81247 München

Autoren

Lars Hendrich, Jörg Gebert

Unter Mitarbeit von

Thorsten Aßmann, Jörn Buse, Andrea Matern, Thomas Müller, Matthias Simon

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