NSG Borkum Riffgrund
Kurzbeschreibung
Das etwa 625 km² umfassende Naturschutzgebiet (NSG) mit Wassertiefen von 18 m bis 33 m ist durch eine große Sandbank mit eingestreuten riffbildenden Steinfeldern gekennzeichnet. Die Sandbank setzt sich nach Südosten bis in den Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer fort. Im Westen grenzt das Gebiet an die Niederlande.
Sandbank und Riffe sowie Kies-, Grobsand- und Schillgründe fügen sich hier zu einem artenreichen Mosaik auf dem Meeresboden zusammen. Das Schutzgebiet beherbergt auf seiner eher kleinen Fläche eine erstaunlich große Fülle an Lebewesen. Der besondere Artenreichtum am Meeresboden bietet viel Nahrung für Fische. Diese ziehen wiederum viele Schweinswale, Seehunde und Kegelrobben an.
Das Gebiet hat auch über seine Grenzen hinaus eine besondere Funktion: Es dient zusammen mit den Gezeitenströmungen als wichtiger Trittstein für die Ausbreitung von Arten in die südliche Nordsee.

Belastungen und Management
Durch das NSG Borkum Riffgrund führt im südlichen Teil eine der Hauptschifffahrtsrouten der Nordsee, das sogenannte Verkehrstrennungsgebiet „Terschelling German Bight“. Es nimmt etwa ein Drittel der Schutzgebietsfläche ein. Auswirkungen hat die Schifffahrt insbesondere auf Schweinswale, die zu den Schutzgütern im Gebiet gehören. Aktuell werden die Auswirkungen der Schifffahrt auf die Meeressäuger genauer untersucht. Daraus werden Maßnahmenvorschläge entwickelt, um die Störungen zu reduzieren, und im Anschluss den für die Schifffahrt zuständigen Stellen der Bundesverwaltung vorgelegt.
Regelungen des Schiffsverkehrs können nur auf internationaler Ebene getroffen werden. Von Bedeutung sind Maßnahmen zur Lärmminderung bzw. -vermeidung, beispielsweise für den durch das NSG führenden Schiffsverkehr während Bau und Betrieb von außerhalb des Naturschutzgebietes befindlichen Offshore-Windparks. Um solche Maßnahmen möglichst schnell umsetzen zu können, werden Kooperationen mit verantwortlichen Institutionen angestrebt, noch bevor verbindliche internationale Regelungen getroffen werden.
Als weitere Nutzungen sind die Verlegung und der Betrieb von Kabeln und Rohrleitungen, die durch das NSG laufen, von Relevanz, ebenso wie die Freizeitfischerei. Letztere ist nur im Süden des Schutzgebietes erlaubt und durch die Schutzgebietsverordnung im Norden ganzjährig untersagt.
Im gesamten Schutzgebiet ist die mobile grundberührende Fischerei seit März 2023 verboten. Zudem gilt auch ein ganzjähriges Verbot der Stellnetzfischerei im Schutzgebiet.
Das BfN unterstützt Bemühungen zur Wiederansiedlung der Europäischen Auster im Schutzgebiet Borkum Riffgrund. Die Art hatte hier vor ihrem Verschwinden einen Verbreitungsschwerpunkt in der deutschen Nordsee.
Zahlen und Fakten
Name | FFH-Gebiet Doggerbank | EU Code | Größe |
---|---|---|---|
Borkum-Riffgrund | FFH-Gebiet | DE 2104-301 | 625 km² |
Lebensräume und Arten | Umfang oder Zahlen (2024) |
---|---|
Sandbank | ca. 521 km² |
Riffe | ca. 23 km² |
Artenreiche Kies-, Grobsand- und Schillgründe (KGS); & 30 BNatSchG-Biotop | ca. 340 km² |
Schweinswal (Phocoena phocoena) | 1.056 Ind. (95% KI: 427-2.078) im Sommer |
Seehund (Phoca vitulina) | 500; Nutzung als Nahrungsgebiet |
Kegelrobbe (Halichoerus grypus) | Nutzung als Nahrungsgebiet |
Finte (Alosa fallax) | nachgewiesen |
Charakteristik
Eine enge Verzahnung von Sandbänken und Riffen mit einer hohen Substrat- und Habitatvielfalt und einem daraus resultierenden hohen Artenreichtum kennzeichnet das NSG. Zu den hier vorkommenden Arten gehört auch eine Reihe von geschützten Arten des Anhangs II der FFH-Richtlinie.
Im Schutzgebiet finden sich die charakteristischen Benthosgemeinschaften des Grobsands (Knäuelwurm-Trogmuschel-Gemeinschaft) und des Feinsands (Tellina-fabula-Gemeinschaft). Insgesamt wird die Infauna (also die im Boden lebende Gemeinschaft) von Muscheln (Mollusken) und Vielborstern (Polychaeten) dominiert.
Auf den Riffen ist die charakteristische Epifauna (Aufwuchsgemeinschaft) in unterschiedlichen Sukzessionsstadien mit Seenelken, Toter Mannshand, Zypressenmoos, Seescheiden, Moostierchen und Schwämmen sowie verschiedenen Krebsen zu finden.
Die enge Verzahnung von Sandbank und Riffen sorgt für eine hohe Arten- und Individuenzahl. Von 1998 bis heute konnten für den Borkum Riffgrund allein beim Makrozoobenthos (Bodenlebewesen > 1 mm) insgesamt 165 verschiedene Arten nachgewiesen werden, darunter zahlreiche Rote-Liste-Arten.
Diese Bodenfauna bildet eine reichhaltige Nahrungsgrundlage für Fische. So kommt hier eine Vielzahl von Plattfischen, Grundelarten und anderen bodenlebenden Fischen wie Rochen vor, aber auch pelagische Fischarten sind hier zu finden. Die im Anhang II der FFH-Richtlinie aufgeführte Finte hat hier wichtige marine Habitate für die Nahrungssuche und Überwinterung. Dies gilt insbesondere für den Fintenbestand, der sich im äußeren Ems-Ästuar konzentriert. Finten gehören zu den anadromen Wanderfischen, die nur zum Laichen die Flüsse aufsuchen. Die adulten Tiere halten sich im Meer überwiegend in der Wassersäule auf (Pelagial), schwimmen aber zur Nahrungssuche zum Grund, wo sie im NSG Borkum Riffgrund von den zahlreichen Kleinfischen und wirbellosen Organismen profitieren.
Im Schutzgebiet Borkum Riffgrund kommen Schweinswale, Kegelrobben und Seehunde vor. Sie profitieren von der Nahrungsvielfalt des Schutzgebietes mit seiner individuen- und artenreichen Fischfauna.
Schweinswale werden im NSG Borkum Riffgrund das ganze Jahr über gesichtet. Das Monitoring des BfN zeigt seit 2008 einen Anstieg der Schweinswalzahlen im Frühjahr und Sommer und eine vermehrte Sichtung von Kälbern. Ähnliche Zuwächse wurden auch in den Niederlanden beobachtet, was möglicherweise auf eine Verlagerung der Schweinswale nach Süden hindeutet. Im Spätfrühling und Sommer erreichen die Dichten mit Werten >1 Individuum / km2 ein Maximum.
Kegelrobben und Seehunden dient der Borkum Riffgrund vor allem als Nahrungshabitat, aber auch als Migrationskorridor, zum Beispiel für Wanderungen zwischen den Liegeplätzen im Niedersächsischen und Niederländischen Wattenmeer und Helgoland sowie weiter entfernten Nahrungsgebieten wie der Doggerbank.
In Schutzgebiet Borkum-Riffgrund führt das Bundesamt für Naturschutz mit wissenschaftlicher Unterstützung durch das Alfred-Wegener-Institut Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI) derzeit die Wiederansiedlung der in der Nordsee ausgestorbenen Europäischen Auster (Ostrea edulis) durch. Dabei geht es nicht nur um die Art an sich, sondern auch um die wichtigen ökologischen Funktionen, die sie als sogenannter biogener Riffbildner erfüllt. Austernriffe schaffen dreidimensionale Strukturen, filtern das Meerwasser und sind Hotspots der Artenvielfalt. Dank des 2023 erfolgten großflächigen Ausschlusses der mobilen grundberührenden Fischerei im NSG Borkum-Riffgrund sind hier nun günstige Voraussetzungen für eine Wiederansiedlung entstanden.