Neue Rote Liste: Mehr als ein Viertel der Insekten-Arten bestandsgefährdet
BfN-Präsidentin Sabine Riewenherm: „Die neue Rote Liste bestätigt den negativen Trend, der sich in den ersten beiden Bänden gezeigt hat. Insgesamt wurden in diesen drei Bänden mehr als 15.000 wirbellose Arten, darunter 14.000 Insektenarten, untersucht. Davon sind über 4.600 Arten in ihrem Bestand gefährdet. Das heißt: 29,6 Prozent wurden in die Kategorien ‚Vom Aussterben bedroht‘, ‚Stark gefährdet‘, ‚Gefährdet‘ oder ‚Gefährdung unbekannten Ausmaßes‘ eingestuft.“
Im dritten Wirbellosenband ist der Anteil bestandsgefährdeter Arten in den artenärmeren Gruppen der Steinfliegen mit 46,4 Prozent und der Eintagsfliegen mit 40,5 Prozent besonders hoch. Arten dieser Gruppen bewohnen Binnengewässer und bevorzugen insbesondere naturnahe Gewässer und Uferbereiche. In den vergangenen 150 Jahren sind die Bestände vieler Arten aufgrund verschmutzter Gewässer zurückgegangen. Davon konnten sich, trotz der deutlich verbesserten Wasserqualität vieler Gewässer in den letzten 25 Jahren, viele Bestände noch nicht vollständig erholen, insbesondere bei den Steinfliegen. Zudem sind die Larven beider Gruppen durch zahlreiche weitere vom Menschen verursachte Störungen in ihrem aquatischen Lebensraum gefährdet.
„Der hohe Anteil bestandsgefährdeter Arten unter den aquatischen Insekten zeigt dringenden Handlungsbedarf: Um die besonders gefährdeten wassergebundenen Insektenarten wie Libellen, Steinfliegen und Eintagsfliegen und ihre Lebensräume besser zu schützen, müssen wir die Belastung der Gewässer weiter verringern, Gewässer naturnäher gestalten sowie naturnahe Gewässer und ihre Uferbereiche erhalten“, so BfN-Präsidentin Riewenherm.
Zu den Käfergruppen mit besonders vielen bestandsgefährdeten Arten zählen die Blattkäfer mit 41,1 Prozent, die Rüsselkäfer mit 39 Prozent und die Blatthornkäfer mit 32,8 Prozent. Aufgrund der teilweise hohen Artenzahlen gehört insgesamt der überwiegende Teil der in diesem Band ermittelten bestandsgefährdeten Insektenarten zu den Käfern. Viele Käferarten haben eine enge Bindung an bestimmte Biotope. Vor allem die Nutzungsänderung und der Verlust naturnaher Lebensräume führt dazu, dass die Bestände dieser Arten zurückgehen.
Bei den Blatthornkäfern sind die Ursachen für die Bestandsrückgänge so unterschiedlich wie deren Lebensweise. Arten des Offenlandes und der halboffenen Landschaften sind beispielsweise vor allem durch die Intensivierung der Landwirtschaft, aber auch durch weitere Ursachen gefährdet. Auf dungfressende Arten wirkten sich unter anderem die Aufgabe der Weidewirtschaft zugunsten von Stallhaltung, die Flurbereinigung und Medikamentenzusätze in der Tierzucht negativ aus.
Kein anderes Instrument des Naturschutzes in Deutschland gibt über den Zustand einer so großen Zahl von Arten Auskunft wie die Roten Listen. „Ohne das außergewöhnliche Maß an Engagement und Kompetenz der 130 ehrenamtlich beteiligten Autorinnen und Autoren, wäre es unmöglich gewesen, die neue Rote Liste zu erstellen. Ihnen gilt unser Dank“, unterstreicht BfN-Präsidentin Sabine Riewenherm.
Die Roten Listen der Tiere, Pflanzen und Pilze Deutschlands
Die Roten Listen beschreiben die Gefährdungssituation der Tier-, Pflanzen- und Pilzarten und stellen mit ihren Gesamtartenlisten eine Inventur der Artenvielfalt dar. Sie werden etwa alle zehn Jahre unter Federführung des Bundesamtes für Naturschutz für ganz Deutschland herausgegeben. Die neueste Rote Liste ist Band 5 des acht Bände umfassenden Gesamtwerkes und der letzte Sammelband der 2009 begonnenen Reihe. Er ist nach Band 3 und 4 der dritte Band, in dem wirbellose Tiere betrachtet werden. Die im Band 5 vorgelegten Listen sind das Ergebnis eines langjährigen Prozesses, bei dem die Kenntnisse von mehr als 130 ehrenamtlich Mitwirkenden zu den jeweiligen Arten oder Unterarten für Deutschland zusammengetragen, analysiert und aufbereitet wurden. Eine übergreifende Auswertung aller seit 2009 erschienenen Roten Listen folgt zu einem späteren Zeitpunkt als letzter Teil des Rote-Liste-Zyklus.