Acipenser oxyrinchus - Baltischer Stör
Beschreibung
Urtümlicher Ostseebewohner
Seine fünf Knochenplattenreihen verleihen dem Baltischen Stör ein recht urtümliches Aussehen. Er ist ein großer Wanderfisch, der vom Meer zum Laichen in die Flüsse aufsteigt.
Ursprünglich war der Baltische Stör entlang der nordamerikanischen Atlantikküste verbreitet und besiedelte vor 1.200 – 800 Jahren die Ostsee und ihre Zuflüsse. Heute gilt er in Europa als verschollen bzw. ausgestorben.
Merkmale des Baltischen Störs
Der Baltische Stör kann eine Länge von über 4 m erreichen. Kennzeichnend für die Störe ist eine ausgezogene, spitze Schnauze, das ausstülpbare, unterständige Maul und 4 Barteln sowie Knochenschilder, die auf dem Körper in fünf Reihen angeordnet sind.
Verbreitung
Historisch in der gesamten Ostsee verbreitet einschließlich der größeren in die südliche und östliche Ostsee entwässernden Flüsse ist A. oxyrinchus heute in Europa wahrscheinlich ausgestorben. Außerhalb Europas ist die Art entlang der nordamerikanischen Atlantikküste verbreitet.
Lebensraum
Als anadrome Art bezeichnen Experten Wanderfische, die aus dem Salzwasser/Meer zur Fortpflanzung stromaufwärts in Flüsse wandern, um dort an geeigneten Laichplätzen ihre Eier abzulegen. Als anadrome Wanderfischart ist der Baltische Stör auf unterschiedliche Lebensräume angewiesen, zwischen denen die Art bis zu 800 Kilometer zurücklegt. Mit einer Länge von ca. 20 cm wandern die Jungfische in die Mündungsbereiche der Flüsse ab. Bis zur Geschlechtsreife geht der Stör vorwiegend in der Brackwasserregion und den angrenzenden Meeresgebieten auf Nahrungssuche (Smith & Clugston 1997). Zum Laichen kehrt er in seine Geburtsflüsse zurück. Während er im Meer sandige, feine Untergründe in 10-40 m Tiefe vorzieht (Bain et al. 2000, Collins et al. 1996), weisen die Laichplätze, die sich in großen und tiefen Flüssen mit starker Strömung befinden, kiesig-gerölligen Grund auf (Kottelat & Freyhof 2007).
Fortpflanzung/Biologie
Als anadromer Wanderfisch steigt die Art für die Reproduktion in die Zuflüsse der Ostsee auf und laicht in einer Tiefe von 2-10 m über kiesig-gerölligen Substrat. Weibchen produzieren 800.000 bis 2.400.000 Eier. Nach dem Schlupf dürften sich die Jungtiere für 3-5 Jahre im Süß- bzw. Brackwasser aufhalten, bevor sie langsam ins Meer wandern, wo sie mindestens 8 Jahre lang verweilen. Das Höchstalter der Tiere ist etwa 60 Jahre.
Ökologie der Art
Der Baltische Stör ist ein Wanderfisch, der einen Teil seines Lebens im Meer verbringt und zum Ablaichen in die Flüsse aufsteigt. Die Nahrung der jungen Störe setzt sich aus Insektenlarven und Würmern zusammen (Bain et al. 2000). Im Meer ernährt er sich neben Würmern in geringen Mengen auch von Schnecken und Muscheln, wobei die Aufnahme von Würmern, aber auch Asseln und Flohkrebsen jahreszeitlichen Schwankungen unterliegt.
Da die Art in Nordamerika heute noch genetisch und in ihrer Gestalt mit dem in der Ostsee verbreiteten Stör übereinstimmende Populationen aufweist (Ludwig et al. 2002, Ludwig et al. 2008), wird im Rahmen der Wiederansiedlung des Baltischen Störs auf Exemplare aus diesen Gewässern zurückgegriffen. Seit 2006 werden im Rahmen von experimentellen Besatzmaßnahmen jährlich Tiere im Einzugsgebiet der Oder und Weichsel besetzt. Die Jungfische nutzen vornehmlich das Untere Odertal und das Stettiner Haff, während Tiere ab einer Größe von etwa einem Meter ausgedehnte Wanderungen durch die westliche Ostsee entlang der Küsten durchführen.
Beschreibung des Lebenszyklus im Zusammenhang mit Landnutzungsaktivitäten
Der Baltische Stör zieht in der Zeit von Mai bis August zum Ablaichen in die Flüsse. Dort laichen die Weibchen erstmals in einem Alter von 9-20 Jahren, die Männchen mit 7-15 Jahren ab (Gessner 2004), wobei die Männchen die Geschlechtsreife in ein- bis dreijährigen Intervallen erlangen, während die Weibchen wahrscheinlich drei- bis fünfjährige Zyklen aufweisen, was in beiden Fällen stark von der Nahrungsaufnahme und damit der Energieverfügbarkeit abhängt (Vladykov & Greeley 1963). Laichplätze sind durch anstehendes Grundgestein oder kiesig-geröllige Bodenbeschaffenheit gekennzeichnet (Atlantic Sturgeon Status Review Team 2007). Die Larven verbringen die erste Zeit zunächst im Kieslückensystem, die Jungstöre halten sich in den Flüssen auf und wandern im zweiten Lebensjahr bis zur Geschlechtsreife in die Brackwasserregionen ab.
Im Meer ist der Stör durch die Berufsfischerei gefährdet, in deren Netze er als Beifang gelangt. In den Flüssen versperren ihm Wehre und Dämme den Zugang zu seinen Laichgebieten. Der Eintrag von Nährstoffen und Abwässern hat maßgeblich zur Verminderung der Lebensraumqualität insbesondere in den Vermehrungsgebieten beigetragen. Durch Kiesabbau, Gewässerbegradigung und den Eintrag von Feinsedimenten werden Laichplätze zerstört und somit die Vermehrungsbedingungen verschlechtert. Neuerdings sind der Besatz mit nicht einheimischen Störarten und damit einhergehende Verbreitung eingeschleppter Krankheitserreger, Nahrungskonkurrenz und möglicherweise auch die Hybridisierung verschiedener Störarten Faktoren, die die Wiederansiedelung beeinträchtigen können.
Gefährdung
Die Art ist besonders durch die Fischerei gefährdet, historisch als ein Haupterwerbsfisch der Fischer und heute als Beifang der Schleppnetzfischerei sowie der Harmen- und Stellnetzfischerei in den Flussmündungen. Außerdem werden die Laichhabitate durch Eutrophierung beeinträchtigt. Flussverbauungen versperren die Wanderung zu den Laichgründen und durch zu große Fließgeschwindigkeiten wird die Laichwanderung dieses langsam schwimmenden Fisches beeinträchtigt.
Allgemeine Gefährdungsursachen
- Berufsfischerei (Beifang in Netzen)
- Einschleppung von nicht einheimischen Störarten, dadurch Hybridisierung, Nahrungskonkurrenz und neue Krankheiten
- Eintrag von Feinsedimenten, der zur Zerstörung von Laichplätzen führt
- Gewässerverschmutzung
- Flussverbau, durch den der Zugang zu den Laichgründen verhindert und der Lebensraum, u.a. die Laichplätze, zerstört werden
- Sand- und Kiesabbau und damit einhergehende Zerstörung von Laichplätzen
- Verlust mariner Lebensräume durch Schiffsverkehr und Verklappung
Schutz
Schutzmaßnahmen sollten Wiederansiedlungsprogramme in geeigneten Flüssen über ausreichend lange Zeiträume (laufendes BfN-Projekt im Fluss Oder, polnisches Wiederansiedlungsprojekt), Einschränkungen der Fischerei, Schutzgebiete im Süßwasser und im marinen Bereich, Maßnahmen zur Reduktion der Eutrophierung der Laich-Flüsse und den Bau von speziellen Fischtreppen oder Stör-Durchlässen beinhalten.
Erhaltungsmaßnahmen
Allgemeine Maßnahmen
- Wiederherstellung der Durchgängigkeit von Flüssen durch Rückbau von Wehren, Staustufen etc.
- Fischereiverbot
- Gezieltes Freilassen unbeabsichtigter Beifänge
- Fließgewässerrenaturierung zur Wiederherstellung der natürlichen Fließgewässerdynamik und dadurch Wiederherstellung von geeigneten Laichplätzen
- Einschleppung von nicht heimischen Störarten möglichst vermeiden
Erhaltungszustand
- Kontinentale Region: ungünstig - schlecht
Literaturhinweise
verändert nach:
Gessner, J. (2004): Acipenser oxyrinchus oxyrinchus Mitchill, 1815. In: Petersen, B., Ellwanger, G., Bless, R., Boye, P., Schröder, E., und Ssymank, A. (Bearb.): Das europäische Schutzgebietssystem Natura 2000. Ökologie und Verbreitung von Arten der FFH-Richtlinie in Deutschland. Band 2: Wirbeltiere. - Bonn-Bad Godesberg (Landwirtschaftsverlag) - Schriftenreihe für Landschaftspflege und Naturschutz 69(2): 205-210.