Botaurus stellaris - Rohrdommel
Beschreibung
Rohrdommeln sind große, gelbbraune Reiher mit kompakter Struktur und relativ kurzen Beinen. Die Flügelspannweite beträgt 100-130 cm, die Vögel sind jedoch eher selten im Flug zu beobachten und halten sich meist im Schilf versteckt. Bei Gefahr nehmen Rohrdommeln oft eine aufrechte „Pfahlstellung“ ein. Aufgrund des enormen Größenunterschiedes zu ähnlich gefärbten jungen Zwergdommeln sind Rohrdommeln nahezu unverwechselbar. Ihre dämmerungs- und nachtaktive, versteckte Lebensweise führt dazu, dass Rohrdommeln öfter zu hören als zu sehen sind. Der sehr tiefe, bellende Balzruf der Männchen ist über bis zu 5 km hörbar (Svensson 2023).
Verbreitung
Das Brutgebiet der Rohrdommel erstreckt sich von Europa über Zentralasien ostwärts bis an die Pazifikküste und nach Japan. Am Westrand der Verbreitung sind die Vorkommen stark fragmentiert. Getrennt vom paläarktischen Brutareal der Nominatform ist die Unterart capensis im südlichen Afrika verbreitet (Gedeon et al. 2014, Martínez-Vilalta et al. 2020).
In Deutschland ist die Rohrdommel als Brutvogel fast ausschließlich im Nordostdeutschen Tiefland verbreitet. Dabei verläuft ein zusammenhängender Verbreitungsschwerpunkt von der Mecklenburgischen Seenplatte über Müritz, Peenetal und Uckermark bis ins Odertal und die Obere Havelniederung. Ein Dichtezentrum stellen dabei die Flusstalmoore von Peene und Trebel dar. Schwerpunkte zeigt die Verbreitung darüber hinaus an der Mittleren Elbe, der Mittleren und Unteren Havel, im Spreewald sowie der Oberlausitz. Im Norden Deutschlands ist das Holsteinische Hügelland von der Schlei bis zum Schaalsee nahezu lückenlos besiedelt. Die größten Vorkommen im Nordwestdeutschen Tiefland finden sich entlang der Westküste Schleswig-Holsteins. Weitere Vorkommen sind weitgehend vereinzelt, z.B. an der Unterelbe, in Ostfriesland, am Dümmer oder in der Südheide. In der Mittelgebirgsregion gibt es Einzelvorkommen u.a. im Thüringer Becken, im Maintal sowie im fränkischen Seenland, ebenso im Alpenvorland (Gedeon et al. 2014).
Lebensraum
Brutgebiet
Als Brutlebensraum dienen Rohrdommeln störungsarme Röhrichtbestände an Seen, Teichen und Flüssen. Diese müssen wasserdurchflutet und strukturreich sein. Dabei handelt es sich vor allem um mehrjährige Schilf- und Großseggenbestände mit Flachwasserbereichen. Diese finden sich vor allem in den Verlandungszonen von Seen, seltener auch an Fließgewässern. Auch Niederungsmoore, Fischteiche und Spülflächen können als Brutplatz dienen (Südbeck et al. 2005, Gedeon et al. 2014).
Zugweg und Überwinterungsgebiet
In Deutschland brütende Rohrdommeln sind vermutlich überwiegend Zugvögel, doch einige Ringfunde deuten auch auf einen Verbleib einiger Brutvögel über den Winter hin. Der Abzug der Jungvögel erfolgt bereits ab Juli, die Altvögel folgen von September bis November. Dabei ziehen die Rohrdommeln von Deutschland zumeist in westlicher und südlicher Richtung in ein Überwinterungsgebiet, das sich von England und den Niederlanden über Frankreich und Nord-Spanien sowie Italien erstreckt. Durch einen einzelnen Wiederfund eines in Ostdeutschland zur Brutzeit beringten Individuums ist auch ein Abwandern nach Südosteuropa belegt. Außerhalb der Brutzeit werden weitaus vielfältigere Lebensräume genutzt, darunter u.a. Reisfelder, Kiesgruben, Fischzuchtanlagen, Gräben und Kläranlagen. Der Heimzug erfolgt im Süden bereits ab Mitte Februar, sonst Anfang März bis Mitte Mai (Südbeck et al. 2005, Bairlein et al. 2014, Martínez-Vilalta et al. 2020).
Fortpflanzung/Biologie
Rohrdommeln erreichen die Geschlechtsreife wohl meist im zweiten Jahr. Es sind sowohl monogame als auch polygame Männchen bekannt, nicht selten besetzen auch Nichtbrüter Reviere. Die Rufperiode erstreckt sich von Mitte Februar bis Anfang Juni mit höchsten Aktivitäten um Sonnenauf- und -untergang. Das Nest wird allein durch das Weibchen bodennah, oberhalb des Wassers in Form einer Nestplattform im dichten Röhricht gebaut. Es erfolgt konstanter Ausbau mit Pflanzenmaterial der Umgebung. Es findet eine Jahresbrut statt, Nachgelege sind möglich. Die 5-6 Eier werden ab Anfang April, überwiegend Mitte April bis Anfang Mai, gelegt und für 25-26 Tage allein vom Weibchen bebrütet. Der Schlupf der Jungvögel erfolgt asynchron. Diese sind bereits ab der dritten Woche im Röhricht außerhalb des Nests anzutreffen, nach 4-5 Wochen auch in der weiteren Umgebung. Mit 50-55 Tagen sind die Jungvögel flügge und bald darauf selbständig (Südbeck et al. 2005, Bauer et al. 2012, Martínez-Vilalta et al. 2020).
Gefährdung
Die größte Gefährdung besteht durch die Zerstörung geeigneter Lebensräume, u.a. durch Gewässerausbau und Verbau, ebenso wie die Entwässerung von Niederungen, Verlandung und starke Grundwasserschwankungen. Fisch- und Schilfsterben durch Eutrophierung oder Gewässerverschmutzung kann zum Verlust als Brutlebensraum führen. Übererschließung und Freizeitaktivitäten führen zunehmend zu Störungen. Bei Überwinterung in Mitteleuropa führen Kältewinter zu natürlichen Verlusten (Bauer et al. 2012). Rohrdommeln weisen eine hohe Empfindlichkeit gegenüber akustischen Beeinträchtigungen auf. Bis zu welcher Entfernung Geräusche durch Windenergieanlagen zu einer Lebensraumentwertung führen könnten, ist bislang jedoch nicht bekannt (Langgemach & Dürr 2023). Die Rohrdommel wird auf der Artenliste des nationalen Artenhilfsprogramms des BfN als vom Ausbau der erneuerbaren Energien besonders betroffene Art geführt.
Schutz
Durch die Ausweisung von Ruhe- und Tabuzonen für die Rohrdommel können Störungen minimiert werden. Verbliebene Lebensräume sollten u.a. vor der Zerstörung durch Grundwasserabsenkungen und Drainage bewahrt werden. Durch die Wiederherstellung von Feuchtgebieten mit Schaffung geeigneter Flachwasserzonen und den Rückbau verbauter Uferbereiche können geeignete Habitate geschaffen werden. Das Einleiten von Umweltgiften oder Stickstoffverbindungen aus der Landwirtschaft sollte reduziert werden (Bauer et al. 2012).