Carabus variolosus - Gruben-Großlaufkäfer
Beschreibung
Landlebende Quellart - Wasserlebender Laufkäfer
Der Schwarze Grubenlaufkäfer ist eng an oft sehr kleinräumige, sumpfige Quelllebensräume in Wäldern gebunden und gehört zu den wenigen Großlaufkäfern, die eine halbaquatile Lebensweise führen. Die Art ist aufgrund ihrer einheitlich schwarzen Färbung und stark gerunzelten Flügeldecken in Deutschland unverwechselbar. Grubenlaufkäfer sind nachtaktiv und leben sehr versteckt. Die Käfer verbergen sich tagsüber meist am Ufer oder an sumpfigen Stellen und jagen nachts auch untergetaucht im flachen Wasser kleinere Wirbellose. Der Schwarze Grubenlaufkäfer ist der einzige mitteleuropäische Großlaufkäfer mit einer solchen Lebensweise. In der Roten Liste Deutschlands wird er als „vom Aussterben bedroht“ geführt.
Verbreitung
Die Vorkommen von Carabus variolosus nodulosus in Mitteleuropa gehören einer Unterart von Carabus variolosus an, von der in Deutschland aktuell nur wenige Funde aus Nordrhein-Westfalen und Bayern bekannt sind, historisch auch aus Baden-Württemberg und Niedersachsen. Der Gruben-Großlaufkäfer bewohnt sehr feuchte Lebensräume des Waldes und kommt vor allem in Eschen- und Erlen-Sumpfwäldern, in Uferbereichen und Sickerquellen, die von Grund- und Quellwasser geprägt sind, in Quellmooren sowie ferner in naturnahen Bachauen und Sümpfen vor. In Südostbayern werden auch Habitate in Hochmoorgebieten besiedelt.
Lebensraum
Schwarze Grubenlaufkäfer besiedeln fast ausschließlich rohbodenreiche, sumpfige Quellfluren, Quellrinnsale und Schwemmkegel mit stetiger Wasserführung an alten Waldstandorten, meist Erlen- und Eschenwäldern (prioritärer LRT 91E0* Anh. I FFH-Richtlinie) in niedrigen und mittleren Höhenlagen. Sie sind eng an solche Lebensräume gebunden und werden praktisch nie außerhalb davon gefunden. Die Art ist flugunfähig und gilt als sehr ausbreitungsschwach.
Fortpflanzung/Biologie
Die von April bis September/Oktober aktive Art reproduziert im Frühjahr. Das Prä-Imaginalstadium wird von Mai an beobachtet, ab Juli schlüpfen die Imagines, die vorwiegend in morschem Totholz überwintern. Sowohl die Larven wie auch die Käfer zeigen eine semi-aquatische Lebensweise und können unter Wasser jagen, wobei sich die Larven von Wasserkäferlarven, die Käfer von Wasserschnecken, Kleinkrebsen, Insektenlarven, Kaulquappen und auch kleinen Fischen ernähren.
Lokale Population
Abgrenzung der lokalen Population
Die Art besitzt ein nur sehr geringes Ausbreitungspotential (Matern et al. 2008, 2009) und viele Populationen weisen eine hohe genetische Eigenständigkeit auf (Matern et al. 2009, 2010). Daher sind alle Individuen eines nach Geländebeschaffenheit und Strukturausstattung räumlich klar abgrenzbaren Gebietes als lokale Population anzusehen. Eine Vernetzung von lokalen Beständen erscheint immer dann gegeben, wenn Lebensräume nicht weiter als einige hundert Meter voneinander entfernt und durch keine Barrieren getrennt sind. Als Barrieren oder starke Filter örtlicher Bewegungen dürften Siedlungen, verkehrsreiche, breitere Straßen und jegliche Offenlandbereiche (insbesondere Äcker) zu werten sein. Eine eher günstige Vernetzungssituation dürfte dagegen in geschlossenen Waldbeständen und insbesondere entlang von Waldbächen bestehen. Letztere dürften auch als Ausbreitungskorridore fungieren.
Gefährdung
Die Art hat erhebliche Flächenverluste durch die Zerstörung und Zerschneidung von Feuchtgebieten erlitten, durch Bachbegradigungen, Entwässerungen, die Anlage von Fischteichen und Quellfassungen. Auch durch Nadelholzanbau in den von ihr besiedelten Feuchtwäldern ging zum Teil Lebensraum verloren. Straßenbauten haben viele Flächen isoliert, und auch Forststraßen können die Hydrologie der Flächen verändern. Die als Tagesversteck und Winterquartier benötigten Totholzstrukturen im Uferbereich sind oft nicht in ausreichendem Umfang vorhanden. Durch den Klimawandel sind weitere Beeinträchtigungen durch verstärkte Grundwasserspiegel-Fluktuationen, intensivere und häufigere Starkniederschläge (Erosion, Sedimentfracht) etc. zu erwarten. Aufgrund ihrer Flugunfähigkeit ist die Art sehr ausbreitungsschwach, und die verbliebenen Restpopulationen sind vielfach hochgradig voneinander isoliert, so dass derzeit kaum noch ein (genetischer) Austausch zwischen ihnen stattfinden kann.
Gefährdungsursachen durch Land-, Forst-, und Fischereiwirtschaft
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Abholzung von Baumbeständen im Bereich der Lebensräume, selbst bei sofortiger Wiederaufforstung
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Drainierungsmaßnahmen
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Quelleinfassung
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Einrichtung von Fischzuchten (insbesondere Forellen) in Quellbereichen oder Wasserentnahme für unterhalb gelegene Fischzuchten
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Beeinträchtigung durch Pestizide (direkt und indirekt)
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Entnahme von Tot- und Altholz
Sonstige Gefährdungsursachen
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Verlust bzw. Degradierung kleinflächiger Teillebensräume durch Befahrung z.B. waldwirtschaftliche Maßnahmen und Gewässerräumungen
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Flächeninanspruchnahme durch Bau von Verkehrswegen (auch Forst-, Fuß- und Fahrradwege), Siedlungen, Gewerbe
Schutz
Der Erhalt aller noch bekannten Populationen und ihrer Habitate muss oberste Priorität haben. Gezielte Schutzmaßnahmen sind erforderlich und erfolgen durch Erhaltung und Wiederherstellung ausgedehnter grund- und quellwassergeprägter Wälder sowie Wiederherstellung sumpfiger naturnaher Uferbereiche von Waldbächen, sumpfiger Lichtungen und quellig-mooriger Röhrichte (Quellmoore) mit Waldkontakt. Ein wichtiger Schritt ist die notwendige Wiedervernetzung isolierter Populationen. Auch der rasch realisierbaren Erhaltung geeigneter Kleinstrukturen als Habitate (insbesondere Stubben, Alt- und Totholz) kommt eine große Bedeutung zur Stabilisierung bestehender Vorkommen zu.
Handlungsempfehlung
Handlungsempfehlungen und Hinweise zur Störungsminimierung
Nutzungsbedingte Beeinträchtigungen des Schwarzen Grubenlaufkäfers gehen vor allem von Forst- und Wasserwirtschaft aus. Um Beeinträchtigungen durch Bewirtschaftung zu verhindern bzw. zu minimieren, werden folgende Maßnahmen empfohlen:
Wasserwirtschaft
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Erhalt der natürlichen Quellhorizonte, insbesondere ausgedehnter Sickerquellen mit Gewährleistung einer ausreichend stabilen Wasserversorgung bzw. Quellschüttung; keine Ausleitung oder Entnahme
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Rückbau von alten Brunnen, Schächten und Leitungen in den Lebensräumen nur nach vorheriger Prüfung der resultierenden Abflusssituation.
Forstwirtschaft
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Sicherung/Erhalt der Beschattung der Lebensräume. Zusätzlich keine Holzentnahme (auch Totholz, Wurzelteller) in einem Pufferstreifen um die Lebensräume sowie entlang möglicher Vernetzungsstrukturen.
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In größeren Lebensräumen mit mehreren Grundstückseigentümern/Nutzern: Koordination der Holzentnahme zur Vermeidung vollständiger Rodungen.
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Auch bei Naturschutzprojekten nur äußerst schonende Umwandlung von Fichtenforsten in standorttypische Waldgesellschaften mit der Vermeidung großer Schlagflächen: nur anteilig kleinräumige Auflichtung, mit stets verschattet verbleibenden Lebensraumanteilen.
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Wiederaufforstung von potenziellen Lebensräumen und Entwicklung von Waldbeständen entlang möglicher Vernetzungstrassen (Bachläufe)
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Keine Drainierungen im Zusammenhang mit forstwirtschaftlichen Maßnahmen
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Keine Anlage von Kirrungen (insbesondere Schwarzwild) in der Nachbarschaft der Lebensräume
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Keine Ausbringung von Insektiziden in die Lebensräume. Bei Ausbringung von Insektiziden durch Luftfahrzeuge: Eintrag durch Verwehung durch Berücksichtigung genügend breiter Pufferzonen verhindern.
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Keine Inanspruchnahme von Lebensräumen durch Wegebau- oder Instandsetzungsmaßnahmen (inkl. Drainierung oder Abschneiden von Quellzuflüssen)
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Keine Entfernung von Totholz aus den Lebensräumen (Winterquartiere)
Sonstige
- Einträge (Pestizide) aus landwirtschaftlichen Flächen unterbinden (Anlage von bewaldeten Pufferstreifen)
Sonstige Maßnahmen
- Überprüfung kleiner Fischzuchten (Forelle) im Bereich der Quellköpfe; ggf. Rückbau der Anlagen.
- Aufgrund der genetischen Eigenständigkeit der Populationen Unterlassung von Ansiedlungsprojekten, Umsiedlungsaktionen oder sogenannten „Bestandsstützungen“.
- Erhalt von Kleinststrukturen wie Totholz und Wurzeltellern gestürzter Bäume.
Programme und Projekte
Finanzierungsinstrumente für Maßnahmen und Umsetzung von Managementplänen
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Internetseite des BfN zu Finanzierungsoptionen von Maßnahmen im Rahmen der FFH- und Vogelschutzrichtlinie
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Finanzierungsinstrument der EU zur Förderung von Umwelt- und Naturschutz-Projekten in Europa, LIFE+
Literaturhinweise
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