Coronella austriaca - Schlingnatter
Beschreibung
Jäger im Verborgenen
Die Schlingnatter besiedelt eine große Vielfalt offener bis halboffener, kleinräumig gegliederter Lebensräume.
Die in der Roten Liste Deutschland als gefährdet eingestufte Art zählt zu den ungiftigen Nattern und lebt sehr versteckt. Zu ihrer Beute zählen meist Eidechsen und Blindschleichen, Mäuse und in Einzelfällen auch Amphibien und nestjunge Vögel. Diese packt sie mit ihren Zähnen und umschlingt sie mehrfach mit ihrem Körper bis sie betäubt sind. Danach verschlingt sie ihre Beute mit dem Kopf voran, wobei sie ihr Maul beinahe auf 180° öffnen kann.
Die harmlose Schlingnatter wird durch ihre ähnlich scheinende Zeichnung häufig mit der giftigen Kreuzotter verwechselt. Ein wichtiges Unterscheidungsmerkmal sind die Pupillen, die bei der Schlingnatter rund und bei der Kreuzotter senkrecht geschlitzt sind.
Merkmale der Schlingnatter
Schlingnattern werden mitunter mit Kreuzottern verwechselt.
Lebensraum
Schlingnattern besiedeln trocken-warme, kleinräumig gegliederte Lebensräume, die sowohl offene, oft steinige Elemente (Felsen, Steinhaufen/-mauern), liegendes Totholz als auch niedrigen Bewuchs im Wechsel mit Rohbodenflächen, aber auch Gebüsche oder lichten Wald aufweisen.
In den nördlichen Verbreitungsgebieten stellen sandige Heidegebiete sowie Randbereiche von Mooren bzw. degenerierte Hochmoorkomplexe die wichtigsten Lebensräume für die Schlingnatter dar.
Kleinräumig gegliederte Lebensräume (Strukturvielfalt) ermöglichen den Tieren einen Wechsel zwischen Sonnenplätzen und Versteckmöglichkeiten.
Fortpflanzung/Biologie
Ökologie der Art
Die Schlingnatter besiedelt innerhalb Deutschlands regional unterschiedliche, wärmegetönte Lebensräume. Fast allen Lebensräumen ist eine mosaikartige Gliederung aus unterschiedlichen Lebensraumelementen mit einem kleinflächigen Wechsel von Offenland und Wald oder Gebüsch, sowie meist Felsen, Steinhaufen/-mauern, offenem Torf oder liegendem Totholz als Sonnenplätze bzw. Tagesverstecke gemeinsam. Der kleinräumige Wechsel zwischen kühleren Versteckmöglichkeiten und offenen Sonnenplätzen ermöglicht den Tieren die Regulierung ihrer Körpertemperatur.
Ihre Nahrung besteht aus anderen Reptilien, meist Eidechsen und Blindschleichen, Kleinsäugern und in Einzelfällen auch Amphibien, seltener nestjungen Vögeln und Eiern. Junge Schlingnattern fressen insbesondere kleine Eidechsen und Blindschleichen.
Vor allem in Gebieten, in denen großräumige naturnahe Schlingnatterlebensräume selten sind, haben Steinbrüche, Bahndämme und Straßenböschungen als Zufluchtsstätten bzw. Ausbreitungslinien eine große Bedeutung. Schlingnattern gelten als ausgesprochen standorttreu. In Einzelfällen sind aber auch Wanderstrecken von mehr als 6.000 m nachgewiesen (Käsewieter 2002).
Beschreibung des Lebenszyklus im Zusammenhang mit Landnutzungsaktivitäten
Nach der Winterruhe sind die ersten Schlingnattern ab Ende März/Anfang April zu beobachten. Schlingnatterweibchen pflanzen sich in Deutschland meist alle ein bis zwei Jahre fort. Die Paarung findet von April bis Mai statt. Im August und September werden dann zwischen 2 und 16 Jungtiere geboren. Schlingnattern sind im Gegensatz zu den meisten eierlegenden Reptilien lebendgebärend, d.h. die Jungtiere schlüpfen während des Geburtsvorgangs aus der dünnen Eihülle. Ab Ende September begeben sich die Schlingnattern in ihre Winterquartiere in frostfreier Tiefe in trockene Erdlöcher und Felsspalten oder in Trocken- und Lesesteinmauern. Während der Winterruhe sind Schlingnattern vor allem durch Zerstörung ihrer Winterquartiere durch Bodenbearbeitung (z.B. Rodungsarbeiten, Plaggen von Heide), Instandsetzung von Trockenmauern und Flurbereinigungsmaßnahmen (v.a. im Weinbau) gefährdet.
In ihrer aktiven Zeit wechseln die Tiere zur Regulierung ihrer Körpertemperatur zwischen den Sonn- und Versteckplätzen. Ihre oberirdische Aktivität liegt im Frühjahr und Herbst, in Abhängigkeit vom vorherrschenden Wetter, insbesondere der Temperatur, in der Tagesmitte. Im Sommer meidet die Schlingnatter zu hohe Temperaturen und kann auch ganztägig im Versteck bleiben. Daraus lässt sich die Empfehlung ableiten, dass eine Bewirtschaftung von Schlingnatterlebensräumen nur außerhalb der oberirdischen Aktivitätsphasen erfolgen sollte, d.h. bei sehr kühlem oder sehr heißem Wetter. Der Umbruch von Grünland, Brachen und Bereichen mit krautigem Bewuchs mit Schlingnattervorkommen verbietet sich, da die Schlingnattern sich in den oberen Bodenschichten (z.B. Kleinsäugerbaue) oder im Bewuchs versteckt halten.
Lokale Population
Abgrenzung der lokalen Population
Aufgrund der Nutzung traditioneller Tagesverstecke und Sonnenplätze können Schlingnattern als nahezu ortstreu eingestuft werden (Groddeck 2006). Daher sind alle Schlingnattern eines nach Geländebeschaffenheit und Struktur räumlich klar abgrenzbaren Gebietes als lokale Population anzusehen. Liegt dieses Gebiet mehr als 500 bis 2.000 m von dem nächsten besiedelten Bereich entfernt oder ist es von diesem durch schwer oder gar nicht überwindbare Hindernisse wie verkehrsreiche Straßen, stark bewirtschaftetes Ackerland u.ä. getrennt, ist von einer schlechten Vernetzung der Vorkommen und somit von getrennten lokalen Populationen auszugehen (Groddeck 2006). Völkl & Käsewieter (2003) geben durchschnittliche Wanderdistanzen zwischen 200 und 500 m an. Schmale Vernetzungselemente wie Bahndämme und Straßenböschungen können als Ausbreitungskorridore zwischen Populationen fungieren, auch wenn sie selbst keine optimale Lebensraumqualität besitzen. Sind keine geeigneten Winterquartiere im Sommerlebensraum vorhanden, können auch weitere Entfernungen überwunden werden, um geeignete Quartiere zu erreichen.
Gefährdung
Die Schlingnatter ist hauptsächlich durch Lebensraumzerstörung, Flächenverlust und Verinselung der Populationen gefährdet.
Land- und Forstwirtschaft
Folgende Bewirtschaftungsmaßnahmen der Land- und Forstwirtschaft sowie des Weinbaus können sich nachhaltig auf Vorkommen der Schlingnatter auswirken:
- Starke Gründlandnutzung mit häufiger Düngung
- Umwandlung von Grünland in Ackerland
- Aufforstung von Waldlichtungen und Unterpflanzung in lichten Wäldern (z.B. Douglasie in lichten Eichenwäldern)
- Zerstörung von Randzonen entlang von sonnenexponierten Waldsäumen (landwirtschaftliche Nutzung, Aufforstung)
- Nutzungsänderung oder -aufgabe auf Grenzertragsflächen (z.B. Magerrasen, Trockenrasen, Heiden, Moorrandbereiche) durch Aufforstung mit Fichten oder Kiefern
- Nutzungsaufgabe von Grenzertragsböden (Mager- und Trockenrasen) und darauf folgende Verbrachung und Verbuschung
- Beeinträchtigung durch Schädlingsvertilgungsmittel (direkt und indirekt)
- Bodenbearbeitung im Bereich von Winterquartieren
- Zerstören/Verfugen von Trockensteinmauern bei Weinberginstandsetzungen
- Verlust von Stilllegungsflächen
Sonstige
- Mahd von Randstreifen und Grabenböschungen entlang von Feld-, Forst- und Wanderwegen sowie Straßen während der Aktivitätsphase
- Beseitigung von als Unterschlupf benötigten Strukturen (Feldsteinhaufen, Totholz, Hecken)
- Verlust kleinräumiger Lebensraumelemente durch Befestigung, Versiegelung oder Beseitigung von Trockensteinmauern, Straßenböschungen, Bahndämmen, Hecken- oder Saumgehölzen, offenen Schutthalden oder Felsbildungen auf Magerrasen, oft in Verbindung mit einer Reduzierung des Beutetierangebotes
- Rebflurbereinigung
- Abtorfung von Mooren
- Verfüllung und/oder Rekultivierung, Aufforstung oder natürliche Wiederbewaldung nach Nutzungsaufgabe von Sekundärlebensräumen (Steinbrüche, Kies- und Sandgruben etc.)
- Bau, Betrieb und Instandhaltung von Verkehrswegen (Bahn, Straße, auch Fahrradwege)
- Bau von Siedlungen, Gewerbe
- Unsachgemäße Pflege von Heiden und Magerrasen (u.a. zu häufige oder zu frühe Mahd, Plaggen, Brennen)
- Unsachgemäße Wiedervernässungsmaßnahmen in Mooren während der Wintermonate
Erhaltungsmaßnahmen
Handlungsempfehlungen zur Erhaltung der lokalen Population der Schlingnatter
Nutzungsbedingte Beeinträchtigungen der Schlingnatter gehen vor allem von Land- und Forstwirtschaft sowie vom Weinbau aus. Um Beeinträchtigungen durch Bewirtschaftung zu verhindern bzw. zu minimieren, werden folgende Maßnahmen empfohlen:
Landwirtschaft
- Mit Balkenmähern arbeiten, um die Schlingnattern während der Mahd nicht zu verletzen
- Schnitthöhe von mind. 15 cm während der Aktivitätsphase (siehe Ökologie & Lebenszyklus) der Schlingnatter einhalten
- Säume und Böschungen als Restflächen stehen lassen
- Keine Stickstoffdüngung um eine Verstärkung des Aufwuchses und eine Veränderung von Kleinklima und Kleinstrukturen zu verhindern
- Die Paarungszeit und Tragzeit der Schlingnatter variieren von Jahr zu Jahr und regional so stark, dass keine feste Mahdzeit empfohlen werden kann
- Bei Beweidung Säume stehen lassen (Pflegemahd der Säume nur im Winter)
Weinbau
- Erhalt/Schaffung/Förderung von Krautsäumen durch Unterlassung der Anwendung von Herbiziden im Abstand von mind. 1,5 m von Mauerfuß und Mauerkrone (ggf. nötige Mahd dieser Säume nur im Winter)
- Erhalt der (Saum-)Strukturen (Beschaffenheit und Menge) bei Rebflurbereinigung
- Instandsetzung von Trockenmauern „nach altem Vorbild“ (kein Verfugen, kein Beton)
- Böschungen und Säume wenn möglich nur im Winter mähen, als Alternative hochsommerliche Mahd wechselnder Abschnitte (besonders, wenn die Wüchsigkeit des Standortes ein zusätzliches sommerliches Mähen erfordert) bzw. eine Mahd in den frühen Morgenstunden (vor 7 Uhr) oder bei nasskaltem Wetter, wenn eine oberirdische Aktivität der Tiere definitiv ausgeschlossen werden kann
- Freistellung/Offenhaltung von besiedelten Felsstandorten und Weinbergsbrachen
- Freistellung/Offenhaltung der Weinbergsmauern, dabei aber einen teilweisen Bewuchs von etwa 10 % als Versteckmöglichkeiten erhalten (Brombeere, Efeu).
- Gezieltes Ausbringen von Herbiziden am Boden anstatt flächenhafter Ausbringung per Hubschrauber, um krautige Saumstrukturen zu erhalten
Forstwirtschaft
- Sicherung/Erhalt bzw. Neuschaffung ausreichend breiter (10-20 m), gut besonnter und forstwirtschaftlich un- bzw. kaum genutzter, naturnaher (Wald-) Säume (wie Brandschutzschneisen oder Säume an Forstwegen) mit halboffenem Charakter als Verbreitungs-/Vernetzungselement
- Kleinräumige Kahlschläge (< 0,5 ha) fördern bzw. möglichst lange erhalten
- Keine Aufforstung von Offenland mit Vorkommen der Schlingnatter
- Keine Kirrungen (Ausbringen von Futter zum Anlocken von Wildschweinen) in Schlingnattergebieten
- Lichte Waldstrukturen fördern, indem bodenständige Lichtholzarten gepflanzt werden, keine (Unter-)Pflanzung mit Schattbaumarten (insbesondere Douglasie/Buche) stattfindet und möglichst die Naturverjüngung dieser Baumarten unterbunden wird
Allgemein gilt für bewirtschaftete Flächen
- Erhalt/Entwicklung von Hecken und (Klein-)Strukturen (z.B. Lesestein- und Knüppelholzhaufen)
- Keine an der Produktionsoptimierung ausgerichtete Grünlandnutzung
- Kein Grünlandumbruch
- Kein Einsatz von Forstmulchern, wenn unbedingt nötig, dann nur kleinflächig und abschnittsweise (Schlingnattern halten sich während der Aktivitätsphase oft in der Krautschicht auf, überwinternde Schlingnattern wurden teilweise unmittelbar unter der Grasnarbe gefunden) →Bodenverletzungen vermeiden!
Sonstige Maßnahmen
- Pflegemahd wenn möglich nur im Winter, als Alternative hochsommerliche Mahd wechselnder Abschnitte (besonders, wenn die Wüchsigkeit des Standortes ein zusätzliches sommerliches Mähen erfordert) bzw. eine Mahd in den frühen Morgenstunden (vor 7 Uhr) oder bei nasskaltem Wetter, wenn eine oberirdische Aktivität der Tiere definitiv ausgeschlossen werden kann
- Erhalt/Schaffung des Wechsels sonniger und beschatteter Bereiche (halboffene Lebensräume) u.a. auch an Bahn- oder Kanaldämmen und in Abbaugruben (Sand-, Kiesgruben, Steinbrüche)
- Offenhaltung und Entwicklung von Grenzertragsstandorten (z.B. Magerrasen, Trockenrasen, Heiden, Hochmoorrändern) und Waldrändern
- Erhalt von Kleinststrukturen wie Totholz, Baumstubben und Steinhaufen
- Berücksichtigung der Lebensraumansprüche, insbesondere der Kerngebiete/Schlüssellebensräume (Winterquartier, Brutplatz) bei der Pflege von Heide- und Hochmoorgebieten
Erhaltungszustand
- Atlantische Region: ungünstig - unzureichend
- Kontinentale Region: ungünstig - unzureichend
- Alpine Region: ungünstig - unzureichend
Programme und Projekte
Finanzierungsinstrumente für Maßnahmen und Umsetzung von Managementplänen
- Internetseite des BfN zu Finanzierungsoptionen von Maßnahmen im Rahmen der FFH- und Vogelschutzrichtlinie
- Finanzierungsmöglichkeit der EU zur Förderung von Umwelt- und Naturschutz-Projekten in Europa, LIFE+
In den Bundesländern gibt es unterschiedliche Förderprogramme, die genutzt werden können. Nachfolgend werden Beispiele genannt.
- Förderwegweiser von Agrarumweltmaßnahmen (AUM) des Bayerischen Staatsministeriums für Umwelt und Verbraucherschutz (StMUV): Vertragsnaturschutzprogramm (VNP/EA).
- Internetseite zu Artenhilfsprogrammen des Landesamtes für Umwelt, Wasserwirtschaft und Gewerbeaufsicht Rheinland-Pfalz
- Hessisches Programm für Agrarumwelt und Landschaftspflege-Maßnahmen (HALM)
Projekte im Internet
- Aktionsplan Biologische Vielfalt des Landes Baden-Württemberg, ein Baustein des Projektes ist der „111-Arten-Korb“. Die dort aufgeführten Arten kommen schwerpunktmäßig in Baden-Württemberg vor, deshalb hat das Land eine besondere Verantwortung für diese Arten. Unter den Reptilien sind neben der Schlingnatter auch Mauereidechse und Kreuzotter aufgeführt.
Literaturhinweise
Literaturhinweise zu Artenhilfsprogrammen
- Glandt, D. (1986): Artenhilfsprogramm Glatt- und Schlingnatter (Colubridae: Coronella austriaca). – Merkblätter zum Biotop- und Artenschutz Nr. 70, Landesamt für Ökologie, Landschaftsentwicklung und Forstplanung NW, Recklinghausen. 4 S.
- Ministerium für Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume des Landes Schleswig-Holstein (Hrsg.) (2008): Gemeinsam für Knoblauchkröte, Abendsegler & Co – Artenhilfsprogramm Schleswig-Holstein 2008. Ministerium für Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume des Landes Schleswig-Holstein, Kiel. 36 S.