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Bundesamt für Naturschutz

Dytiscus latissimus - Breitrand

Geschützt nach
Anhang II FFH-Richtlinie
Anhang IV FFH-Richtlinie
EU-Code
1081
Artengruppierung
Käfer
Status Rote Liste Deutschland
(Spitzenberg et al. 2016): 1 (Vom Aussterben bedroht)
Status Rote Liste Europa
(Foster 1996): * (Nicht gefährdet) in: Schweden, Finnland, Frankreich; 3 (Gefährdet) in: Dänemark, Tschechien; vom Aussterben bedroht in: Niederlande, Österreich, Schweiz; 0 (Ausgestorben) in: Italien, Luxemburg
Verantwortlichkeit
Daten ungenügend, evtl. erhöhte Verantwortlichkeit zu vermuten

Beschreibung

Auf der Jagd nach Köcherfliegen

Der Breitrand ist mit 44 mm Körperlänge der zweitgrößte Schwimmkäfer der Welt. Er kann bis zu drei Jahre alt werden. Larven und Käfer ernähren sich wie alle Schwimmkäfer räuberisch. Als Käfer frisst der Breitrand bevorzugt im Wasser lebende Insekten, z.B. Köcherfliegenlarven, Wasserwanzen und auch im Wasser liegendes Aas und kranke Fische. Die Art ist kein Fischräuber in gesunden Fischvorkommen und war in der Vergangenheit über ganz Deutschland verbreitet und nicht selten. Seit den 60iger Jahren des vorigen Jahrhunderts sind starke Rückgänge zu verzeichnen und die Art hat nur noch wenige kleinere Vorkommen im Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen und Bayern.

Verbreitung

In Europa hat diese Schwimmkäferart ihren Verbreitungsschwerpunkt in der borealen und kontinentalen sowie in Tallagen der alpinen Region. In Deutschland ist sie nach 1980 nur von 8 Fundorten bekannt. Es werden sowohl natürliche als auch anthropogene große Stillgewässer (z.B. Fischteiche, Torfstiche) mit Wasserpflanzen besiedelt.

Lebensraum

Der Breitrandkäfer besiedelt größere, möglichst nährstoffarme Stehgewässer (Seen und Teiche, auch Fischteiche), mit dichtem Pflanzenbewuchs an den Ufern und in der Flachwasserzone.

Kemeri Nationalpark in Lettland (Foto). Idealer Lebensraum des Breitrands. Flachsee mit ausgedehnten und gefluteten Röhrichtgürteln.

Fortpflanzung/Biologie

Ende März werden die Eier in lebende Stängel und Blätter von Wasserpflanzen abgelegt. Die Larven schlüpfen bald darauf und verpuppen sich bereits ca. 1,5 Monate später an Land z. B. in feuchten Erdhöhlen unter Moospolstern. Die erwachsenen Käfer schlüpfen ca. einen Monat später. Sie sind nachtaktiv und flugfähig und ernähren sich v. a. von Wasserinsekten.

Ökologie der Art

Der Breitrandkäfer besiedelt größere, möglichst nährstoffarme Stehgewässer (auch Fischteiche), mit dichtem Pflanzenbewuchs an den Ufern und in der Flachwasserzone. Sehr häufig liegen diese in Waldgebieten. Nach Nilsson & Holmen (1995) besiedelt die Art im Norden der skandinavischen Halbinsel überwiegend nährstoffreiche Seen, wohingegen sie im Süden eher nährstoffarme Gewässer bevorzugt. Bau (1888) erwähnt, dass die Art auch in langsam fließenden Flüssen gefangen wurde. So werden aus Polen auch alte Funde aus der Weichsel gemeldet. In Weißrussland und den Baltischen Staaten werden neben größeren Seen auch Altwässer der noch weitgehend naturbelassenen Flusssysteme besiedelt. Die Brutgewässer sollten über weite Strecken nicht tiefer als einen Meter sein und sehr breite und geflutete Röhrichtgürtel aufweisen. Die Art toleriert saures Wasser, benötigt aber zur Entwicklung dichte Bestände von Unterwasserpflanzen, Moosen und/oder Armleuchteralgen in Ufernähe. Die Größe des Gewässers sollte einen Hektar nicht unterschreiten.

Larven und Käfer ernähren sich wie alle Schwimmkäfer räuberisch. Als Käfer frisst der Breitrand bevorzugt im Wasser lebende Insekten, z.B. Wasserwanzen: Corixiden (Blunck 1923), im Wasser liegendes Aas und Wasserschnecken (Lymnaea stagnalis). Dass die Art, analog zum Gelbrand (Dytiscus marginalis) ein Fischräuber ist, wird bereits von Blunck (1918) bezweifelt und später (Blunck 1923) durch Aquarienversuche auch widerlegt. Die Larve ist auf die Jagd nach Larven und Puppen von Köcherfliegen (Trichoptera) spezialisiert (Blunck 1923, Holmen 1987). Neuere Laboruntersuchungen von Johansson & Nilsson (1992) und Scheleg (2009) haben dies bestätigt und außerdem gezeigt, dass die Larven von D. latissimus auch Wasserasseln und Larven von Eintagsfliegen fressen.

Der Breitrand wird nicht selten gemeinsam mit dem ebenfalls in der FFH-Richtlinie aufgeführten Schmalbindigen Breitflügel-Tauchkäfer (Graphoderus bilineatus) und dem Schwimmkäfer Cybister lateralimarginalis gefunden, die beide ähnliche Lebensraumansprüche aufweisen. Im Gegensatz zu G. bilineatus benötigt der Breitrand zur erfolgreichen Fortpflanzung aber Gewässer von über einem Hektar Ausdehnung (Hendrich & Balke 2005).

Beschreibung des Lebenszyklus im Zusammenhang mit Landnutzungsaktivitäten

Die Paarung der Tiere erfolgt im Herbst, die Eiablage ab März bis Mitte Mai im darauf folgenden Jahr. Die Larven entwickeln sich von März bis Juni und gehen dann zur Verpuppung an Land. Die zylindrischen, 7-8 mm langen weißlichen Eier wurden im Aquarium am Boden auf den Untergrund gelegt. In einem natürlichen Lebensraum werden sie jedoch höchstwahrscheinlich in noch lebende Blätter und Stängel von Wasserpflanzen gelegt, wie dies auch bei anderen Arten der Gattung der Fall ist (vgl. Wesenberg-Lund 1912, Blunck 1923, Klausnitzer 1996). Die Larvalentwicklung dauert ungefähr 1 bis 1,5 Monate. Die Larven finden sich an den gleichen Plätzen wie die Käfer; sie sind jedoch wesentlich stärker an pflanzenreiche und exponierte Standorte gebunden. Die Verpuppung erfolgt wie bei allen anderen Dytiscus-Arten in einer Erdhöhle unter Moosen, Hölzern und Steinen an Land.

Besonnte Uferabschnitte in Teilbereichen eines Gewässers sind insbesondere für die Larven sehr wichtig. Auf eine negative Veränderung ihres Lebensraums (Veralgung eines Gewässers, Beschattung) reagieren die Larven wesentlich empfindlicher als die Käfer, was sicherlich auch mit der höheren Spezialisierung beim Nahrungserwerb zusammenhängt. Viele Autoren (z.B. Reitter, Horion, Schaeflein, Klausnitzer) berichten, dass der Breitrand in der Vergangenheit in der Tschechischen Republik (Trebon, Südböhmen), Bayern, Thüringen und Sachsen beim herbstlichen Ablassen von Fischteichen alljährlich in großer Zahl gefangen wurde. Ferner konnte die Art in der Vergangenheit in Brandenburg in größeren Torfstichen (Steinhäuser 1935) sowie in Dänemark in Kies- und Kohlegrubengewässern nachgewiesen werden (Holmen 1993).

Lokale Population

Abgrenzung der lokalen Population

Die lokale Population ist stets auf das Gewässer des Einzelvorkommens und eine Randzone von 300 m beschränkt. Die Eiablage erfolgt ab März. Die Larven entwickeln sich von März bis Juni und gehen dann zur Verpuppung an Land. Für die Puppenruhe benötigen die Larven möglichst breite und ungestörte Uferabschnitte. Nach dem Schlupf muss der Jungkäfer in der Puppenwiege noch aushärten und erscheint dann ab Mitte Juli im Gewässer. Wie viele andere Schwimmkäfer auch, so sind die Käfer des Breitrands in der Nacht im Wasser besonders aktiv. Die Käfer können das ganze Jahr über im Wasser angetroffen werden und sind im Winter auch unter dem Eis aktiv. Bereits bei Bau (1888) wird erwähnt, dass die Art regelmäßig beim Eisfischen gefangen wird. In den Sommermonaten unternehmen die Tiere Schwarmflüge und wurden schon des Öfteren am Licht gefangen. Deshalb werden vereinzelt auch Tiere in Gewässern gefunden, in denen sie sich nicht fortgepflanzt haben. Weitergehende Aussagen zu den Themenkomplexen: jahreszeitlicher oder auch tageszeitlicher Lebensraumwechsel, Ausbreitungsvermögen und Wiederbesiedlungsvermögen können jedoch nicht gemacht werden.

Gefährdung

In genutzten Gewässern, stellt ein überhöhter Fischbesatz eine Gefahr dar. Beeinträchtigungen sind auch in der fischereilichen Nutzung (Ablassen, Kalken, Entkrauten u. a.) zu sehen. Eine Veränderung der Gewässer z.B. durch zunehmende Beschattung und Nährstoffeintrag kann sich negativ besonders auf die Käfervorkommen in Moor-Wiesen-Komplexen auswirken.

Gefährdungsursachen

Der Breitrand ist vor allem durch den Verlust nährstoffarmer Stillgewässer mit einer großen ungestörten Randzone gefährdet. Folgende Maßnahmen der Land- und Fischereiwirtschaft können sich nachhaltig auf Breitrandpopulationen auswirken:

Land- und Fischereiwirtschaft

  • Überdüngung von Gewässern in der Teichwirtschaft (Fischteiche, Weiher und Flachseen) durch Zufütterung
  • Große Verluste durch zu hohen Fisch- und Wasservogelbesatz
  • Ausbreitung des Sonnenbarsches als extrem aggressiver Räuber (speziell in Bayern)
  • Intensivierung der Landwirtschaft: Ausbringung von Düngemitteln in der Nähe von Gewässern, fehlende oder zu schmale Pufferzonen um die Gewässer, Einleitung von ungefilterten Abwässern aus Regenwasserleitern (Gräben, Drainagen) am Rande von Straßen in benachbarte Gewässer
  • Entwässerungsmaßnahmen und Entfernen von Pflanzenwuchs in Stillgewässern und an deren Rändern
  • Zu starke Beschattung der Ufer von Flachseen durch Gebüschaufwuchs, angrenzenden Wald und fehlende Nutzung, dadurch Rückgang der Röhrichtgürtel

Sonstige

  • Verlust nährstoffarmer, reich gegliederter Flachseen und Weiher
  • Verlust von überstauten Feuchtwiesen und sommertrockener Altarme in Flussauen
  • Verlandung/Versandung und Absenkung des Grundwasserspiegels, gerade im Umland von Ballungsgebieten (Berlin) und in den Tagebaugebieten der Lausitz und Oberlausitz (Brandenburg, Sachsen, Sachsen-Anhalt)
  • Wasserverschmutzung, Versauerung der Gewässer

Schutz

Für den Schutz der Art ist die Erhaltung großer, möglichst nährstoffarmer Seen und Teiche mit Wasserpflanzen wichtig. Da es nicht ausreicht, nur die derzeit sehr weit auseinander liegenden Vorkommen zu schützen, müssen verschiedene verbindende Seentypen und Weiher ebenfalls in das Schutzkonzept mit einbezogen werden.

Erhaltungsmaßnahmen

Handlungsempfehlungen zur Erhaltung der lokalen Population des Breitrands

Nutzungsbedingte Beeinträchtigungen des Breitrands können von der Fischerei- und Landwirtschaft ausgehen. Um Beeinträchtigungen durch Bewirtschaftung zu verhindern bzw. zu minimieren, werden folgende Maßnahmen empfohlen:

Landwirtschaft

  • Breite Pufferzone um mindestens die Hälfte der Uferzone eines Gewässer (> 300 m)
  • Verbesserung der Wasserqualität durch Reduzierung des Nährstoffeintrages

Fischereiwirtschaft

  • Gewässersanierung durch Abfischung (bes. bei Renaturierungsmaßnahmen)
  • Reduzierung der Fischbesätze in möglichen Brutgewässern
  • Keine künstliche Erhöhung des Raubfischbesatzes
  • Verbesserung der Wasserqualität durch Reduzierung des Nährstoffeintrages
  • Breitrandgerechte Teichwirtschaft: im Herbst Restwassermenge belassen, in der die Käfer überwintern können, keine Kalkung, keine Zufütterung
  • Förderung von Röhrichtgürteln und Flachwasserzonen (mind. 30-50 m Breite)

Sonstige Maßnahmen

  • Anlage temporärer, größerer Flachgewässer (Mindestgröße 10 ha)
  • Stabilisierung des Wasserhaushaltes in den betreffenden Landschaften
  • Schaffung von Retentionsflächen am Rande größerer Flüsse und Ströme
  • Erhalt großflächig unzersiedelter Feuchtgebiete auf niedrigem Nährstoffniveau
  • Erhalt verschiedener Seentypen und Weiher unterschiedlicher Entwicklungsstufen in einem Gebiet

Erhaltungszustand

  • Kontinentale Region: ungünstig - schlecht

Programme und Projekte

Finanzierungsinstrumente für Maßnahmen und Umsetzung von Managementplänen

Internetseite des BfN zu Finanzierungsoptionen von Maßnahmen im Rahmen der FFH- und Vogelschutzrichtlinie

Finanzierungsinstrument der EU zur Förderung von Umwelt- und Naturschutz-Projekten in Europa, LIFE+

 

Literaturhinweise

verändert nach:
Hendrich, L. und Balke, M. (2003): Dytiscus latissimus Linnaeus, 1758. In: Petersen, B., Ellwanger, G., Biewald, G., Hauke, U., Ludwig, G., Pretscher, P., Schröder, E., und Ssymank, A. (Bearb.): Das europäische Schutzgebietssystem Natura 2000. Ökologie und Verbreitung von Arten der FFH-Richtlinie in Deutschland. Band 1: Pflanzen und Wirbellose. - Bonn-Bad Godesberg (Landwirtschaftsverlag) - Schriftenreihe für Landschaftspflege und Naturschutz 69(1): 378-387.

Autor*in

Kontaktinformationen für weitere Auskünfte und Hilfestellungen

Für weitere Hinweise zur Art und Hilfestellungen für die Bewirtschaftung der Lebensräume wenden Sie sich bitte an die für Sie zuständige Naturschutzbehörde in Ihrer Region.

Experten

Dr. Lars Hendrich
Zoologische Staatssammlung München
Münchhausenstraße 21
81247 München

Autoren

Lars Hendrich, Jörg Gebert

Unter Mitarbeit von

Thorsten Aßmann, Jörn Buse, Andrea Matern, Thomas Müller, Matthias Simon

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