Öffnet eine externe Seite Link zur Startseite

Bundesamt für Naturschutz

Eptesicus nilssoni - Nordfledermaus

Geschützt nach
Anhang IV FFH-Richtlinie
EU-Code
1313
Artengruppierung
Fledermäuse
Status Rote Liste Deutschland
(Meinig et al. 2020): 3 (Gefährdet)
Status Rote Liste Europa
(Temple & Terry 2007): LC (Nicht gefährdet)
Verantwortlichkeit
(Meinig et al. 2020): Allgemeine Verantwortlichkeit

Beschreibung

Das Nordlicht unter den Fledermäusen

Die Nordfledermaus ist eine mittelgroße Fledermausart, die in Deutschland relativ selten nachgewiesen wird. Sie besiedelt hauptsächlich waldreiche Höhenlagen der Mittelgebirge und ist die einzige Fledermausart in Europa, deren Verbreitungsgrenze bis nördlich des Polarkreises reicht. In Schweden und Finnland ist die Nordfledermaus vor allem in Siedlungen die häufigste Fledermausart.
Die Wochenstubenquartiere befinden sich häufig in Spalten hinter Wandverkleidungen und Zwischendächern von Häusern. In der Umgebung der Wochenstubenquartiere dominieren zumeist gewässerreiche Wälder. Die Jagdgebiete liegen im Bereich von Bächen und Stillgewässern, aber auch entlang von Waldrändern, in Wäldern und Siedlungen.
Die Nordfledermaus ernährt sich ausschließlich von fliegenden Insekten, wobei Zuckmücken und andere größere Mücken, Schnaken und Fliegen den Hauptbestandteil der Nahrung ausmachen. Im Frühjahr und Herbst jagen die Tiere überwiegend Nachtschmetterlinge, gerne im Bereich von Straßenlaternen.

Merkmale der Nordfledermaus

Die Nordfledermaus ist eine mittelgroße Fledermausart mit dunkelbraunem Fell und goldglänzenden Haarspitzen sowie einer hell gelblichbraunen oder grauen Bauchseite. Sie kann mit der Breitflügel- und der Zweifarbfledermaus verwechselt werden.

Lebensraum

Die bevorzugten Lebensräume der Nordfledermaus sind waldreiche, mit verschiedenen Freiflächen wie Lichtungen, Forstschneisen oder Gewässern durchsetzte Gebiete (Meschede & Heller 2000, Rydell 1990, Steinhauser 1999). Die Verbreitung der Nordfledermaus ist, aufgrund der Quartierwahl an Gebäuden, von der Bindung an Siedlungen geprägt. Während der Jungenaufzucht befinden sich die Jagdgebiete in der nahegelegenen Umgebung der Quartiere, für gewöhnlich in gewässerreichen Nadel- und Laubwäldern, teilweise auch in Kiefernmonokulturen (de Jong 1994, Steinhauser 1999). Dabei wird an Seen und Bächen, ebenso wie über Hochmoorflächen, Wiesen, entlang von Alleen, Waldrändern und in Siedlungen an Straßenlampen gejagt (de Jong 1994, Moeschler & Blant 1990, Rydell 1991). Erst im Spätsommer liegen die Jagdgebiete teilweise 15 km und mehr entfernt (Rydell 1989).

Fortpflanzung/Biologie

Ökologie der Art

Die Nordfledermaus ist eine typische gebäudebewohnende Fledermaus, deren Wochenstubenquartiere sich größtenteils in Zwischendächern und Wandverkleidungen, in Spalten an Gebäuden und häufig im Bereich von Kaminverkleidungen sowie Dachfirsten befinden (Gerell & Rydell 2011, Ohlendorf 1989). Nur sehr selten werden Wochenstuben in Baumhöhlen und Nistkästen gefunden (Lutz Mühlethaler & Mühlethaler 2010, Markovets et al. 2004, Steinhauser 1999). In der Umgebung der Wochenstubenquartiere überwiegen in der Regel gewässerreiche Nadel- und Laubwälder.

Die Jagdgebiete befinden sich während der Wochenstubenzeit in der Nähe (im Umkreis von 400 m bis 1.200 m) der Wochenstubenquartiere (Rydell 1989), können aber auch bis zu 10 km entfernt liegen (Steinhauser 1999). Nach der Jungenaufzucht legen die erwachsenen Tiere Strecken von bis zu 30-40 km Entfernung zu den Jagdgebieten zurück (de Jong 1994, Rydell 1989). Diese befinden sich hauptsächlich in waldreichen Gebieten mit eingestreuten Freiflächen (Forstschneisen, Lichtungen, Wiesen), entlang von Gehölzstreifen und Gebäuden, sowie an kleinen offenen Bereichen und Gewässern, die von Bäumen umgeben sind (Meschede & Heller 2000, Rydell 1990). 

Nordfledermäuse jagen ausschließlich fliegende Insekten, wobei den Hauptbestandteil der Nahrung Zuckmücken und größere Zweiflügler (andere Mücken, Schnaken und Fliegen) stellen (Beck 1995, Steinhauser 1999). Im Frühjahr und Herbst jagen die Tiere überwiegend Nachtschmetterlinge an Straßenlaternen. Dabei werden größere Insektenschwärme umkreist und die Insekten im Sturzflug erbeutet (Rydell 1990, 1992, 1993).Die Nordfledermaus fliegt bei der Jagd mit 20 km/h (maximal 30 km/h) und bewegt sich während des Jagdfluges überwiegend in 5-10 m Höhe (Rydell 1986, 1993). Häufig benutzt sie gewohnte Flugrouten, um in die Jagdgebiete zu gelangen. Die Nahrung wird in raschem und wendigem Flug entlang von sogenannten Leitelementen wie Hecken, Baumreihen oder Waldrändern erbeutet. Im freien Luftraum in einer Höhe von 2-50 m, vorzugsweise an Straßenlaternen und bis über die Baumkronen wird ebenfalls gejagt (Rydell 1990, 1992, 1993, Steinhauser 1999). 

Bisher wurde, aufgrund der Ringwiederfunde, bei der Nordfledermaus von einer relativ ortstreuen Art ausgegangen. Allerdings konnten vereinzelt schon Entfernungen zwischen Fang und Wiederfundort von 100 bis 450 km nachgewiesen werden (Tress 1994). Es ist zudem bekannt, dass die Art teilweise große Wasserflächen überfliegt, wie mehrere Funde auf den Färöer Inseln und auf Ölplattformen in der Nordsee belegen. Sie deuten auf ein zumindest vereinzelt stattfindendes Wanderverhalten hin (Dietz et al. 2007). Trotzdem scheinen nicht generell saisonal gerichtete Wanderungen zwischen den Wochenstuben- und den Überwinterungsgebieten stattzufinden. Die Nordfledermäuse streifen offenbar im Frühjahr und Spätherbst über große Strecken umher (Tress 1994). 

Winterquartiere der Nordfledermaus befinden sich zumeist in vergleichsweise kühlen und trockenen unterirdischen Kellern, Stollen oder in Höhlen, mit Temperaturen von 0-5°C, in denen sich die Tiere überwiegend in Spalten verstecken oder seltener frei hängen (Ohlendorf 1987). 

Das nachgewiesene Höchstalter der Art liegt bei 22 Jahren (Steffens et al. 2004).

Beschreibung des Lebenszyklus im Zusammenhang mit Landnutzungsaktivitäten

Nach dem Winterschlaf beziehen die Nordfledermäuse im April bis spätestens im Mai die Wochenstubenquartiere. Die Paarung erfolgt normalerweise bereits im vorausgegangenen Herbst oder Winter. In der Zeit der Schwangerschaft und der Jungenaufzucht leben Männchen und Weibchen voneinander getrennt. Die Männchen verbringen den Sommer einzeln. Die Weibchen finden sich in Gruppen, den Wochenstuben mit meist 10-100 (Gerell & Rydell 2011, Rydell 1993), im Einzelfall sogar bis zu 140 Weibchen zusammen (Morgenroth 2004). Die Geburten finden von Mitte Juni bis Ende Juli statt. Meistens wird ein Jungtier pro Weibchen geboren, Zwillingsgeburten kommen selten vor. Die Jungtiere wachsen sehr schnell heran und starten bereits nach drei Wochen erste Jagdversuche (Rydell 1993). Im Spätsommer lösen sich die Wochenstuben auf. Einzelne erwachsene Männchen und Weibchen finden sich nun zu Paarungsgruppen zusammen. Die Paarung findet vermutlich ab dem Spätsommer in Paarungs- und in den Winterquartieren statt. Ab November/Dezember bezieht die Nordfledermaus einzeln oder in kleinen Gruppen von 2-4 Tieren ihre meist unterirdischen Winterquartiere (Rydell 1993). 

Besonders in der Zeit der Jungenaufzucht benötigt die Nordfledermaus ein großes Nahrungsangebot und folglich nahrungsreiche Jagdgebiete. Da sie zur Jagd gerne sehr kleine Gebiete in gewässerreichen Wäldern, Hochmoorflächen, Wiesen und Waldränder nutzt, besteht ein besonderer Zusammenhang des Lebenszyklus mit der forstwirtschaftlichen Nutzung. Da sich die Nordfledermaus bei der Jagd stark an Leitelementen wie Waldrändern oder Hecken orientiert, kann forstwirtschaftliche Nutzung, die z.B. stufenreiche Waldränder reduziert, zu Beeinträchtigungen führen. Das Trockenlegen von Gewässern und Feuchtgebieten in Wäldern beeinflusst den Insektenreichtum negativ und hat somit ebenfalls Auswirkungen auf die Attraktivität der Jagdgebiete dieser Art. Durch den Einsatz von Insektiziden bei der Bekämpfung von Forstschädlingen wie dem Maikäfer oder dem Prozessionsspinner wird nicht nur der Insektenreichtum minimiert, sondern es führt ebenfalls zu einer Anreicherung der Giftstoffe in den Fledermäusen und damit langfristig zu einer Vergiftung der Tiere (Braun 1986).

Die landwirtschaftliche Nutzung kann durch den Umbruch von Wiesen in Ackerland, Insektizid- und Herbizideinsatz oder das Zusammenlegen kleiner Ackerparzellen zu großen Bewirtschaftungseinheiten und dem damit verbundenen Wegfall von Kleingewässern, Säumen und Hecken zu einer Beeinträchtigung der Jagdgebiete führen.

Lokale Population

Abgrenzung der lokalen Population

Die Abgrenzung der lokalen Population erfolgt nach Gruppen von Fledermäusen, die in einem lokalen Maßstab eine räumlich abgrenzbare Funktionseinheit (zu bestimmten Jahreszeiten) bilden, die wiederum für die Art von Bedeutung ist. 

Als lokale Population der Nordfledermaus ist im Sommer die Wochenstube anzusehen. Meist liegt die Koloniegröße bei 10-100 (Gerell & Rydell 2011, Rydell 1993), manchmal sogar bis zu 140 Weibchen (Morgenroth 2004). Die Wochenstuben sind im Grundsatz einfach gegeneinander abgrenzbar und werden von Dietz & Simon (2006) als Grundeinheit bei der Bewertung des Zustandes von Populationen angesehen. Bei der Nordfledermaus wurde gelegentlich ein kleinräumiger Wechsel zwischen verschiedenen Wochenstubenquartieren beobachtet (Dietz et al. 2007). Nutzt eine Wochenstube mehrere Quartiere, so bezeichnet man die Gesamtheit der genutzten Quartiere als Quartierverbund. Im Regelfall ist dieser räumlich klar abgrenzbar (z.B. innerhalb einer kleinen Ortslage). Alle Individuen eines solchen Verbundes sind demnach als Angehörige einer lokalen Population anzusehen. Aufgrund der Nutzung solcher Quartierverbunde und der versteckten Lebensweise der Tiere, ist eine Ermittlung der Koloniegröße als lokale Population in der Regel nur durch eine fachgutachterliche Untersuchung möglich. 

Neben den Wochenstuben sind im Sommer die Männchenvorkommen und im Spätsommer Gruppen von Männchen und Weibchen in Paarungsquartieren als lokale Population anzusehen. Diese sind meist verstreut verteilt und lassen sich aufgrund fehlender Kenntnisse der Quartiere nur schwer als lokale Population abgrenzen. Häufig ist die Abgrenzung nur über die Ermittlung geeigneter Lebensräume (z.B. alle Individuen einer Ortslage) möglich.

Im Winter ziehen sich die Tiere einzeln oder in kleinen Gruppen in die Winterquartiere zurück. Da sich Tiere verschiedener Kolonien in einem Winterquartier versammeln können, entspricht die lokale Population im Winter nicht mehr der sommerlichen lokalen Population. Winterquartiere können sowohl während eines Winters, als auch im Verlauf der Jahre gewechselt werden. Daher bezieht sich je nach Winterquartiervorkommen die Abgrenzung der lokalen Population punktuell auf das einzelne Winterquartier oder auf den Raum eng (Entfernung etwa < 100 m) beieinander liegender Winterquartiere.

Gefährdung

Die Nordfledermaus scheint in erster Linie durch Gebäudesanierungen, die besonders die Wochenstuben dieser Fledermausart betreffen, gefährdet zu sein (Dietz et al. 2007, Morgenroth 2004). Trotzdem sollen hier aktuelle Faktoren, die durch Eingriffe in Natur und Landschaft die Jagdgebiete und/oder Quartiere beeinflussen, Berücksichtigung finden.

Land- und Forstwirtschaft

  • Lebensraumverlust durch Zusammenlegung von landwirtschaftlichen Flächen zu größeren Äckern, die zum Verschwinden von Hecken und Säumen führen und kleinräumig gegliederte, insektenreiche Kulturlandschaften (in der Umgebung von Gewässern) zerstören
  • Der Einsatz von Insektiziden und Herbiziden in der Landwirtschaft reduziert die Nahrungsgrundlage der Nordfledermaus und vergiftet die Tiere durch Anreicherung der Giftstoffe in ihren Körpern
  • Verringerung der Insektenvorkommen durch Medikamenteneinsatz in der Viehhaltung (Entwurmung von Weidevieh) (vgl. Petermann 2011)
  • Lebensraum- und Jagdgebietsverlust durch Verbrachung und Aufforstung von Auenwiesen
  • Jagdgebietsverlust durch Trockenlegung von Feuchtgebieten und Gewässern in Wäldern und im Offenland
  • Verschlechterung des Lebensraumes durch Reduktion natürlicher oder naturnaher Wälder (auch Nadelwälder und Altholzbestände) durch großflächige, intensive Hiebmaßnahmen und durch Aufforstung mit nicht standortheimischen Baumarten (z.B. Douglasie (Goßner 2004)), die zu einer Verarmung der Artengemeinschaft (z.B. Insekten und Spinnen) führen
  • Verlust von Jagdgebieten und Flugrouten durch Reduktion natürlicher oder naturnaher Waldränder
  • Verschlechterung des Lebensraumes durch Entnahme von stehendem Alt- und Totholz (z.B. potenzielle Höhlenbäume) aus naturnahen Auenwäldern und Feuchtwäldern
  • Lebensraumverlust durch Aufforstung bestehender, kleinflächig eingestreuter Freiflächen im Wald (z.B. Ruderalflächen und Waldwiesen)

Sonstige

  • Renovierungs- und Sanierungsarbeiten an Gebäuden, die zu Verlusten von Quartieren und Quartiermöglichkeiten führen
  • Direkte Verfolgung oder Quartierverlust durch Verschluss von Quartieren, wegen besonderer Abneigung gegenüber Ansammlungen von Fledermäusen oder deren Exkrementen
  • Beeinträchtigung des Quartiers durch Anstrahlen der Ein- und Ausflugöffnungen (häufig z.B. an historischen Gebäuden mit Nordfledermauskolonien) und durch Lichtanlagen in Winterquartieren (z.B. Dauerbeleuchtung)
  • Beeinträchtigung von Quartieren durch die Anlage von Radwegen in alten, nicht mehr genutzten Eisenbahntunneln, die als Winterquartiere, im Sommer aber auch als Männchen- oder Paarungsquartiere genutzt werden können (Meinig et al. 2009)
  • Verlust von geeigneten Winterquartieren (Bergwerke, Stollen) durch nicht fachgerechten Verschluss der Eingänge als Sicherungsmaßnahme
  • Jagdgebietsverlust durch Reduzierung insektenreicher Landschaftsbestandteile (Feldgehölze, Säume, Brachen und Baumreihen)
  • Verlust von Jagdgebieten durch Reduktion natürlicher oder naturnaher, breiter Gewässerrandstreifen mit Ufergehölzen
  • Jagdgebietsverlust durch großflächige Siedlungserweiterungen/ Versiegelungen, wenn dabei Wiesen und offene Bachläufe verloren gehen
  • Anreicherung von Giftstoffen im Körperfett der Nordfledermaus durch mit Schadstoffen und Schwermetallen wie Quecksilber und Cadmium belastete Nahrung (z.B. Zuckmücken)
  • Verluste an Windkraftanlagen durch direkte Kollision mit den Rotorblättern und Schädigung durch starke Druckveränderungen im Einflussbereich der Rotoren (Baerwald et al. 2008) möglich

Erhaltungsmaßnahmen

Handlungsempfehlungen zur Erhaltung der lokalen Population der Nordfledermaus

Um Beeinträchtigungen der Nordfledermaus durch land- und forstwirtschaftliche Bewirtschaftung zu verhindern oder zu minimieren, werden folgende Maßnahmen empfohlen:

Landwirtschaft

  • Erhaltung/Entwicklung kleinräumig gegliederter Kulturlandschaften mit kleinen Ackerparzellen, breiten blütenreichen Säumen, Kleingewässern, Brachflächen, Hecken und Feldgehölzen, die einen großen Insektenreichtum bieten
  • Erhaltung und Förderung von Weiden, Wiesen, insbesondere auch Mäh-, Berg- und Waldwiesen
  • Aufrechterhaltung der Nutzung von Obstbaumgürteln und Streuobstwiesen in Siedlungsnähe als Jagdgebiete und verbindende Landschaftselemente in der Kulturlandschaft
  • Minimierung des Insektizid- und Herbizideinsatzes in der Landwirtschaft zur Sicherung der Nahrungsgrundlage der Nordfledermaus
  • Erhaltung des Nahrungsangebotes der Nordfledermaus durch die Verringerung/Vermeidung des Einsatzes von Entwurmungsmitteln in der Weideviehhaltung wie z.B. durch (vgl. Petermann 2011):
    • Verringerung/Verzicht auf den Gebrauch von Entwurmungsmitteln durch Verringerung des Parasitendrucks (u.a. durch Weiderotation, Hygiene in der Herde, Umgebung und im Viehstall, Parasitenmonitoring), Mähen von Weiden und durch die Erhaltung der Tiergesundheit (Nutzung natürlicherweise resistenterer Tierrassen, gemischte Herden, niedrige Besatzrate von < 1 GVE/ha)
    • Verzicht auf den Einsatz von Entwurmungsmitteln (Avermectinen) in einem 1,5 km-Umkreis um Wochenstubenquartiere herum, um die Jagdgebiete junger Fledermäuse zu schützen
    • Förderung der Anwendung nicht-chemischer Behandlungsmethoden wie z.B. Kieselalgenerde oder pflanzliche Ergänzungsmittel
    • Sofern kein Verzicht auf Entwurmungsmittel erfolgt: Anwendung gering toxischer Mittel (keine Bolusgaben, d.h. Verzicht auf die Gabe eines einmalig verabreichten Entwurmungsmittels, das über einen Zeitraum von mehreren Monaten kontinuierlich seine Wirkstoffe an das Tier abgibt), Medikamentengabe außerhalb der Insektenhauptflugzeit (keine Behandlung mit Entwurmungsmitteln zwischen 1. März und 31. August), einmonatige Stallhaltung der Tiere nach der Behandlung

Forstwirtschaft

  • Erhaltung und Förderung von natürlichen bzw. naturnahen, vielfältigen Waldrändern und Waldinnenrandbewuchs mit heimischen Arten (auch entlang von Waldwegen, Schneisen, Trassen) als Jagdgebiete
  • Erhaltung und Förderung von Hecken und Feldgehölzen mit Waldanschluss als Leitelemente und zur besseren Verbindung von Quartier und Jagdgebiet
  • Naturnahe Waldwirtschaft mit Prozessschutz und langen Umtriebszeiten zur Sicherung ausreichender Quartiermöglichkeiten
  • Erhaltung/Entwicklung natürlicher und naturnaher Stillgewässer und Feuchtflächen in Wäldern und im Offenland zur Verbesserung des Nahrungsangebotes
  • Erhaltung bestehender, kleinflächig eingestreuter Freiflächen (z.B. Waldwiesen und Ruderalflächen) in Wäldern → keine Aufforstung dieser Flächen
  • Verzicht auf Insektizideinsatz in der Forstwirtschaft in Wäldern mit Vorkommen der Nordfledermaus

Wenn in Ausnahmefällen baumhöhlenbewohnende Kolonien bzw. Quartiere in Baumhöhlen bekannt sind:

  • Kennzeichnung und Erhaltung von Quartierbäumen
  • Aufbau eines Netzes von potenziellen Höhlenbäumen, die die aktuellen Quartierbäume in Zukunft ersetzen sollen und daher forstwirtschaftlich nicht genutzt werden
  • Erhaltung von Höhlenbäumen, Tot- und Altholz (mind. 20 Bäume mit geeigneten Quartiermöglichkeiten wie Specht- und Fäulnishöhlen, Stammrisse, starke Zwiesel, etc. oder 10 Spechthöhlen pro Hektar) (Ausnahme: Wegesicherung)
  • Zusätzlich zur Anreicherung von Baumhöhlenvorkommen auf der ganzen Fläche, Entwicklung von Altholzparzellen (ab 140 Jahre) auf 10 % der Waldfläche mit Übernahme in die Forsteinrichtungsplanung

Sonstige Maßnahmen

  • Erhaltung/Neuschaffung von Quartieren in und an Gebäuden zur Verbesserung der Quartiermöglichkeiten (vgl. Dietz & Weber 2000)
  • Vermeidung der Zerstörung von Quartieren durch Abriss, Sanierung, Dämmung → wenn Vermeidung nicht möglich, Ersatz durch Quartiermöglichkeiten an angrenzenden Gebäuden
  • Bevorzugte Fassadengestaltung mit Schiefer, Dacheindeckung mit Holzbetonpfannen und Unterdach, sowie Verkleidung von Schornsteinköpfen
  • Schutz der Kolonien durch Verwendung fledermausfreundlicher Holzschutzmittel bei Gebäudesanierungen.
  • Akzeptanzsteigerung bestehender Fledermausvorkommen in der Bevölkerung durch Quartierbetreuung und Öffentlichkeitsarbeit durch Fledermaussachverständige
  • Erhaltung/Entwicklung naturnaher Gewässer im Bereich von Wäldern zur Sicherung der Nahrungsgrundlage
  • Erhaltung und Neuanlage von Hecken, Gehölzsäumen und Streuobstwiesen als verbindende Elemente von Teillebensräumen
  • Erhaltung von Auen und offenen Tälern in den Mittelgebirgsbereichen
  • Erhaltung/Entwicklung natürlicher und naturnaher Gewässerverläufe mit breiten Gewässerrandstreifen (mehr als 5 m) mit Baum- und Gehölzbewuchs zur Verbesserung des Nahrungsangebotes
  • Zulassen der Einrichtung von Fahrradwegen in Eisenbahntunneln nur dann, wenn diese nachweislich nicht von Fledermäusen als Quartier (Sommer-, Winter- oder Paarungsquartier) genutzt werden
  • Erhaltung bzw. fledermausgerechte Öffnung geeigneter Gebäude und Winterquartiere 
  • Schutz von Winterquartieren (Gruben, Stollen usw.) vor Störungen im Winter, Sicherung durch geeignete Türen (Einflugspalten, quer verlaufende Gitterstäbe)
  • Berücksichtigung der Fledermäuse bei der Planung von Windkraftanlagen und gegebenenfalls zeitweise Abschaltung

Erhaltungszustand

  • Atlantische Region: unbekannt
  • Kontinentale Region: ungünstig – unzureichend
  • Alpine Region: günstig

Programme und Projekte

Finanzierungsinstrumente für Maßnahmen und Umsetzung von Managementplänen

  • Internetseite des BfN zu Finanzierungsoptionen von Maßnahmen im Rahmen der FFH- und Vogelschutzrichtlinie
  • Finanzierungsmöglichkeit der EU zur Förderung von Umwelt- und Naturschutz-Projekten in Europa, LIFE+

Projekte im Internet

  • "Artenhilfsprogramm Fledermäuse und Höhlenbäume" des Landes Schleswig-Holstein zur Reduzierung des Bestandsrückgangs der Fledermäuse durch Schaffung und Sicherung günstiger Lebensräume für die verschiedenen Arten.
  • Initiative "Artenschutz im Steigerwald". Verschiedene Initiativen zur Erhaltung, Optimierung, Neuschaffung von Quartieren, Jagdgebieten usw. für Fledermäuse.
  • Artenhilfsprogramm "Hauptstadt der Fledermäuse" der Stadt Berlin. Schaffung und Erhaltung von Quartieren, vor allem Winterquartieren, und Versorgung von Findlingen.
  • Artenhilfsprogramm Fledermaus des Bayrischen Landesamtes für Umwelt zur Erhaltung und Entwicklung von Fledermausquartieren an Gebäuden.

Literaturhinweise zu Artenhilfsprogrammen

  • Brinkmann, R. (2006): Artenschutz im Innenbereich - Berücksichtigung von Fledermäusen bei der Sanierung und Nutzung alter Bauwerke und in der Bauleitplanung. Naturschutz-Info Baden-Württemberg 2/2006, 3/2006: 33-35.
  • Hammer, M. (2002): Fledermäuse in der Stadt Hof - Kontrolle potenzieller Sommerquartiere. Praktische Maßnahmen zum Schutz und zur Wiedereinbürgerung von Fledermäusen in der Stadt Hof. Bund Naturschutz in Bayern e.V. - Kreisgruppe Hof, Hof.
  • Meschede, A. & Rudolph, B.-U. (2010): 1985-2009: 25 Jahre Fledermausmonitoring in Bayern. UmweltSpezial Arten- und Lebensraumschutz. Bayerisches Landesamt für Umwelt, Augsburg.
  • Ministerium für Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume des Landes Schleswig-Holstein (2008): "Gemeinsam für Knoblauchkröte, Abendsegler & Co." - Artenhilfsprogramm Schleswig-Holstein 2008. Ministerium für Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume des Landes Schleswig-Holstein, Kiel.
  • Reiter, G. & Zahn, A. (2006): Leitfaden zur Sanierung von Fledermausquartieren im Alpenraum. Bayerisches Staatsministerium für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz, Abteilung Naturschutz und Landschaftspflege, München.

Autor*in

Kontaktinformationen für weitere Auskünfte und Hilfestellungen

Für weitere Hinweise zur Art und Hilfestellungen für die Bewirtschaftung der Lebensräume wenden Sie sich bitte an die für Sie zuständige Naturschutzbehörde in Ihrer Region.

Experten

Wolfgang Rackow
Schneiderteichweg 58
37520 Osterode am Harz

Autoren

Matthias Simon, Karola Gießelmann, Heiko Köstermeyer, Sandra Brand

Unter Mitarbeit von

Lothar Bach, Martin Biedermann, Robert Brinkmann, Markus Dietz, Patrick Dohm, Matthias Hammer, Christine Harbusch, Andreas Kiefer, Karl Kugelschafter, Gerhard Mäscher, Hinrich Matthes, Frauke Meier, Angelika Meschede, Henrik Pommeranz, Wolfgang Rackow, Sabine Schade, Jürgen Schicker, Janna Smit-Viergutz, Dagmar Stiefel, Marco Zimmermann

Zurück nach oben