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Bundesamt für Naturschutz

Eriogaster catax - Heckenwollafter

Geschützt nach
Anhang II FFH-Richtlinie
Anhang IV FFH-Richtlinie
EU-Code
1074
Artengruppierung
Schmetterlinge
Synonyme
Bombyx catax, Hecken-Wollspinner, Goldgelber Schlehenspinner, Schlehen-Herbstwollfalter
Status Rote Liste Deutschland
(Rennwald, Sobczyk, Hofmann 2011): 1 (Vom Aussterben bedroht)
Verantwortlichkeit
Allgemeine Verantwortlichkeit

Beschreibung

Vielfraß und Hungerkünstler zugleich

Der Heckenwollafter bewohnt lichte Wälder und Heckenlandschaften. Da die Schlehe die in Deutschland wichtigste Raupennahrung darstellt, muss sie ausreichend vorhanden sein. Die Lebensraumbedingungen sind für das Vorkommen entscheidend. Sehr gut besonnte Schlehen in geschützter und etwas luftfeuchter Lage werden bevorzugt besiedelt. Am auffälligsten sind die Raupengespinste und die vereinzelten großen Raupen im April und Mai. An den austreibenden Schlehen verursachen die gemeinsam fressenden Jungraupen oft stellenweise Kahlfraß, während die Falter keinen Saugrüssel haben und daher keine Nahrung mehr aufnehmen können. Die Falter sind nachtaktiv und nur im September und Oktober anzutreffen.

Verbreitung

Die Art ist in großen Teilen Europas verbreitet. In Deutschland kommt sie in Bayern, Rheinland-Pfalz und Thüringen vor, wobei die derzeit größten Vorkommen in Bayern liegen. Lebensräume sind sonnenexponierte und windgeschützte Schlehen-Weißdorngebüsche an Waldrändern oder in sehr lichten, strukturreichen Laubmischwäldern (v. a. Mittel- und Niederwäldern).

Lebensraum

Der Heckenwollafter besiedelt verschiedene lichte Wälder und Heckenlandschaften mit reichlich Schlehe und Weißdorn in wärmegetönten Gebieten Deutschlands. Vorkommen in Flussauen sind aktuell keine mehr bekannt, wurden jedoch aus dem angrenzenden Elsass gemeldet. In Bayern und Thüringen sind die Lebensräume vor allem oberholzarme Mittel- und Niederwälder, weiter westlich wird auf Kalkmagerrasen und Felsheiden verwiesen. Letztere scheinen insbesondere im Zusammenhang mit Geländesenken und Grundwasserzügigkeit von Bedeutung zu sein.

Fortpflanzung/Biologie

Die Weibchen legen die Eier im Herbst in großen Gelegen an die Äste niedrigwüchsiger Schlehen und bedecken sie mit der Afterwolle. Mitte bis Ende April schlüpfen die Raupen und nach einer langen sommerlichen Puppenphase schlüpfen im September/Anfang Oktober ca. 80 % der Falter. Diese nehmen keine Nahrung mehr auf und leben maximal zwei Wochen.

Ökologie der Art

Geeignete Lebensräume für die Art sind windgeschützte und sonnige Stellen in Schlehen-Weißdorn-Heckenfluren sowie in luftfeuchten, lichten Laubwäldern mit Schlehen-Unterwuchs. Die Art ist charakteristisch für Nieder- und Mittelwälder (Freina & Witt 1987, Helsdingen et al. 1996). Nach Ebert (1994) gab es in Baden-Württemberg auch ein Vorkommen auf einem Kalkmagerrasen mit Schlehengebüsch. Details zur Lebensraumnutzung in Bayern sind bei Dolek et al. (2008) dargestellt.

Die Weibchen legen ihre Eier in Gruppen auf Ästen der Futterpflanzen ab. In Deutschland wird nahezu ausschließlich die Schlehe genutzt, es liegen jedoch seltene Beobachtungen an Weißdorn und Wildbirne vor. Das Gelege wird mit grau-schwarzen Haaren abgedeckt, die die Weibchen von der Hinterleibspitze abstreifen (Afterwolle). Diese Haarbedeckung wirkt wie gekämmt, während sie beim ähnlichen Gewöhnlichen Wollafter struppelig ist.

In der Literatur werden Vermutungen angestellt, dass zur Eiablage dicke Äste bevorzugt an verkrüppelten Schlehen genutzt werden (Bolz 1998, Helsdingen et al. 1996, Macek & Červenka 1999). Dies konnte durch aktuelle Untersuchungen jedoch nicht bestätigt werden, die Eiablage erfolgte an Ästen mittlerer Stärke an für den Standort typischen Zweigen (Dolek et al. 2008).

Die Überwinterung erfolgt als Ei. Die jüngeren Larven leben zunächst gemeinsam auf einem selbstgesponnenen Zelt, bevor sie sich vereinzeln (Bergmann 1953, Macek & Červenka 1999). Bis zur Vereinzelung im dritten Larvenstadium können hohe Sterberaten auftreten, wenn die Bedingungen nicht ausreichend günstig sind. Die großen Raupen sind weniger wählerisch und fressen z.B. das Laub zahlreicher heimischer Laubbäume wie Weißdorn, Birnbaum und seltener Birke, Ulme, Pappel, Eiche und Berberitze.

Die Puppe ist in einem pergamentartigen, eiförmigen Kokon am Boden eingeschlossen und kann auch bis in das nächste oder übernächste Jahr überliegen, d.h. erst dann schlüpfen.

Beschreibung des Lebenszyklus im Zusammenhang mit Landnutzungsaktivitäten

Die Flugzeit der Falter beginnt Mitte September und dauert etwa bis Mitte Oktober (Drews & Wachlin 2003). Auf Grund fehlender Mundwerkzeuge nehmen die Falter keine Nahrung zu sich. Die Männchen sterben bereits kurz nach der Paarung, die Weibchen nach der Eiablage. Die Weibchen legen ihre Eier im Herbst in Gelegen (mit durchschnittlich 179 Eiern) an die Nahrungspflanze. Nach der Überwinterung schlüpfen die Raupen Ende April bis Anfang Mai und beginnen ein gemeinsames Gespinst anzulegen. Von dort aus fressen sie in der Umgebung, am Anfang die sich öffnenden Knospen der Schlehe. Insbesondere wenn es in der Umgebung des ursprünglichen Gespinsts zu Nahrungsengpässen kommt, können die Raupen auch abwandern und Zweiggespinste bilden. Während der Jungraupenphase auf dem Gespinst benötigen sie eine ausreichende Wärme und Luftfeuchte (Messungen im Steigerwald), sind aber empfindlich gegenüber Spätfrösten (hohe Sterblichkeit im Steigerwald) und anhaltenden Regenfällen mit kühlen Temperaturen. Sobald die Bestände zu dicht und zu hoch und beschattet werden, können sie für Eiablage und Raupenentwicklung nicht mehr genutzt werden. Ein regelmäßiger Stockhieb muss daher erfolgen. Dieser erfolgt in den Mittel- und Niederwäldern in Bayern im Winterhalbjahr, was unproblematisch ist, da die Hiebsflächen nach der üblichen Umtriebszeit von ca. 25-35 Jahren ohnehin meist keinen Lebensraum für den Heckenwollafter mehr darstellen. Längerfristig erhaltene Lichtungen stellen dagegen wichtige Lebensschwerpunkte und müssen im Einzelfall auf ihre Bedeutung hin beurteilt werden. Sie können in traditioneller Form mit bearbeitet werden, wenn der verbleibende Lebensraum ausreichend groß und qualitativ hochwertig ist. In nicht als Stockausschlagswald genutzten Lebensräumen muss eine vergleichbare Dynamik unter Minimierung negativer Effekte erzeugt werden.

Nach etwa 4-5 Wochen (zwischen Mai/Juni) erfolgt die Verpuppung in unterirdischen bräunlichen Kokons, aus denen Anfang September die neuen Falter schlüpfen (Drews & Wachlin 2003).

Lokale Population

Abgrenzung der lokalen Population

Über Mobilität und Ausbreitung des Heckenwollafters ist kaum etwas bekannt. Wenige einzelne Funde von Raupengespinsten in Entfernungen von 500-1.000 m von den nächsten Nachweisen deuten auf entsprechende Flugstrecken hin. Die Weibchen gelten zudem als flugträge. Bei Leopold et al. (2006) findet sich folgende Fußnote: „Als Gesamtbestand können z.B. besiedelte Teilflächen zusammengefasst werden, die nicht weiter als 500 m auseinander liegen und nicht ausschließlich durch unüberwindbare Nichtlebensräume voneinander getrennt sind.“

Aufgrund dieser wenigen Informationen ist eine lokale Population vorläufig bei einer Entfernung von 500-1.000 m bis zum nächsten Vorkommen gegeben und lässt sich anhand der Lebensraumgliederung abgrenzen.

Gefährdung

Gefährdungsursachen sind Aufgabe der Mittel- und Niederwaldwirtschaft, Entwässerung oder Grundwasserabsenkung in Wäldern, Räumung von Unterholz, Insektizidausbringung in Wäldern, Aufforstung mit standortfremden Gehölzen, zunehmende Verbuschung in offenen Hecken- und Gebüschlandschaften und die Entfernung von Feldgehölzen und Hecken.

Gefährdungsursachen

Der Lebensraum des Heckenwollafters ist ein Waldtyp oder ein Buschland wie es weder in der heutigen Forstwirtschaft profitabel ist, noch in der modernen Landwirtschaft einen Platz findet. Er ist daher durch aktuelle Nutzungsformen gefährdet.

Land- und Forstwirtschaft

  • Aufgabe der historischen Waldnutzung (Nieder- und Mittelwaldnutzung)
  • Verlust lichter Wälder durch moderne Forstwirtschaft (Hochwald)
  • Aufforstung geeigneter Lebensräume mit standortfremden Gehölzen
  • Verlust der Dynamik in als Lebensraum geeignetem Buschland, ungehindert weiter laufende Entwicklung und Veränderung in geeigneten Hecken- und Gebüschlandschaften
  • Einsatz von Pflanzenschutzmitteln in Wäldern (z.B. Einsatz des Häutungshemmers Dimilin bei Massenvermehrungen des Schwammspinners, Eichenwicklers oder Eichenprozessionsspinners)
  • Bedingt relevant: Entfernung von Feldgehölzen und Hecken bei Flurbereinigungsmaßnahmen

Sonstige

  • Entwässerung und/oder Grundwasserabsenkung in den Wäldern (nicht in Rheinland-Pfalz)
  • Abfallablagerung, Anlage von Deponien
  • Bebauung
  • Bisher keine Hinweise auf negative Auswirkungen des Klimawandels, aber durch die zumindest regionale Bedeutung der Luftfeuchte eventuell empfindlich gegenüber zeitweise trockeneren Klimabedingungen

Schutz

Höchste Priorität hat die Sicherung der noch verbliebenen Vorkommen durch den Schutz ihrer Lebensräume. Dazu zählen die Mittel- und Niederwaldbewirtschaftung ohne großflächigen Umtrieb, der Verzicht auf Insektizideinsatz und der Erhalt von Heckenlandschaften. Gegebenenfalls kommt an geeigneten Stellen eine Wiederansiedlung der Art in Frage.

Erhaltungsmaßnahmen

Handlungsempfehlungen zur Erhaltung der lokalen Population des Heckenwollafters

Da der Bestand des Heckenwollafters in Deutschland auf wenige Vorkommen geschrumpft ist, muss jedes bekannte Vorkommen erhalten werden.

Bei den Maßnahmen müssen die unterschiedlichen Lebensräume der Art beachtet werden, „Entwicklungsstadien von Felsheiden“  und „lichte Wälder“.

Landwirtschaft

  • Entwicklungsstadien von Felsheiden (Jahrzehnte ohne Nutzung) möglichst langfristig erhalten, der Optimalzustand ist derzeit nicht bekannt
  • Keine weiteren Gehölzaufwüchse auf älteren Entwicklungsstadien von Felsheiden zulassen
  • Auflichtungen nur in gemäßigter Form durchführen, damit das Geländeklima erhalten bleibt
  • Vorhandene Schlehen und soweit vorhanden Wildbirne erhalten
  • Anlage kleiner Schneisen, auch in Schlehenbeständen. Durchführung der Maßnahmen während der Puppenphase (ca. Juni bis August)
  • Im Winter keine Rückschnitte in aktuell besiedelten Lebensräumen auf Felsheiden
  • Wichtig als Rahmenbedingungen sind: Windschutz, hohe Sonneneinstrahlungsintensität, Grundwasserzügigkeit (Geländesenken)
  • Erhaltung und Förderung von Hecken und Gehölzinseln an warmen, geschützten und leicht feuchten Standorten, insbesondere im Umfeld bestehender Vorkommen

Forstwirtschaft

  • Erhaltung bzw. Wiedereinführung der traditionellen Form der Waldbewirtschaftung: oberholzarme Mittelwälder, Niederwälder oder andere lichte und lichtungsreiche Waldtypen
  • Im Stockausschlagswald (Mittel- und Niederwald) Umtrieb im Unterholz < 30 Jahre
  • Auf den Hiebsflächen der Stockausschlagswälder alle Gehölze (auch Dornsträucher) auf Stock setzen, keine Bekämpfung von Schlehen, traditionelle Stockhiebe im Winterhalbjahr, bei Vorkommen mit wenigen Gespinsten diese besonders berücksichtigen
  • In offenen Lichtungsbereichen im Wald Detailabstimmung mit Naturschutz-Fachbehörden
  • Erhaltung und Entwicklung ausreichender Flächengrößen (je nach Standort sehr variabel, aufgrund der Dynamik ist in jedem Jahr nur ein Teil des Lebensraumes tatsächlich nutzbar) und Lebensraumqualität erhalten
  • Lichtungen und lichte Waldbereiche, die als Lebensraum geeignet sind, offen erhalten, keine forstlichen Anpflanzungen
  • Kein Einsatz von Pflanzenschutzmitteln im Wald. Falls eine Gefährdung der Bevölkerung zu befürchten ist, muss eine gute Abstimmung mit dem Einsatzteam zur Ausgrenzung von wertvollen Lebensräumen bei der Bekämpfung erfolgen.

Sonstige Maßnahmen

  • Wiederansiedlung an geeigneten Standorten, basierend auf den IUCN-Kriterien zur Wiederansiedlung von Arten
  • Förderung von Ausbreitungsachsen
  • Nur noch selten von Bedeutung: Keine Entwässerung in Wäldern

Erhaltungszustand

  • Kontinentale Region: ungünstig - schlecht

Programme und Projekte

Finanzierungsinstrumente für Maßnahmen und Umsetzung von Managementplänen

  • Internetseite des BfN zu Finanzierungsoptionen von Maßnahmen im Rahmen der FFH- und Vogelschutzrichtlinie
  • Finanzierungsinstrument der EU zur Förderung von Umwelt- und Naturschutz-Projekten in Europa, LIFE+

Vertragsnaturschutzprogramme der Länder

In den Bundesländern gibt es unterschiedliche Förderprogramme die genutzt werden können, nachfolgend werden Beispiele genannt.

  • Agrarumweltmaßnahmen in Bayern/ Förderwegweiser für Agrarumweltmaßnahmen in Bayern
  • Internetseite zu Artenhilfsprogrammen des Landesamtes für Umwelt, Wasserwirtschaft und Gewerbeaufsicht Rheinland-Pfalz

Literaturhinweise

verändert nach:
Drews, M. und Wachlin, V. (2003): Eriogaster catax (Linnaeus, 1758). In: Petersen, B., Ellwanger, G., Biewald, G., Hauke, U., Ludwig, G., Pretscher, P., Schröder, E., und Ssymank, A. (Bearb.): Das europäische Schutzgebietssystem Natura 2000. Ökologie und Verbreitung von Arten der FFH-Richtlinie in Deutschland. Band 1: Pflanzen und Wirbellose. - Bonn-Bad Godesberg (Landwirtschaftsverlag) - Schriftenreihe für Landschaftspflege und Naturschutz 69(1): 459-464.

Autor*in

Kontaktinformationen für weitere Auskünfte und Hilfestellungen

Für weitere Hinweise zur Art und Hilfestellungen für die Bewirtschaftung der Lebensräume wenden Sie sich bitte an die für Sie zuständige Naturschutzbehörde in Ihrer Region.

Experten

Ralf Bolz
sbi - silvaea biome institut
Buchstr. 15
91484 Sugenheim

Dr. Matthias Dolek
Obere Dorfstr. 16
82237 Wörthsee

Wilfried Hasselbach
Heimersheimer Str. 18
55234 Albig

Autor

Matthias Dolek

Unter Mitarbeit von

Christian Anton, Burkhard Beinlich, Markus Bräu, Stefan Brunzel, Steffen Caspari, Adi Geyer, Stefan Hafner, Wilfried Hasselbach, Gabriel Hermann, Michael Krämer, Kathrin Landsdorfer, Andreas Lange, Michael Meier, Andreas Nunner, Erwin Rennwald, Matthias Simon, Karola Gießelmann, Rainer Ulrich, Volker Wachlin, Thomas Widdig

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