Felis silvestris - Wildkatze
Beschreibung
Scheue Jägerin in naturnahen Wäldern
Die scheue Wildkatze ist angewiesen auf große, zusammenhängende, ungestörte Waldgebiete. Sie bevorzugt alte Laubwälder, vor allem Eichen- und Buchenmischwälder, ist gelegentlich aber auch in Nadelwäldern zu finden.
Die Wildkatze ist meist in der Abenddämmerung und Nacht aktiv und jagt vor allem Wühlmäuse. Diese und andere Kleinsäuger findet sie vor allem an Waldrändern, Waldinnensäumen oder Offenflächen (u.a. Lichtungen, Windwurfflächen).
Wildkatzen sind meist Einzelgänger, haben aber regelmäßigen Kontakt zu benachbarten Individuen. Von getigerten Hauskatzen ist sie meist sehr schwer zu unterscheiden.
Lebensraum
In Deutschland lebt die Wildkatze in waldreichen Landschaften, wo sie alte Laubwälder, vor allem Eichen- und Buchenmischwälder, bevorzugt. Gelegentlich nutzt sie aber auch Nadelwälder als Lebensstätte. Bei höheren Populationsdichten und in sehr abgeschiedenen Gegenden treten Einzelindividuen auch im Offenland auf.
Als Ruheplätze dienen deckungsreiche Waldbestände, Gebüsche, Dickichte und Höhlen. Zur Jagd werden vor allem Lebensraumelemente genutzt, die Mäusen und anderen Kleintieren Nahrung und Deckung bieten. Dies sind vor allem innere und äußere Waldränder, Windwurfflächen und wenigschürige Wiesen und Brachen im Wald oder in dessen Nähe. Bei ihren Wanderungen orientiert sich die Wildkatze vorwiegend entlang linearer Lebensraumelemente (Gehölzsäume, Bäche, Waldauen etc.) oder bleibt im Wald, während sie deckungsarmes Agrarland weitgehend meidet.
Die Wildkatze ist ein spezialisierter Kleintierjäger, der vor allem Wühlmäuse jagt und seine Aktivitätsschwerpunkte in der Abenddämmerung und Nacht hat.
Wildkatzen leben als Einzelgänger, haben aber regelmäßigen Kontakt zu benachbarten Individuen. Die Streifgebiete können sich auch bei Tieren gleichen Geschlechts überlagern. Für Weibchen werden als Streifgebietsgröße 3 bis 11 km2 und für Männchen 10 bis 50 km2 angegeben (Gärtner & Norgall 2008).
Fortpflanzung/Biologie
Wildkatzen erreichen üblicherweise in freier Wildbahn ein Alter von etwa 7-10 Jahren (Gärtner & Norgall 2008).
Weibliche Wildkatzen werden mit etwa einem Jahr geschlechtsreif, Männchen in der Regel erst später. Die Paarung findet zwischen Januar und März statt. Nach einer Tragzeit von 63 bis 69 Tagen werden im März bis Mai durchschnittlich 3-4 Junge geworfen. Mitunter kommt es zu einem zweiten Wurf.
Natürliche Wurforte sind vor allem Baumhöhlen, aber auch Felsbaue, Wurzelhöhlen, Dachs- und Fuchsbaue. Neben diesen werden vom Menschen geschaffene Strukturen wie Reisighaufen, Holzstapel, Wildfütterungen, ehemalige Bunkeranlagen und Hochsitze genutzt. Häufig besteht ein Mangel an Lebensraumelementen, die trocken und warm sind und die Tiere vor Fressfeinden schützen. Dann müssen die Katzen auf weniger geeignete Wurforte (Holzstapel, Reisighaufen, Gebüsche u.ä.) ausweichen, wodurch der Aufzuchterfolg sinkt. In den ersten Lebensmonaten ist die Überlebensrate der Jungen sehr niedrig, in einer Studie im Südharz überlebten nur 24,5% der beobachteten Jungtiere die ersten 4 Monate (Götz 2008). Nach 6-8 Monaten werden die Jungen selbstständig.
Die hauptsächliche, nutzungsbedingte Beeinflussung der Wildkatze geht von Forst- und Landwirtschaft und starker Freizeitnutzung aus. Intensive forstwirtschaftliche Nutzung zerstört durch die Reduktion von Lebensraumelementen (Säume, Baumhöhlen etc.) Jagd-, Fortpflanzungs- und Ruhestätten der Wildkatze. Vor allem die Förderung geradstämmiger, wenig beasteter Bäume und die regelmäßige Entnahme aller Bäume, die aus forstlicher Sicht ein hiebreifes Alter erreicht haben, führt zu einem massiven Verlust an tatsächlichen oder potenziellen Höhlenbäumen, die als sichere Aufzuchtorte der Jungtiere von zentraler Bedeutung sind. Windwurfflächen mit einem undurchdringlichen Gewirr aus Stämmen und Ästen sind vielerorts alternative Rückzugsräume, werden jedoch in der Regel kurzfristig geräumt und neu aufgeforstet. Mangelndes Angebot an Wurforten und häufige Störung durch Waldarbeiten oder Freizeitnutzungen im Wald zur Fortpflanzungszeit treffen die sehr störungsempfindliche Wildkatze an ihrem empfindlichsten Punkt.
Lokale Population
Eine exakte Abgrenzung von lokalen Populationen ist aufgrund der Mobilität und der sehr großen Streifgebiete nicht möglich. Die Abgrenzung sollte daher anhand großer geschlossener Waldgebiete (Solling, Kaufunger Wald, Harz etc.), ersatzweise anhand von Naturräumen (naturräumliche Haupteinheiten) stattfinden. Diese stimmen i.d.R. gut mit den Verbreitungsschwerpunkten der Art überein und decken den großen Raumanspruch der Art ab.
Bei größeren Raumeinheiten würden allerdings auch räumlich deutlich getrennte Vorkommen zusammengefasst. Deshalb ist darauf zu achten, dass Beobachtungspunkte oder Fundpunkte nicht mehr als 30 km voneinander entfernt und nicht durch Barrieren voneinander getrennt sein dürfen, damit sie noch zu einem gemeinsamen Areal und damit einer lokalen Population gezählt werden können (Denk et al. 2004).
Agrarräume, die arm an Lebensraumelementen sind, verbaute Gewässer, stark befahrene Verkehrswege und Siedlungsbänder stellen schwer überwindbare Barrieren dar, die Ausbreitung und genetischen Austausch erschweren oder unmöglich machen.
Deckungsfreie Flächen ab einer Länge von 300 m werden mitunter nicht überwunden (Gärtner & Norgall 2008). Eine auf große Grünland- oder Ackerschläge ausgerichtete Landwirtschaft kann deshalb zur Isolation einzelner Vorkommen führen.
Gefährdung
Hauptgefährdungsursachen sind lebensraumzerstörende oder -isolierende Maßnahmen durch Forst- und Landwirtschaft und der Ausbau von Verkehrswegen (einschließlich Forststraßen und Wanderwege im Wald). Diese Faktoren wirken sich sowohl kurzfristig über verkleinerte Streifgebiete und zurückgehende Fortpflanzungserfolge als auch langfristig über schwindende genetische Vielfalt der Vorkommen auf die Überlebenschancen der Wildkatze aus.
Land- und Forstwirtschaft
- Zerschneidungswirkungen/Barrieren (Verkehrswege, Zäune) und Zerstörung oder Umgestaltung von Wanderkorridoren (Waldsäume, Gehölzstreifen in der Agrarlandschaft, naturnahe Gewässerufer) führen zur teilweisen oder vollständigen Isolation von Vorkommen
- Reduzierung oder Zerstörung alter, lichter Laubmischwälder, Beeinträchtigung reich gegliederter Waldsäume und Beseitigung anderer besonderer Lebensraumelemente im Wald (Felsnasen, Holzstubben etc.) führen zum Verlust von Jagdgebieten, Sonnen- und Ruheplätzen und Wanderrouten
- Fehlen geeigneter Wurforte (v.a. Baumhöhlen) führt zu erhöhter Jungensterblichkeit
Besonders während der Jungenaufzucht wirken sich folgende Faktoren stark negativ auf die Wildkatze aus:
- Maschinelle Räumung von Windwurfflächen (Stämme, Kronen, Wurzeln) kann Verstecke zerstören und Jungtiere verletzen oder töten
- Fehlbejagung bei der Jagd auf verwilderte Hauskatzen, Bau- und Fallenjagd (Totschlagfallen) und das Ausmähen (Tod durch Mähmaschinen) von Wildkatzen auf Wiesen im waldnahen Bereich können zum Verlust des Muttertieres und damit des gesamten Wurfes führen
Sonstige
- Zäune aus Knotengittern sind Todesfallen, da sich die Tiere beim Überklettern mit den Krallen verfangen können oder mit den Läufen „einfädeln“
- Die Bastardierung mit Hauskatzen tritt wahrscheinlich seltener auf als allgemein angenommen, ist aber z.B. in schottischen und ungarischen Vorkommen von Bedeutung
- Straßen- und Schienenverkehr auf ungesicherten Verkehrswegen fordern Todesopfer
- Störungen durch eine intensive Freizeitnutzung (insbesondere wenn Hunde nicht angeleint werden) können zur Aufgabe des Wurfes oder einer schlechten Nahrungsversorgung der Jungtiere führen
Erhaltungsmaßnahmen
- Öffentlichkeitsarbeit, um für die Belange der Wildkatze (Störungsempfindlichkeit, Benötigung von reich gegliederten Lebensräumen etc.) zu sensibilisieren
- Verbot der Bau- und Fallenjagd (ausgenommen Lebendfallen), Unterlassung der Jagd auf verwilderte Katzen, um Fehlabschüsse zu vermeiden
- Zur Vermeidung von Bastardierung können im Einzelfall verwilderte Hauskatzen mit Lebendfallen abgefangen werden
- Lenkung von Freizeitnutzung, um die Störungsfrequenz möglichst herabzusetzen bzw. gänzlich störungsfreie Räume zu schaffen
- Ausweisung von Schutzgebieten zur Schaffung störungsfreier Zonen
- Vorkommensspezifische Managementpläne zur gezielten Entwicklung der Vorkommen
- Schaffung/Erhaltung von Wanderkorridoren zur Vernetzung der Vorkommen
- Wildkatzengeeignete Leiteinrichtungen an Straßen (keine Knotengitterzäune), um Verluste durch den Straßenverkehr zu verhindern
- Naturnahe Gestaltung von Fließgewässern in Wildkatzenlebensräumen um Wanderkorridore zu schaffen und die Überquerung von Gewässern zu erleichtern
Die Minimierung der Störungen/Zerschneidungswirkungen aufgrund von Verkehrs- und Wanderwegen kann durch folgende Maßnahmen erreicht werden
- Optimale Vernetzung von Vorkommen bzw. von aktuell besiedelten und potenziellen Lebensräumen über Grünbrücken und andere Querungshilfen, Wanderkorridore und Leitelemente (keine Knotengitterzäune)
- Vermeidung der weiteren Zerschneidung besiedelter oder potenziell geeigneter Gebiete durch Straßenneu- oder -ausbau, Schienenbau o.ä., entsprechende Berücksichtigung zusammenhängender Lebensräume von Wildkatzen in Landschaftsrahmenplanung und Flächennutzungsplänen
Ausweisung von Ruhezonen, die zumindest während der Aufzucht der Jungtiere nicht betreten werden dürfen und entsprechende Besucherlenkung - Ausweisung von Bannwäldern und entsprechende Umlegung/Sperrung/Rückbau bestehender Waldwege bzw. angepasste Neuanlage von Wanderwegenetzen
Erhaltungszustand
- Atlantische Region: ungünstig – schlecht
- Kontinentale Region: ungünstig – unzureichend
Handlungsempfehlung
Die größten nutzungsbedingten Beeinträchtigungen von Wildkatzenlebensräumen gehen von Forst- und Landwirtschaft aus. Darüber hinaus stellen die zahlreichen Verkehrswege ein hohes Gefährdungspotential dar. Um die Beeinträchtigungen durch Bewirtschaftung zu verhindern bzw. zu minimieren werden folgende Maßnahmen empfohlen:
Landwirtschaft
- Schaffung und Erhaltung reich gegliederter Waldmäntel und -säume durch Anpflanzung/Duldung von Gebüschen, Hecken, kleineren Bäumen etc. inklusive Stauden- und Krautflur, dies führt zu erhöhter Nagerdichte und damit verbesserter Nahrungsversorgung
Forstwirtschaft
- Erhaltung bzw. Erhöhung des Alt- und Totholzanteils mit ausreichend großen Baumhöhlen (Innendurchmesser über 20 cm) von/auf mind. 5 % der Waldfläche (Herrmann 1991), Erhaltung von Baumgruppen oder Bäumen, die das Potenzial für große Faulhöhlen und waagerechte Starkäste haben, um eine ausreichende Anzahl an Wurfhöhlen zu erreichen
- Erhaltung von Waldlichtungen und Waldwiesentälern als Nahrungs- (hohe Nagerdichten) und Ruhestätten
- Schaffung und Erhaltung reich gegliederter Waldsäume
- Erhaltung und Schaffung von Feldgehölzen und Heckenzügen als Trittsteine und Wanderkorridore
- Wildkatzengerechte Entwicklung von Windwurf- und Verjüngungsflächen durch:
- Belassen von hochgeklappten, gesicherten Wurzeltellern, wo möglich
- Zulassen einer natürlichen Entwicklung von Windwurfflächen, Einschlaglöchern und sonstigen Freiflächen
- Möglichst späten Bestandsschluss (> 20 Jahre)
- Zulassen von „Krüppelwuchs“ und Mehrstämmigkeit
- Verzicht auf Grundräumung, Pflanzung und Zäunung
- Belassung unaufgearbeiteter Teilflächen nach Windwürfen, zur Schaffung einer Vielzahl reich gegliederter, kleinsäugerreicher Flächen als Jagd-, Aufzucht- und Ruhestätten
Programme und Projekte
Finanzierungsinstrumente für Maßnahmen und Umsetzung von Managementplänen
- Internetseite des BfN zu Finanzierungsoptionen von Maßnahmen im Rahmen der FFH- und Vogelschutzrichtlinie
- Finanzierungsmöglichkeit der EU zur Förderung von Umwelt- und Naturschutz-Projekten in Europa, LIFE+
Vertragsnaturschutzprogramme der Länder
In den Bundesländern gibt es unterschiedliche Förderprogramme die genutzt werden können, nachfolgend werden Beispiele genannt.
- Hessen
- Bundesprogramm Biologische Vielfalt
Projekte im Internet
- Bundesprogramm Biologische Vielfalt "Projekt Wildkatzensprung" des BUND
- Artenhilfsprogramm "Rettungsnetz für die Wildkatze" des BUND
- Artenschutzprojekt "Die Wildkatze in Rheinland-Pfalz"
Literaturhinweise auf Artenschutzprojekte:
- KNAPP, J. & HERRMANN, M. (1998): Artenschutzprojekt der Wildkatze: Der lange Weg von der Forschung zur Umsetzung. – Naturschutz und Landschaftspflege in Brandenburg 1 (7): 68-70.
- KNAPP, J. (2008): Artenschutzprogramm Wildkatze im Saarland. – Umweltmagazin Saar 2/2008: 28-29.
- GÖRNER, M. (2000): Zum Vorkommen der Wildkatze (Felis silvestris) in Thüringen von 1800 bis 2000. – Artenschutzreport 10: 54-60.
- TRINZEN, M., THIEL, C. & ZEHLIUS, J. (2005): Artenschutzprojekt Wildkatze in NRW. – Biologische Station im Kreis Euskirchen e.V. (Hrsg.) Broschüre, 15 S.