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Bundesamt für Naturschutz

Gladiolus palustris - Sumpf-Siegwurz

Geschützt nach
Anhang II FFH-Richtlinie
Anhang IV FFH-Richtlinie
EU-Code
4096
Artengruppierung
Farn- und Blütenpflanzen
Synonyme
Sumpf-Gladiole
Status Rote Liste Deutschland
(Metzing et al. 2018): 2 (Stark gefährdet)
Status Rote Liste Europa
(Bilz et al. 2011): DD (Daten ungenügend)
Verantwortlichkeit
(Metzing et al. 2018): Daten ungenügend, evtl. erhöhte Verantwortlichkeit zu vermuten

Beschreibung

Liebling der Ritter – Juwel der Sümpfe

Mit ihren leuchtend purpurnen Blüten bildet die Sumpf-Siegwurz den sommerlichen Höhepunkt in der Blütenfolge der Streuwiesenpflanzen. Außerhalb der Blütezeit ist sie durch ihre grasähnlichen Blätter sehr schwer zu entdecken. Sie besitzt eine unterirdische Knolle, die von einem Fasernetz umgeben ist. Da dieses Fasernetz einem Kettenhemd gleicht, galt im Mittelalter ein Ritter, der die Knolle unter seiner Rüstung trug, als unverwundbar. Vom Rückgang der Streuwiesen ist auch der Bestand der Sumpf-Siegwurz betroffen. Sie gilt in Deutschland als stark gefährdet.

Verbreitung

Die nur in Europa auftretende Art hat dort ihren Verbreitungsschwerpunkt im Südosten. Die größten Vorkommen nördlich der Alpen liegen im bayerischen Alpenvorland. Daneben gibt es noch eine größere Population in Baden-Württemberg und eine kleinere in Rheinland-Pfalz.

Lebensraum

Die Sumpf-Siegwurz besiedelt im alpennahen Bereich vor allem wechselnasse bis wechselfeuchte kalk- und basenreiche, aber nur nährstoffarme bis mäßig nährstoffreiche Böden. Ihre Lebensräume sind Kalk-Flachmoore und Knollendistel-Pfeifengraswiesen. In den vielgestaltigen Flussschotterheiden z.B. des Lechs und der Isar und an einigen Jungmoränen-Standorten besiedelt die Art neben wechselfeuchten Bereichen vor allem Halbtrockenrasen. Einige alpennahe Vorkommen besiedeln als natürliche Wuchsorte außerdem wechselfrische Mergel-Rutschhänge, deren Standorte einem ständigen natürlichen Wandel unterworfen sind.

Die nur in Europa auftretende Art hat dort ihren Verbreitungsschwerpunkt im Südosten. Die größten Vorkommen nördlich der Alpen liegen im bayerischen Alpenvorland. Daneben gibt es noch eine größere Population in Baden-Württemberg und eine kleinere in Rheinland-Pfalz.

Fortpflanzung/Biologie

Ökologie der Art

Die Sumpf-Siegwurz ist eine mittel- und südosteuropäische Art mit einem weltweit verhältnismäßig kleinen Verbreitungsgebiet. In Deutschland kommt sie vom Flachland bis ins Hügelland vor und erreicht am Alpenrand und in den Alpentälern auch höhere Lagen, sofern dort ein besonders wärmegetöntes Lokalklima mit vielen Strahlungstagen (z.B. in stark durch den Föhn geprägten Talzügen) gegeben ist. In Bezug auf den Wasserhaushalt kann die Art einen sehr großen Bereich von wechselnassen bis wechseltrockenen Standorten besiedeln (Ssymank 2006). Standorte, die durchgehend nass sind, werden gemieden. Die Sumpf-Siegwurz wächst in Kalk-Flachmooren und Knollendistel-Pfeifengraswiesen sowie in Erdseggen-Halbtrockenrasen (Riegel 2007). Da die Art nicht nur lichte Standorte besiedelt, findet man sie auch im Halbschatten von Gebüschrändern, sowie in Moor- und Sumpfwäldern. Zu den ursprünglichen Standorten der Sumpf-Siegwurz zählen in Deutschland wechselfeuchte Rutschhänge mit lockeren Pfeifengras-Kiefernwäldern, wechselfeuchte Flutrinnen und Umlagerungsstrecken von Flussläufen.

Die Sumpf-Siegwurz bildet jährlich zur Überwinterung eine neue Knolle, wobei die alte Knolle noch lange Zeit erhalten bleibt (Riegel 2007). Die Knollen sind sehr widerstandsfähig gegenüber Austrocknung, was ein relativ langes Überleben in stark entwässerten Flachmooren, wie z.B. im Münchner Raum, ermöglicht (Quinger et al. 1995). Auf länger andauernde Überflutungen reagiert die Pflanze mit verminderter Blütenbildung.

Beschreibung des Lebenszyklus im Zusammenhang mit Landnutzungsaktivitäten

Die Sumpf-Siegwurz treibt von Mitte bis Ende Mai die ersten Blätter aus (Ssymank 2006). Zur Blüte kommt die Pflanze dann etwa einen Monat später. Die Hauptblütezeit der Sumpf-Siegwurz liegt zwischen Mitte Juni (Tieflagen) und Mitte Juli (montane Standorte). Die einzelnen Blüten am Stängel der Sumpf-Siegwurz blühen von unten nach oben auf, wobei die Blühdauer (ca. 7-10 Tage) relativ kurz ist (Steingen 1988). Zu dieser Zeit kann die Art auch am besten gezählt werden. Ohne Blütenstände ist die Sumpf-Siegwurz nur sehr schwer zu finden, da sich nichtblühende Individuen mit ihren grasähnlichen Blättern kaum im umgebenden Pflanzenbestand hervorheben. Um den Fruchtansatz nicht zu gefährden, sollte während der Blütezeit die Fläche nicht zu häufig betreten oder befahren werden.

Die Bestäubung der Sumpf-Siegwurz erfolgt durch Hummeln, wie z.B. durch die Gartenhummel (Bombus hortorum) (Herrmann 2000). Eine Selbstbestäubung ist möglich (Kirchner et al. 1934), wird jedoch durch Vormännlichkeit weitgehend vermieden. Vormännlichkeit bedeutet, dass sich die Narben erst nach dem Entleeren der Staubbeutel öffnen und somit kein eigener Pollen zur Befruchtung auf die Narbe der Blüte gelangen kann.

Die Entwicklung der Sumpf-Siegwurz ist auf Feuchtstandorten gegenüber jener auf Kalkmagerrasen um ca. eine bis zwei Wochen verzögert (Quinger et al. 1995). Äußere Witterungseinflüsse können sich sehr stark auf die Blühfähigkeit der Pflanze auswirken. So führen Überflutungen zu einer verminderten Einlagerung von Reservestoffen in die Knolle und damit im Folgejahr auch zu einer niedrigeren Blührate (Peintinger 2000). Auch hohe Temperaturen und damit erhöhter Stress durch Trockenheit führen zu einer geringeren Blührate (Peintinger 2000). Die Samenreife beginnt Mitte August und dauert bis September an. Je Fruchtstand entstehen 2 bis 4 Kapseln, in denen sich braune, ringsum geflügelte Samen befinden (Herrmann 2000). Der Fruchtansatz kann sehr stark variieren und liegt vor allem bei größeren Gruppen oft nur zwischen 25 und 50 % der blühenden Individuen. Die Samen der Sumpf-Siegwurz werden meist nur über relativ kurze Strecken durch den Wind ausgebreitet. Die meisten Samen fallen in der Regel in unmittelbarer Nähe der Mutterpflanze zu Boden. Nachdem die Pflanze verblüht ist, tritt nach etwa drei bis vier Wochen eine Vergilbung der Blätter und Blüten bzw. Fruchtstände ein, was ein Zeichen dafür ist, dass Reservestoffe in die Knolle zurückgezogen werden. Bis Ende September sind die oberirdischen Teile der Pflanze bereits fast vollständig abgestorben. Samen der Sumpf-Siegwurz sind nicht in der Lage, längere Zeit im Boden (in Form einer Samenbank) zu überdauern. Sie keimen im Frühjahr nach der Ausstreu. Daher ist es besonders wichtig, dass im Frühjahr Lücken in der Pflanzendecke für die Keimung vorhanden sind. Die Vermehrung der Sumpf-Siegwurz erfolgt überwiegend geschlechtlich (Ssymank 2006). Eine ungeschlechtliche Vermehrung führt zur Bildung kleiner Trupps von Pflanzen und ermöglicht keine Ausbreitung über größere Distanzen (Ssymank 2006). Zur Überwinterung bildet die Pflanze jährlich eine neue Knolle, die alte Knolle bleibt jedoch noch längere Zeit erhalten. Die unterirdische Knolle der Sumpf-Siegwurz kann auch als Überdauerungsorgan dienen. Bis jetzt gibt es noch keine genauen Angaben über die mögliche Dauer der Ruhezeit (geschätzt werden 5-10 Jahre).

Lokale Population

Abgrenzung der lokalen Population

Die Vorkommen der Sumpf-Siegwurz in Deutschland liegen im bayerischen Alpenvorland, in Baden-Württemberg und in Rheinland-Pfalz. Auffallend sind die eng begrenzte Verbreitung der Sumpf-Siegwurz und die großen Unterschiede hinsichtlich Populationsgröße und Besiedlungsdichte an den verschiedenen Wuchsorten. Die Vorkommen dieser Art sind räumlich stark voneinander isoliert. Daher kann jeder einzelne Wuchsort der Sumpf-Siegwurz als eine lokale Population betrachtet und abgegrenzt werden.

Gefährdung

Die Sumpf-Siegwurz ist hauptsächlich durch Lebensraumzerstörung, Flächenverlust und Nutzungswandel gefährdet.

Land- und Forstwirtschaft

Folgende Bewirtschaftungsmaßnahmen der Land- und Forstwirtschaft können sich nachteilig auf das Vorkommen der Sumpf-Siegwurz auswirken:

  • Brachfallen von extensiv genutztem Grünland:
    • Verfilzen und Zuwachsen der Flächen
    • Überwucherung durch das Rohr-Pfeifengras
    • Beschattung der Pflanzen durch aufwachsende Sträucher und Bäume
  • Nährstoffanreicherung durch Düngung der Wuchsorte oder benachbarter Nutzflächen
  • Veränderungen des Wasserhaushalts durch z.B. Entwässerung von Quellbereichen, Absenkungen des Grundwasserspiegels an Niedermoorstandorten. Die Art kann Austrocknung zwar tolerieren, reagiert jedoch empfindlich auf die durch Entwässerung bedingte Auswaschung von Basen
  • Nutzungsintensivierung durch Düngung und intensive Beweidung oder Mahd vor dem ersten August
  • Zu frühe Beweidung von Frisch- und Feuchtwiesen (zu hoher Viehbesatz, zu lange Weidezeit), denn die Art ist weideempfindlich
  • Verdrängung durch konkurrenzkräftige Pflanzen (z.B. Pfeifengras, Schilf) bei Brachfallen oder regelmäßig später Mahd (ab dem 1. Oktober)

Beeinträchtigungen durch die Landwirtschaft, die heutzutage an den bekannten Wuchsorten der Sumpf-Siegwurz nur mehr eine geringe Rolle spielen:

  • Die Umwandlung von Extensivgrünland in Äcker
  • Aufforstung von Frisch-, Feucht- und Nasswiesen
  • Trockenlegen von Feuchtwiesen

Sonstige Gefährdungsursachen

  • Flächenverluste durch den Abbau von Kies
  • Festlegung von Schutt- und Geschiebehängen mit Vorkommen der Sumpf-Siegwurz in den umlagerungsreichen Bereichen
  • Überbauung von Feuchtgrünland (nicht mehr akut wirksame Gefährdung)
  • Übermäßiges Betreten und Befahren der Flächen
  • Zu frühe Pflegemahd der Wuchsorte vor dem spätsommerlichen Umfärben der Triebe (erfolgt zumeist im August)

Erhaltungsmaßnahmen

Handlungsempfehlungen zur Erhaltung der lokalen Population der Sumpf-Siegwurz

Die Art wurde in der Vergangenheit durch extensive Wiesennutzung und Streunutzung gefördert. Diese Form der Nutzung verschwindet allerdings aus wirtschaftlichen Gründen immer mehr. Um Beeinträchtigungen der Sumpf-Siegwurz durch die heutige Bewirtschaftung zu verhindern bzw. zu minimieren, werden folgende Maßnahmen empfohlen:

Landwirtschaft

  • Einschürige Mahd ab Mitte August in warmen Tieflagen und ab Ende August in montanen Lagen bis 15. September (nicht später, um nicht ungewollt das Pfeifengras allzu sehr zu fördern); der günstigste Schnittzeitpunkt liegt unmittelbar nach dem Umfärben der Triebe und Aufplatzen der Fruchtstände der Sumpf-Siegwurz und vor Beginn des Umfärbens des Pfeifengrases
  • Um Bodenverwundungen zu erzeugen und möglichst viel Streu zu entfernen (schafft Keimnischen) sollte der Schwader möglichst tief eingestellt werden
  • Zu Pufferzwecken sollte in direkt angrenzenden Flächen die Düngergabe reduziert werden
  • Flächenerweiterung durch düngungsfreie Bewirtschaftung umliegender Wiesen; Mahdregime der wiederhergestellten Flächen bereits frühzeitig im mageren Glatthaferwiesen-Stadium auf einschürige Mahd umstellen, damit die Sumpf-Siegwurz erfolgreich einwandern kann
  • Einführung von extensiver Beweidung zur Schaffung von Lücken in der Pflanzendecke nur in den mechanisch schwer zu pflegenden Bereichen, in lichten Wäldern und an steilen Hängen (einzelfallabhängig bewerten); in den ebenen Schotterheiden an Lech und Isar ist Mahd stets der Beweidung vorzuziehen, eine Nachbeweidung vor allem im Winterhalbjahr ist jedoch wünschenswert

Sonstige Maßnahmen

An den Moorstandorten ist die Sumpf-Siegwurz heute in stärkerem Maße von Pflegeeingriffen abhängig als früher, da es durch Veränderungen im Wasserhaushalt und durch Nährstoffeinträge aus der Luft oder der Landwirtschaft zu einer verstärkten Einwanderung von Gebüschen und Bäumen kommt. Weiterhin gilt:

  • Die Flächen vor Bebauung und Kiesentnahme schützen
  • Erweiterung besiedelbarer Flächen durch Oberbodenabtrag und Mähgutübertragung (Sumpf-Siegwurz zeigt gute Besiedlungsfähigkeit)

Erhaltungszustand

  • Kontinentale Region: ungünstig - unzureichend
  • Alpine Region: ungünstig - unzureichend

Programme und Projekte

Finanzierungsinstrumente für Maßnahmen und Umsetzung von Managementplänen

  • Internetseite des BfN zu Finanzierungsoptionen von Maßnahmen im Rahmen der FFH- und Vogelschutzrichtlinie.
  • Internetseite der Europäischen Union zur Förderung des Umwelt- und Naturschutzes und von entsprechenden Projekten.
  • Förderwegweiser von Agrarumweltmaßnahmen (AUM) des Staatsministeriums für Umwelt und Gesundheit (StMUG): Vertragsnaturschutzprogramm (VNP/EA).

Projekte im Internet

  • Informationen zu Erhaltungskulturen für die Sumpf-Siegwurz

Literaturhinweise

Literaturhinweise zu Artenhilfsprogrammen

  • Brunzel, S. (2010): Ex-situ-Kultivierung und In-situ-Management als Beitrag zum Artenschutz. Am Beispiel von Frauenschuh (Cypripedium calceolus), Sumpf-Gladiole (Gladiolus palustris), Böhmischer Enzian (Gentianella bohemica) und Karpaten-Enzian (Gentianella lutescens). – Naturschutz und Landschaftsplanung 42 (5): 148-156.
  • Dolek, M., Quinger, B., Riegel, G., Scheuerer, M. & Woschée, R. (2009): Bewertungsschema für bayerische FFH-Anhang-Arten: Adenophora liliifoliaAsplenium adulterinumCaldesia parnassifoliaGentianella bohemicaGladiolus palustris und Stipa pulcherima subsp. bavarica. – Unveröffentlichtes Gutachten im Auftrag des Bayerischen Landesamtes für Umwelt (LfU), Augsburg, 25 S.
  • Riegel, G. (2007): Merkblatt Artenschutz 7, Sumpf-Gladiole, Gladiolus palustris. Bayerisches Landesamt für Umwelt, Augsburg, 4 S.
  • Riegel, G. (2008): Recherchen zur Bestandsituation der Sumpf-Gladiole (Gladiolus palustris) in Bayern. – Unveröffentlichtes Gutachten im Auftrag des Bayerischen Landesamtes für Umwelt, Augsburg, 10 S.
  • Schmitt, B., Fartmann, T. & Hölzel, N. (2010): Vergesellschaftung und Ökologie der Sumpf-Siegwurz (Gladiolus palustris) in Südbayern. – Tuexenia 30: 105-127.

Autor*in

Kontaktinformationen für weitere Auskünfte und Hilfestellungen

Für weitere Hinweise zur Art und Hilfestellungen für die Bewirtschaftung der Lebensräume wenden Sie sich bitte an die für Sie zuständige Naturschutzbehörde in Ihrer Region.

Experten

Günter Riegel
Zweckverband Allgäuer Moorallianz
Schwabenstr. 11
87616 Marktoberdorf

Burkhard Quinger
Kienbachstraße 7
82211 Herrsching

Martin Scheuerer
Büro für Angewandte Botanik
Peter-Rosegger-Str. 10
93152 Nittendorf

Martin Engelhardt
Ebertstr. 37
72072 Tübingen

Autoren

Maria Hanauer, Martin Scheuerer, Burkhard Quinger, Peter Poschlod

Unter Mitarbeit von

Günter Riegel, Christina Meindl, Christoph Reisch

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