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Bundesamt für Naturschutz

Lindernia procumbens - Liegendes Büchsenkraut

Geschützt nach
Anhang IV FFH-Richtlinie
EU-Code
1725
Artengruppierung
Farn- und Blütenpflanzen
Synonyme
Lindernia pyxidaria, Anagalloides procumbens, Europäisches Büchsenkraut
Status Rote Liste Deutschland
(Metzing et al. 2018): 2 (Stark gefährdet)
Status Rote Liste Europa
(Bilz et al. 2011): LC (Nicht gefährdet)
Verantwortlichkeit
(Metzing et al. 2018): Daten ungenügend, evtl. erhöhte Verantwortlichkeit zu vermuten

Beschreibung

Willst du gelten, mach dich selten

Das Liegende Büchsenkraut ist eine lila bis rötlich-violett blühende, einjährige Art, die in Deutschland in drei großen Gebieten zu finden ist - in der Oberrheinebene, im Elbegebiet und im Donaugebiet bzw. Regental. Hier besiedelt die hinsichtlich ihrer Wuchsansprüche sensible Pflanze vor allem trockengefallene Ufer von Teichen, Tümpeln, Altwässern und Flüssen. Die speziellen Keimungsbedingungen, zu denen gleichmäßig offener, feucht-nasser und nährstoffarmer Boden gehört, zählen zu den Hauptursachen für die Seltenheit des Liegenden Büchsenkrauts.

Lebensraum

Das Liegende Büchsenkraut kommt vor allem an trockenfallenden Ufern von Teichen, Tümpeln, Altwassern, Flüssen, Lehmgruben und Gräben vor. Zusammen mit weiteren einjährigen bzw. kurzlebigen Arten besiedelt es die nur kurz, bis zur nächsten Überflutung, zur Verfügung stehenden Schlammböden. Die Seltenheit der Art ist mit den speziellen Wuchsbedingungen zu erklären, die sich durch veränderte Landnutzung und Flussregulierung nur noch selten einstellen. Vor allem hinsichtlich der Keimung benötigt das Liegende Büchsenkraut gleichmäßig offenen, feucht-nassen und nährstoffarmen Boden.

Fortpflanzung/Biologie

Ökologie der Art

Das Liegende Büchsenkraut gilt als Pionierart auf wechselnassen, im Hochsommer trockenfallenden Böden von Teichen, Altwässern, Flüssen, Gräben und Stauseen. Es bevorzugt schlammige Sand- und Lehmböden, die nährstoffarm bis mäßig nährstoffreich und kalkarm bis mäßig kalkreich sind (Käsermann 1999). Die Art ist zudem wärmeliebend und sensibel gegenüber Austrocknung. Flache Überflutungen während der Wachstumsperiode kann das Liegende Büchsenkraut gut ertragen (Casper & Krausch 1981). Zusammen mit der Eiförmigen Sumpfbinse (Eleocharis ovata) ist es Teil der lückigen Zwergbinsengesellschaft. Als einjährige Art und durch die Bindung an sehr spezielle und oft stark schwankende Lebensbedingungen tritt die Pflanze nur sehr unbeständig auf. So kann sie über Jahre ausbleiben oder in einzelnen Jahren Massenbestände bilden. Dieses Verhalten ist durch sehr langlebige Samen möglich, die sich in einer unterirdischen Samenbank anreichern.

Beschreibung des Lebenszyklus im Zusammenhang mit Landnutzungsaktivitäten

Unter günstigen Bedingungen, wie etwa in wechselnassen, regelmäßig überfluteten Bereichen mit vielen offenen Bodenstellen, erscheint das Liegende Büchsenkraut aus einer langlebigen Samenbank und keimt nach Trockenfallen der Nassböden zur Pflanze aus. Die Art blüht in Mitteleuropa meist von Juli bis Oktober (Hauke 2003). Blühbeginn und -dauer hängen aber stark von den Bedingungen am Standort ab. Da die Blüten meist geschlossen bleiben, erfolgt eine Befruchtung vor allem durch eigenen Pollen (Selbstbefruchtung). Das Liegende Büchsenkraut vermehrt sich ausschließlich über Samen und nicht durch (klonales) Wachstum in Form von Ausläufern. Nach der Fruchtreife im Herbst sterben die Pflanzen ab (Sebald et al. 1996). Die Samen werden durch das Wasser und durch Wasservögel ausgebreitet. Da das Liegende Büchsenkraut stark von den oben erwähnten Keimungsbedingungen abhängig ist, verringert die Aufgabe von alten Landnutzungsformen (z.B. traditionelle Weiherwirtschaft mit Sömmerung, Ackerbau in staunassen Gebieten, Beweidung von Ufern und Röhrichten, Flachsröstgruben, Schweineweiden) sowie fehlende und lang anhaltende Niedrigwassersituationen durch Flussregulierung und -aufstau die Entwicklung der Art an diesen Standorten.

Lokale Population

Abgrenzung der lokalen Population

Als lokale Population des Liegenden Büchsenkrauts sind nach Experteneinschätzung Vorkommen in einzelnen Weihern, in Flussabschnitten (Altarm) und an trockengefallenen Ufern einzelner Flussabschnitte anzusehen. Die Abgrenzung eines Flussabschnitts sollte hinsichtlich Substrat, Wasserqualität und Fließgeschwindigkeit erfolgen. Sobald einer dieser Faktoren wechselt, beginnt ein neuer Abschnitt. Ein Altarm sollte grundsätzlich als ein eigener Abschnitt betrachtet werden, da er sich immer hinsichtlich Substrat und Fließgeschwindigkeit von dem eigentlichen Fließgewässer unterscheidet. Sobald sich zwischen zwei geeigneten Standorten ein Abschnitt mit anderen Standortbedingungen befindet, müssen die Vorkommen als getrennte lokale Populationen betrachtet werden.

In Brandenburg und Baden-Württemberg sind Vorkommen auch in zeitweise überschwemmten Ackerfurchen zu finden. Früher waren Vorkommen des Liegenden Büchsenkrauts auch auf Schweineweiden, in Hanf- bzw. Flachsröstgruben und Lehmgruben vorhanden.

Die drei Hauptvorkommen dieser Art in Deutschland sind sehr isoliert und es darf bezweifelt werden, ob noch genetischer Austausch zwischen den Vorkommen in der Oberrheinebene, im Elbegebiet, und im Donaugebiet und Regental besteht (Hauke 2003).

Gefährdung

Das Liegenden Büchsenkraut ist hauptsächlich durch die Aufgabe der traditionellen Landnutzungsformen und Änderungen des Wasserregimes gefährdet. Insbesondere führen fehlende Wasserstandsschwankungen zur Auslöschung der Art.

Land- und Fischereiwirtschaft

  • Aufgabe traditioneller Landnutzungsformen, die wechselnasse, periodisch überflutete Bereiche mit Offenbodenstörung geschaffen haben (z.B. traditionelle Weiherwirtschaft, Ackerbau in staunassen Gebieten, Flachsröstgruben, Schweineweiden in der Aue, Lehmgruben)
  • Drainage von Ackerflächen und Gräben
  • Nutzungsumwidmung von Acker in Grünland (speziell in Baden-Württemberg)

Sonstige

  • Trockenlegungen
  • Grundwasserabsenkungen (möglicherweise dadurch auch frühzeitigeres Erlöschen der Samenbank)
  • Wasserbauliche Maßnahmen, z.B. Regulierung durch Staustufen (aktuell insbesondere im letzten unausgebauten Bereich der Donau ein Problem, da dort noch sehr große Vorkommen bei Niedrigwasser vorhanden sind)
  • Entnahme von Schlammbänken durch Wasserwirtschaft
  • Nährstoffanreicherung und Entwicklung zu Röhrichten und Weidengebüschen
  • Bebauung und Wegebau
  • Freizeitnutzung (Umnutzung zu Badebetrieb mit Tretboot fahren)

Erhaltungsmaßnahmen

Handlungsempfehlungen zur Erhaltung der lokalen Population des Liegenden Büchsenkrauts

Nutzungsbedingte Beeinträchtigungen des Liegenden Büchsenkrauts gehen vor allem von fehlenden Wasserstandsschwankungen und veränderter Landnutzung aus. Um Beeinträchtigungen durch die Bewirtschaftung zu verhindern bzw. zu minimieren, werden folgende Maßnahmen empfohlen:

Landwirtschaft

  • Einführung alter Landnutzungsformen (z.B. Ackerbau in staunassen Gebieten, Flachsröstgruben, Beweidung von Ufern und Röhrichten, Schweineweiden)
  • Gezielte Aktivierung der langlebigen Bodensamenbank durch Umbruchmaßnahmen bzw. Anlage von Senken und Rinnen in der Aue
  • Bodenverdichtung mit wasserstauenden Maßnahmen (Schaffung von Wechselwasserbedingungen)

Fischereiwirtschaft

  • Aufrechterhaltung bzw. Wiedereinführung traditioneller Weiherbewirtschaftung: Verzicht auf Kalkung und Entschlammung, lange Sömmerung (April bis September)

Sonstige Maßnahmen

  • Rückbau wasserbaulicher Maßnahmen (Staustufen, aber auch Uferverbauungen)
  • Wiederherstellung des natürlichen Wasserhaushalts
  • Entschlammungsmaßnahmen in (nicht schiffbaren) Fließgewässern auf das absolut notwendige Maß beschränken, alternativ vermehrt Rückzugsraum schaffen
  • Bei Entschlammungsmaßnahmen im Bereich aktueller Vorkommen Überprüfung der Bodensamenbank
  • Bei Vorhandensein keimfähiger Samen Erhalt des Schlamms zur Re-Etablierung ausgestorbener Vorkommen oder Neubesiedlung an historisch alten oder potenziell geeigneten Standorten
  • Schaffung von Flachufern und Seigen in der Flussaue
  • Abschieben des Oberbodens

Erhaltungszustand

  • Kontinentale Region: ungünstig - schlecht

Programme und Projekte

Finanzierungsinstrumente für Maßnahmen und Umsetzung von Managementplänen

  • Internetseite des BfN zu Finanzierungsoptionen von Maßnahmen im Rahmen der FFH- und Vogelschutzrichtlinie.
  • Internetseite der Europäischen Union zur Förderung des Umwelt- und Naturschutzes und von entsprechenden Projekten.
  • Förderwegweiser des Bayerischen Staatsministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (StMELF) und Kulturlandschaftsprogramm (KULAP)
  • Förderwegweiser von Agrarumweltmaßnahmen (AUM) des Bayerischen Staatsministeriums für Umwelt und Verbraucherschutz (StMUV): Vertragsnaturschutzprogramm (VNP/EA).

Autor*in

Kontaktinformationen für weitere Auskünfte und Hilfestellungen

Für weitere Hinweise zur Art und Hilfestellungen für die Bewirtschaftung der Lebensräume wenden Sie sich bitte an die für Sie zuständige Naturschutzbehörde in Ihrer Region.

Experten

Martin Engelhardt
Ebertstr. 37
72072 Tübingen

Martin Scheuerer
Büro für Angewandte Botanik
Peter-Rosegger-Str. 10
93152 Nittendorf

Autoren

Steffen Heelemann, Peter Poschlod, Martin Engelhardt, Martin Scheuerer

Unter Mitarbeit von

Christina Meindl, Heiko Korsch

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