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Bundesamt für Naturschutz

Liparis loeselii - Sumpf-Glanzkraut

Geschützt nach
Anhang II FFH-Richtlinie
Anhang IV FFH-Richtlinie
EU-Code
1903
Artengruppierung
Farn- und Blütenpflanzen
Synonyme
Torf-Glanzkraut, Zwiebelorchis, Sumpf-Glanzstendel
Status Rote Liste Deutschland
(Metzing et al. 2018): 2 (Stark gefährdet)
Status Rote Liste Europa
(Bilz et al. 2011): EN (Stark gefährdet)
Verantwortlichkeit
(Metzing et al. 2018): Daten ungenügend, evtl. erhöhte Verantwortlichkeit zu vermuten

Beschreibung

Ein zarter grüner Schimmer im Moor

Das Sumpf-Glanzkraut ist eine zarte Pflanze mit glänzenden Blättern. Es wächst vorzugsweise in Flach- und Zwischenmooren sowie an der Nordsee in Dünentälern. Mit den sehr unscheinbaren gelbgrünen Blüten ist das Sumpf-Glanzkraut selbst zur Blütezeit nur schwer zu finden. Wie viele Orchideen ist es in der Lage eine sogenannte Sprossruhe durchzuführen. Dies bedeutet, die Pflanzen können mehrere Jahre als Knolle im Boden überdauern ohne oberirdisch in Erscheinung zu treten. Aufgrund der massiven Änderungen im Wasserhaushalt der Moore gilt diese Pflanze in Deutschland als stark gefährdet.

Merkmale des Sumpf-Glanzkrauts

Das Sumpf-Glanzkraut besitzt einen unauffälligen Blütenstand aus gelbgrünen Blüten und kann daher leicht übersehen werden.

Lebensraum

Das Sumpf-Glanzkraut besiedelt in Deutschland ganzjährig nasse, unbewaldete, basenarme und nährstoffarme bis mäßig nährstoffreiche Flach- und Zwischenmoore. Es kann dabei bis in eine Höhe von ca. 1.000 m über NN aufsteigen. Eine Besonderheit stellt das Vorkommen in Dünentälern auf den Ostfriesischen Inseln dar. Das Sumpf-Glanzkraut kann sowohl in natürlichen, nicht pflegeabhängigen Lebensräumen vorkommen, wie etwa in Kalkflachmooren und Dünentälern, aber auch in von menschlicher Nutzung bzw. Pflege abhängige Bereiche vordringen. So erklärt sich das Vorkommen in Lebensräumen, die nicht von Natur aus waldfrei sind. Als Ersatzlebensräume können in besonderen Fällen Sand- und Kiesgruben dienen, wenn ein basenreicher Grundwasserstrom vorhanden ist bzw. der Abbau bis auf Grundwasserniveau stattgefunden hat. Diese Vorkommen sind jedoch dauerhaft äußerst pflegebedürftig. In der Regel sind Vorkommen in diesen Lebensräumen sehr stark von einwandernden Gebüschen und Bäumen bedroht und daher langfristig nur mit hohem Aufwand zu erhalten.

Fortpflanzung/Biologie

Ökologie der Art

Das Sumpf-Glanzkraut ist ein Nässezeiger und besiedelt kontinuierlich bis zur Bodenoberfläche durchnässte, vorzugsweise quellig beeinflusste Flach- und Zwischenmoore sowie an der Nordsee basenreiche Dünentäler (Quinger et al. 2010). Die Böden sind nährstoffarm bis mäßig nährstoffreich, basenreich, oft kalkreich und höchstens schwach sauer (pH > 5,5). Das Glanzkraut kann gelegentliche Überflutung gut verkraften, allerdings nur wenn dabei nicht zu viel Feinmaterial abgelagert wird und wenn diese nicht über mehrere Wochen anhält (Quinger et al. 2010). Die Wuchsorte sind meist Kopfbinsen- und Kleinseggenriede, Quell-, Verlandungs- oder Durchströmungsmoore, Quellsümpfe oder Kalktuff-Bildungen, Verlandungsbereiche von Seen oder feuchte basenreiche Dünentäler an der Nordseeküste. In optimalen Lebensräumen gibt es offene (ohne Pflanzendecke) oder nur mit Moosrasen bewachsene Bodenstellen. Die ursprünglichen Wuchsorte des Sumpf-Glanzkrauts liegen in den natürlich waldfreien, im Wasserhaushalt nicht oder nur minimal veränderten Nieder- und Übergangsmooren sowie in Dünentälern. Zusätzlich konnte es nasse, jedoch natürlicherweise nicht waldfreie und daher nutzungsabhängige Kopfried- und Steifseggen-Riede besiedeln. Ersatzlebensräume wie Ton- und Kiesgruben werden vergleichsweise selten und nur kurzfristig besiedelt. Die Pflanze ist lichtliebend (Hauke 2003). Bei verstärkter Beschattung bildet sie keine Blüten mehr und die Grundblätter sind stark verkleinert.

Beschreibung des Lebenszyklus im Zusammenhang mit Landnutzungsaktivitäten

Ab Mitte April beginnt das Sumpf-Glanzkraut erste Blätter auszutreiben. Die Hauptblütezeit der Pflanze liegt in Deutschland im Juni (im Alpenvorland erfolgt mit steigender Höhenlage eine Verschiebung bis Mitte Juli). Äußere Witterungseinflüsse wirken sich sehr stark auf den Austrieb und die Blühfähigkeit der Pflanze aus, was zu starken Schwankungen in der jährlichen Blührate führen kann (Hauke 2003). Die Bestäubung der Blüten erfolgt vermutlich überwiegend mit eigenem Pollen, denn der überdurchschnittlich hohe Fruchtansatz deutet auf erfolgreiche Selbstbestäubung hin (Hauke 2003). Bisher konnten keine eindeutigen Bestäuber des Glanzkrauts sicher nachgewiesen werden (Ellmauer 2005). Die ungeschlechtliche Vermehrung spielt beim Sumpf-Glanzkraut eine wesentliche Rolle. Die Pflanze kann an Blattresten oder Knolle Brutknospen bilden und sich auf diesem Weg vermehren. Oft findet man daher kleinere Gruppen von Pflanzen an einem Fundort (Ziegenspeck 1936).

Im Spätsommer (ab 2. Augusthälfte) beginnt sich die Pflanze umzufärben und nimmt eine hell zitronengelbe Färbung an. Dies ist ein guter Mäh- und Monitoringzeitpunkt, da das Glanzkraut in diesem Stadium leichter im Gelände zu entdecken ist als zur Blütezeit und der Lebenszyklus weitgehend abgeschlossen ist. Wenn die Lebensbedingungen stimmen, bringt das Glanzkraut eine große Zahl staubfeiner Samen hervor. Die Fruchtkapseln reifen erst sehr spät im Jahr, während die Fruchtreife sogar erst im Februar des Folgejahres eintreten kann (Sebald et al. 1998).

Die sehr feinen und leichten Samen können durch den Wind grundsätzlich weit verbreitet werden. Allerdings zeigte sich bei Untersuchungen, dass eine Ausbreitung der Samen meist nur über wenige Meter in der Hauptwindrichtung stattfindet. Eine Samenbank im Boden kann das Sumpf-Glanzkraut nicht aufbauen.

Die Art benötigt mehrere Jahre von der Keimung bis zur Blüte. Der Wuchsort einer Pflanze verlagert sich jährlich um ungefähr einen Zentimeter, da jedes Jahr im Boden neue Knollen gebildet werden. Das Sumpf-Glanzkraut verfügt zudem über die Fähigkeit, mehrere Jahre hintereinander im Knollenstadium unterirdisch zu überdauern (Quinger et al. 1995, Wheeler et al. 1998). Durch diese Sprossruhe und durch verschiedene andere Faktoren (Feuchtigkeit, Witterungsverlauf, Spätfröste) kann es bei jährlichen Zählungen der Pflanzen zu erheblichen Schwankungen in der Populationsgröße sichtbarer Pflanzen kommen. In der Vergangenheit wurde die Art durch Streuwiesennutzung und extensive Beweidung gefördert.

Lokale Population

Abgrenzung der lokalen Population

Das Sumpf-Glanzkraut besitzt eine enge Bindung an basenreiche Flach- und Zwischenmoore. Dadurch sind Populationen in Flach- und Zwischenmooren sehr gut durch den Lebensraum an sich abgegrenzt. In Nordwest-Deutschland bilden die Dünentalkomplexe nach Experteneinschätzung (mit 500 m Abstand zwischen den Vorkommen) jeweils eine abgrenzbare lokale Population.

Gefährdung

Das Sumpf-Glanzkraut ist hauptsächlich durch Wasserstandsveränderungen in seinen Lebensräumen und durch Nutzungsveränderungen gefährdet.

Land- und Forstwirtschaft

Folgende Bewirtschaftungsmaßnahmen der Land- und Forstwirtschaft sowie des Küstenschutzes können sich nachhaltig auf Vorkommen des Sumpf-Glanzkrauts auswirken:

  • Veränderungen des Wasserhaushaltes. Das Glanzkraut reagiert sehr empfindlich auch auf scheinbar nur geringfügige Änderungen der Bodenwasserstände durch:
    • Absenkung des Grundwasserspiegels
    • Entwässerung infolge von Anlage oder Ausbau von Entwässerungssystemen (Gräben)
    • Überstauung und dadurch ggf. bedingte Ablagerungen von Bodenmaterial
    • Änderungen in der Durchströmung des Moorwasserkörpers (z.B. Richtungsänderung)
    • Veränderungen in der Chemie des Moorwasserkörpers (Ca+, pH-Wert etc.)
  • Nährstoffanreicherung der Standorte und der Umgebung durch landwirtschaftliche Nutzung (auch durch Einträge über Luft/Wasser)
  • Fortschreitende Einwanderung von Schilf und Gehölzen (v.a. Schwarz-Erle, Faulbaum) in den Ersatzlebensräumen infolge zu geringer oder fehlender Bewirtschaftung bzw. Pflege
  • In flussbegleitenden Moorstandorten können Ablagerungen von Bodenmaterialien bei durch Menschen verursachten Überstauungen von über 2-3 cm schädigend wirken

Sonstige Gefährdungsursachen

  • Nährstoffeintrag durch jagdliche Aktivitäten (Kirrung, Fütterung) soweit es sich nicht um geschützte Biotope handelt (dort sind jagdliche Aktivitäten verboten)
  • Anlage von jagdlichen Einrichtungen an Wuchsorten (z.B. Hochsitze)
  • Mechanische Verdichtung oder Veränderung der Standorte durch die Verwendung von ungeeigneten Pflege-Geräten (z.B. Geräte mit zu hoher Bodenaufdrucklast)
  • An den ostfriesischen Wuchsorten an der Nordsee tritt eine Gefährdung durch Küstenschutzmaßnahmen ein, vor allem durch das Abschneiden basenreicher Dünentäler vom Hochwassergeschehen der Nordsee, z.B. durch vorgesetzte Querdämme
  • In Bayern besteht eine Gefährdung mancher Wuchsorte durch den Aufstau von Gewässern durch den Biber
  • Überstauung der Lebensräume über einen Zeitraum von mehreren Monaten (> 2)
  • Störung des Durchströmungscharakters (z.B. bei Vorkommen an alten Seeterrassen). Durch zu starke Erhöhung des angrenzenden Seewasserspiegels kann nährstoffreicheres Wasser einfließen. Gefährdend ist auch die Unterbindung oder Verminderung des Zustroms basenreichen Wassers in natürlicher Zustromrichtung oder Störungen des Quellwasserzustromes (z.B. in lokalen Einzugsgebieten von Hang- und Quellmooren)
  • Trittbelastung (z.B. durch Fotografen)

Erhaltungsmaßnahmen

Handlungsempfehlungen zur Erhaltung der lokalen Population des Sumpf-Glanzkrauts

Nutzungsbedingte Beeinträchtigungen des Sumpf-Glanzkrauts gehen vor allem von der Landwirtschaft aus. Um Beeinträchtigungen durch die Bewirtschaftung zu verhindern bzw. zu minimieren, werden folgende Maßnahmen empfohlen:

Landwirtschaft

  • Keine Entwässerungsmaßnahmen zur leichteren Bewirtschaftung der Lebensräume des Sumpf-Glanzkrauts
  • Nährstoffeinträge von benachbarten Nutzflächen unbedingt vermeiden und gegebenenfalls abstellen (Einrichtung wirksamer Pufferzonen, Extensivierung der Wirtschaftsflächen)
  • An Wuchsorten mit nutzungsabhängigen Pflanzengemeinschaften im Binnenland regelmäßige, möglichst jährliche Streumahd ab Ende (nicht vor Mitte) September, Schnittgut abtransportieren. Ein kurzwüchsiger Pflanzenbewuchs im Winter ist für das Glanzkraut förderlich
  • Bodenschonendes Gerät verwenden (Gefahr der Bodenverdichtung, Querrillen), jedoch scharfes Schwadern zur Schaffung von Keimlücken in der meist geschlossenen Moosschicht von Vorteil
  • Im Falle von vorhandenen Moorweiden: Koppelstandweide als Verfahren nur in Großweideflächen praktizieren, ansonsten Umtriebsweideverfahren bevorzugen (in Zwischenmooren scheidet Beweidung als Erhaltungsmaßnahme von vorneherein aus)

Sonstige Maßnahmen

  • Bei Frühjahrsmahd zur Schilfbekämpfung (im Mai/Juni) den Schnitt 10-15 cm hoch einstellen, um die Pflanzen zu schonen (Anmerkung: Eine mögliche Beeinträchtigung von Bodenbrütern durch die Mahd sollte einzelfallabhängig geprüft werden)
  • Keine Entwässerungs- und Regulierungsmaßnahmen des Wasserhaushalts im gesamten hydrologischen Einzugsgebiet und hydrologisches Einzugsgebiet großräumig schützen
  • Naturnahe Durchströmungsverhältnisse müssen erhalten bzw. wiederhergestellt werden
  • Gegebenenfalls erwünschte Wasserstandsanhebungen sehr langsam und behutsam durchführen (wenige Zentimeter pro Jahr) – keine Überstauung!
  • In Norddeutschland natürliche Küstendynamik mit Wassereinbrüchen bei Sturmfluten bis in die Dünentäler nicht unterbinden
  • Bei nährstoffreichen und schilfreichen Standorten jährlich mähen (Biomasseentzug)
  • Für jeden Wuchsort individuellen Pflegeplan erstellen

Erhaltungszustand

  • Atlantische Region: ungünstig - schlecht
  • Kontinentale Region: ungünstig - unzureichend
  • Alpine Region: ungünstig - unzureichend

Programme und Projekte

Finanzierungsinstrumente für Maßnahmen und Umsetzung von Managementplänen

  • Internetseite des BfN zu Finanzierungsoptionen von Maßnahmen im Rahmen der FFH- und Vogelschutzrichtlinie
  • Internetseite der Europäischen Union zur Förderung des Umwelt- und Naturschutzes und von entsprechenden Projekten.
  • Förderwegweiser des Bayerischen Staatsministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (StMELF) und Kulturlandschaftsprogramm (KULAP)
  • Förderwegweiser von Agrarumweltmaßnahmen (AUM) des Bayerischen Staatsministeriums für Umwelt und Verbraucherschutz (StMUV): Vertragsnaturschutzprogramm (VNP/EA).

Literaturhinweise

Literaturhinweise zu Artenhilfsprogrammen

  • Quinger, B., Zehm, A., Niederbichler, C., Wagner, I. & Wagner, A. (2010): Merkblatt Artenschutz 36, Sumpf-Glanzkraut, Liparis loeselii. – Bayerisches Landesamt für Umwelt, Augsburg, 4 S.
  • Wagner, A., Wagner, I., Lang, A., Mayr, C., Niederbichler, C., Quinger, B. & Schneider, G. (2009): Nach Anhang II FFH-Richtlinie geschützte Arten: Liparis loeselii – Glanzstendel, Bayernweite Bestandskontrolle 2008/2009. – Unveröffentlichtes Gutachten im Auftrag des Bayerischen Landesamtes für Umwelt, Augsburg, 50 S.

Autor*in

Kontaktinformationen für weitere Auskünfte und Hilfestellungen

Für weitere Hinweise zur Art und Hilfestellungen für die Bewirtschaftung der Lebensräume wenden Sie sich bitte an die für Sie zuständige Naturschutzbehörde in Ihrer Region.

Experten

Dr. Frank Zimmermann
Landesamt für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz des Landes Brandenburg, Ref. Ö2
Seeburger Chaussee 2
14476 Potsdam

Dr. Eckhard Garve
Niedersächsischer Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN)
Betriebsstelle Süd
Rudolf-Steiner-Str. 5
38120 Braunschweig

Burkhard Quinger
Kienbachstr. 7
82211 Herrsching

Martin Engelhardt
Ebertstr. 37
72072 Tübingen

Martin Scheuerer
Peter-Rosegger-Str. 10
93152 Nittendorf

Autoren

Maria Hanauer, Frank Zimmermann, Eckhard Garve, Burkhard Quinger, Martin Engelhardt, Martin Scheuerer, Peter Poschlod

Unter Mitarbeit von

Christina Meindl, Christoph Reisch

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