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Bundesamt für Naturschutz

Natrix tessellata - Würfelnatter

Geschützt nach
Anhang IV FFH-Richtlinie
EU-Code
1292
Artengruppierung
Reptilien
Status Rote Liste Deutschland
(Rote-Liste-Gremium Amphibien und Reptilien 2020): 1 (Vom Aussterben bedroht)
Status Rote Liste Europa
(Cox 2009): LC (Nicht gefährdet)
Verantwortlichkeit
(Rote-Liste-Gremium Amphibien und Reptilien 2020): In besonderem Maße für hochgradig isolierte Vorposten verantwortlich

Beschreibung

Wanderer zwischen Land und Wasser

Die Würfelnatter ist eng an Gewässerlebensräume gebunden und besiedelt in Deutschland klimatisch begünstigte Fließgewässer mit hoher durchschnittlicher Sonneneinstrahlung. Ihre Lebensräume beinhalten fischreiche Gewässer mit einer reich gegliederten Uferzone, die durch Gebüsche, Kies- und Schotterbänke gegliedert werden, sowie besonntes Hinterland mit felsigen Hängen, Bahn- und Straßendämmen und Trockenmauern. Gefährdet ist die Würfelnatter besonders durch Lebensraumzerstörung sowie verstärkte Freizeitnutzung.

Merkmale der Würfelnatter

Der Name Würfelnatter leitet sich aus der würfelförmigen Zeichnung der Schlange ab.

Lebensraum

Aufgrund ihrer Lebensweise ist die Würfelnatter an Gewässerlebensräume gebunden. Es handelt sich um wärmebegünstigte Gewässerabschnitte mit reicher Lebensraumausstattung und Fischreichtum. Bevorzugt werden von ihr naturnahe Uferabschnitte mit typischen Auengehölzen und Hochstaudenfluren im Wechsel mit Kies- und Schotterbänken.

Flachgründige, sich schell erwärmende Gewässerabschnitte in denen sich bevorzugt Fischbrut aufhält, begünstigen ihr Vorkommen. Im Bereich von kluftreichen Flächen, wie Weinbergsbrachen, Trockenmauern, Blockschutthalden, Bahndämmen, etc., die mehr oder weniger weit vom Ufer entfernt sein können, findet die Schlange geeignete Sonnplätze, Versteckplätze und Winterquartiere. Zur Eiablage werden oft Anhäufungen von Getreibsel genutzt.

Fortpflanzung/Biologie

Ökologie der Art

Die Würfelnatter besiedelt innerhalb Deutschlands inselartig kleine Teilabschnitte im Bereich der Flußauen von Mosel, Lahn und Nahe. An der Elbe bei Meißen wurde die Art seit 1999 wieder angesiedelt. In Deutschland besitzt die Würfelnatter als Wassernatter eine hohe Bindung an Lebensräume in großen, wärmegetönten Fließgewässerauen mit naturnahen Lebensraumelementen. Sie besiedelt fischreiche Gewässerabschnitte mit geringer Wasserströmung in denen sich auch häufig die Fischbrut aufhält. Die Uferböschungen (Spülsaum), oder je nach Wasserstand Flussschotter- oder Kiesbänke weisen günstigstenfalls ein Lückensystem auf, das zur Thermoregulation (Regulierung ihrer Körpertemperatur) und Flucht genutzt wird. Das nähere Gewässerumfeld weist häufig eine geringe Nutzung und einen Offenlandcharakter auf. Hier liegen auch die Eiablageplätze. Als „Brutstätte“ werden häufig Ansammlungen von verrottendem Pflanzenmaterial (z.B. Getreibsel, liegen gebliebene Mahdhaufen, o.ä.) genutzt, da in Folge der Zersetzungsprozesse Wärme entsteht, die die Schlangeneier quasi „ausbrütet“. Die frostfreien und hochwassersicheren Winterquartiere liegen meist im näheren Gewässerumfeld, selten mehr als 200 m entfernt. Oft handelt es sich um kluft- und spaltenreiches Gelände, auch Trockenmauern oder Blockschutthalden werden zur Überwinterung aufgesucht. Besonders günstige Bedingungen findet die Art offensichtlich in Weinberggebieten.

Die Nahrung der Würfelnatter besteht überwiegend aus Fischen, die aktiv schwimmend (jagend) oder an Strukturen im Gewässer verankert (lauernd) erbeutet werden.

Beschreibung des Lebenszyklus im Zusammenhang mit Landnutzungsaktivitäten

Die Winterruhe endet bei der Würfelnatter durchschnittlich im April (frühestens Anfang April) (Gruschwitz & Günther 1996). Bei Wassertemperaturen oberhalb etwa 12°C sind Würfelnattern ausreichend beweglich, um auf Jagd zu gehen. Im Frühling nutzen die Schlangen sonnige Tage zur Thermoregulation (Regulierung ihrer Körpertemperatur) und sind dann häufiger sonnend im Gelände anzutreffen. Die Paarung erfolgt je nach Wetterverlauf meistens zwischen Mitte Mai und Ende Juni. Da sich die Tiere in dieser Jahreszeit meistens zur Beutejagd am Gewässer aufhalten, finden die Paarungen auch häufig in Gewässernähe, bevorzugt im deckungsreichen Gelände statt. Die Eiablageplätze (Rottehaufen) werden von den Weibchen meist Ende Juni bis Ende Juli aufgesucht. Die Jungtiere schlüpfen gewöhnlich in der Zeit zwischen Anfang August und Mitte September. Spätestens Ende Oktober werden die Winterquartiere wieder aufgesucht.

Bei der Bewirtschaftung von Flächen innerhalb des Siedlungsgebiets von Würfelnatterpopulationen sind zunächst die jahreszeitlich bedingten Aktivitätsphasen zu berücksichtigen. Während der Winterruhe ist kaum mit Konflikten zu rechnen, wenn nicht in geeignete Winterquartiere (z.B. Trockenmauern, Blocksteinschüttungen, Böschungen mit Verdacht auf Winterquartiere) eingegriffen wird. Zwischen April und Oktober steht die Aktivität der Würfelnatter im engen Zusammenhang mit dem täglichen Temperaturverlauf. Um Würfelnatterpopulationen nicht zu schädigen, können Bewirtschaftungsmaßnahmen nur an Tagen mit durchschnittlich kühlen Temperaturen und geschlossener Wolkendecke oder an sehr heißen Tagen, bei sonnigem Wetter mit Temperaturen weit über 25°C durchgeführt werden. In den Sommermonaten beschränkt sich die tägliche Aktivitätsphase meist auf die Morgen- und Abendstunden. Landnutzungsaktivitäten innerhalb dieser jahreszeitlichen Aktivitätsphase bei wechselnder Bewölkung und mittleren bis kühleren Temperaturen sollten unterbleiben, da die Tiere dann verstärkt das offene Gelände aufsuchen.

Lokale Population

Abgrenzung der lokalen Population

Wegen ihrer engen Bindung an reich gegliederte und wärmegetönte Flußauenabschnitte, die nur noch an wenigen Stellen innerhalb ihres Verbreitungsgebiets in Deutschland vorhanden sind, gibt es derzeit kaum Ausbreitungsmöglichkeiten. Die drei Vorkommen in Rheinland-Pfalz gliedern sich in neun lokale Populationen (Mosel: 1, Lahn: 2 und Nahe: 6). Die lokalen Populationen sind mehr oder weniger klar voneinander abgrenzbar. Die angesiedelte Population in Sachsen kann als eine lokale Population gelten.

Eine Abgrenzung der lokalen Population ist immer dann besonders auffallend, wenn die Siedlungen bis an die Ufer reichen und einen Bruch im Lebensraumverbund erzeugen. Über ein großräumiges Wanderverhalten der Würfelnatter, soweit das in ihren Lebensräumen überhaupt noch möglich ist, ist nichts bekannt (vgl. Gruschwitz & Günther 1996).

Gefährdung

Die Würfelnatter ist hauptsächlich durch Lebensraumzerstörung, Flächenverlust und Verinselung von Individuengemeinschaften vor allem durch Flächeninanspruchnahme wie der Ausweitung des Siedlungsbaus, Ausbau der Verkehrswege und durch das Freizeitverhalten der Menschen betroffen.

Landwirtschaft

Folgende Maßnahmen des Weinbaus können sich nachhaltig auf Vorkommen der Würfelnatter auswirken:

  • Verlust von Offenlandflächen, z.B. durch die Aufgabe des Weinbaus und einsetzenden Gehölzaufwuchs

Sonstiges

  • Flächenverluste durch Gewässerregulierung
  • Verlust von Lebensraumelementen in den Würfelnatter-Lebensräumen u.a. durch Beseitigung von Treibgut, Abbaggern oder Verschütten von Kiesanlandungen
  • Verletzungen/Tötungen von Individuen durch Wasserkraft (Turbinen)
  • Flächenverluste (z.B. Siedlungsentwicklung in Talauen, Ausweitung von Wohn- und Gewerbegebieten)
  • Landschaftsveränderung durch den Neu- und Ausbau von Verkehrswegen (z.B. Straßen- und Radwegebau in Ufernähe). Insbesondere die Radwege bilden ein schon heute erhebliches Gefährdungsrisiko.
  • Verfugen von Bruchsteinmauern (insbesondere bei Nutzung als Winterquartier)
  • Überwachsen offener Uferlebensräume durch sich stark ausbreitende fremdländische Pflanzen, auch in Verbindung mit Nährstoffeinträgen (Düngung) in die Uferlebensräume
  • Nutzungsänderung (z.B. steigender Freizeitbetrieb im und am Gewässer, Zeltplätze)
  • Direkte Störung und Verfolgung durch den Menschen
  • Freizeitnutzung (Boote, insbes. mit Motor (Schiffsschraube), Radwege, Angelsport in Kernlebensräumen, wilde Lagerstätten)
  • Felssicherungsmaßnahmen (u.a. Beschattung von Sonnenplätzen durch Fangzäune, Eingriffe durch die Beseitigung von Gesteinsschutt aus dem Bereich der Fangzäune, Zubetonieren von Fugen und Spalten in Felsbereichen)

Die zusätzliche Verbauung von Fließgewässern ist derzeit keine aktuelle Gefährdungsursache, da offenkundig keine weiteren Projekte mehr anstehen, sondern eher die Wiederherstellung zu naturnahen Fließgewässern durchgeführt wird. Punktuell gibt es aber immer wieder gravierende Eingriffe z.B. in Form von Hochwasserschutzmaßnahmen, dem Bau von Fischtreppen, Reparaturen oder auch dem Neubau von Wehranlagen. Auch die Gewässerverschmutzung stellt momentan keine aktuelle Gefährdung dar. Die Reusenfischerei, soweit sie in Rheinland-Pfalz überhaupt betrieben wird, zeigt derzeit keine Auswirkungen auf die Vorkommen der Würfelnatter.

Erhaltungsmaßnahmen

Handlungsempfehlungen zur Erhaltung der lokalen Population der Würfelnatter

Neben den kaum mehr zu beseitigenden Beeinträchtigungen erfolgter Flächeninanspruchnahme und erfolgter Fließgewässerregulierungen in den relevanten Flußauen gibt es weitere beeinträchtigende Entwicklungen aufgrund von Bewirtschaftungsmaßnahmen. Der Ausbau der Freizeiteinrichtungen und Verkehrswege bzw. deren Erhalt führen neben dem Flächenverlust zu nutzungsbedingten, funktionalen Einschränkungen in den Teillebensräumen der Würfelnatter. Bei der Führung von Wegen in Gewässernähe besteht vor allem die Gefahr des Überfahrens.

Um Beeinträchtigungen durch Bewirtschaftung/Nutzung zu verhindern bzw. zu minimieren, werden folgende Bewirtschaftungsmaßnahmen empfohlen:

Landwirtschaft

  • In Lebensräumen der Würfelnatter grundsätzlich mit Balkenmähern arbeiten. Verzicht auf Mähgeräte, die schnelles Mähen ermöglichen und so die Fluchtmöglichkeiten der Schlangen verringern (Kreiselmäher). Der Einsatz von Kreisel- und Schlägelmähern ist zu vermeiden.
  • Die Einstellung der Mähgeräte ist so zu wählen, dass die Wahrscheinlichkeit der Tötung von Würfelnattern so gering wie möglich ist. Schnitthöhe von mind. 15 cm während der Aktivitätsphasen der Tiere.
  • Keine gewässernahe Wiesenmahd (< 200 m) an Tagen mit wechselnder Bewölkung
  • Bei landwirtschaftlich genutzten Grünlandflächen ist eine den Bedürfnissen der Art angepasste Beweidung der Mahd vorzuziehen.

Weinbau

  • Erhalt von Trockensteinmauern bei Rebflurbereinigung
  • Keine Verfugung von Trockensteinmauern und kein Ersatz von Lesesteinmauern durch (natursteinverblendete) Betonmauern innerhalb und außerhalb von Weinbergen in der Nähe zu Würfelnatterlebensräumen.
  • Kein Abriss oder Sanierung von Lesesteinmauern im Winter (nicht nur in Weinbergen).

Fischereiwirtschaft

  • Obwohl derzeit von einer Gefährdung durch den möglichen Einsatz von Reusen nicht ausgegangen werden kann, sollte der Reusenfang im Einzugsbereich von Würfelnattern unterbleiben.
  • Organische Anschwemmungen (Getreibsel) und Treibguthaufen nicht beseitigen, da hier Eiablageplätze liegen können.
  • 15 m breiter Schutzstreifen an den Fließgewässern von beschattenden Gehölzen freihalten (einzelne Bäume/Sträucher nach Möglichkeit stehen lassen) und konkurrierende Nutzungen unterlassen. Wenig genutzte Wiesenareale oder Grünland sind grundsätzlich gut geeignete Lebensräume entlang der Gewässer außerhalb des direkten Uferbereiches.

Allgemein gilt für bewirtschaftete Flächen

  • Kein Ausbau von bestehenden Wirtschaftswegen, keine Neuanlage von Wegen im Bereich der Würfelnatterlebensräume.

Daraus lässt sich insgesamt ableiten, dass eine Bewirtschaftung von Würfelnatterlebensräumen nur auf die Bedürfnisse der Art abgestimmt und außerhalb der oberirdischen Aktivitätsphasen möglich ist, das heißt bei i.d.R. sehr kühlem oder sehr heißem Wetter.

Sonstige Maßnahmen

  • Wiederherstellung natürlicher Gewässerabschnitte, Entfernen von Staustufen und Wehren.
  • Erhalt/Schaffung halboffener Lebensräume im Fließgewässerumfeld mit reichem Angebot an Lückensystemen (Steinhaufen, Totholz etc.)
  • Erhalt einer reich gegliederten halboffenen Landschaft, wie sie vielerorts in den Weinbaugebieten an Mosel und Nahe noch zu finden ist.
  • Rückbau bzw. Verlegung von Radwegen

Programme und Projekte

Finanzierungsinstrumente für Maßnahmen und Umsetzung von Managementplänen

  • Internetseite des BfN zu Finanzierungsoptionen von Maßnahmen im Rahmen der FFH- und Vogelschutzrichtlinie
  • Finanzierungsmöglichkeit der EU zur Förderung von Umwelt- und Naturschutz-Projekten in Europa, LIFE+
  • Internetseite zu Artenhilfsprogrammen des Landesamtes für Umwelt, Wasserwirtschaft und Gewerbeaufsicht Rheinland-Pfalz

Projekte im Internet

  • Internetseite zum Würfelnatterprojekt der Deutschen Gesellschaft für Herpetologie und Terrarienkunde, des Bundesamtes für Naturschutz, des Ministeriums für Umwelt und Forsten Rheinland-Pfalz, des Sächsischen Staatsministeriums für Umwelt und Landesentwicklung sowie der RWE Energie AG (heute Amprion GmbH).

Literaturhinweise

Literaturhinweise zu Artenhilfsprogrammen

  • Lenz, S. & Gruschwitz, M. (1992): Artenschutzprojekt Würfelnatter (Natrix tessellata). – Fauna und Flora in Rheinland-Pfalz, Beiheft 6: 55-60.

Autor*in

Kontaktinformationen für weitere Auskünfte und Hilfestellungen

Für weitere Hinweise zur Art und Hilfestellungen für die Bewirtschaftung der Lebensräume wenden Sie sich bitte an die für Sie zuständige Naturschutzbehörde in Ihrer Region.

Experten

Sigrid Lenz
Am Wallgraben 8
56751 Polch

Autoren

Manfred Henf, Dirk Alfermann

Unter Mitarbeit von

Ina Blanke, Lutz Dalbeck, Johannes Hill, Rudolf Klepsch, Matthias Kuprian, Maren Laube, Sigrid Lenz, Andreas Malten, Matthias Simon, Karola Szeder, Thomas Widdig, Sibylle Winkel, Annette Zitzmann

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