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Bundesamt für Naturschutz

Oenanthe conioides - Schierling-Wasserfenchel

Geschützt nach
Anhang II FFH-Richtlinie
Anhang IV FFH-Richtlinie
EU-Code
1601*
Artengruppierung
Farn- und Blütenpflanzen
Synonyme
Phellandrium conioides, Selinum conioides, Oenanthe luxuriens, Oenanthe phellandrium var. latifolia, Tide-Wasserfenchel, Schierlings-Pferdesaat, Schierlings-Rebendolde
Status Rote Liste Deutschland
(Metzing et al. 2018): 1 (Vom Aussterben bedroht)
Status Rote Liste Europa
(Bilz et al. 2011): DD (Angaben nicht ausreichend)
Verantwortlichkeit
In besonders hohem Maße verantwortlich

Beschreibung

Ein bedrohtes Hamburger Original

Der sehr seltene Schierlings-Wasserfenchel ist ein echtes Nordlicht und kommt nur in den von Ebbe und Flut beeinflussten Elbbereichen rund um Hamburg vor. Hier wächst er bevorzugt auf durch natürliche Flussdynamik entstandenen, offenen Schlickböden an strömungsberuhigten Ufern. Diese Standorte kann er durch angeschwemmte Samen besiedeln und dann eine imposante Höhe von 1,5 bis 2 Metern erreichen.

Verbreitung

Die Art kommt nur in Deutschland an der Elbe und ihren Nebenflüssen im Bereich des Tideeinflusses vor. Nachweise gibt es aus Hamburg, Schleswig-Holstein und Niedersachsen. Sie wächst auf tidebeeinflussten Flächen mit periodisch überschwemmten Schlick- und z. T. auch Sandböden. Auch durch Baggeraushub entstandene Flächen können zeitweise besiedelt werden.

Lebensraum

Der Schierlings-Wasserfenchel kommt nur in Norddeutschland an der Elbe und ihren tidebeeinflussten Nebenflüssen vor und ist deshalb eine für Mitteleuropa endemische Art. Standorte sind aus Hamburg, Schleswig-Holstein und Niedersachsen bekannt. Hier wächst er überwiegend auf Schlickböden, die durch Tidenhub (Ebbe und Flut) periodisch überschwemmt sind. Auch durch Baggeraushub entstandene Flächen können durch den Schierlings-Wasserfenchel besiedelt werden, sofern im Baggergut keimfähige Samen enthalten waren. Diese haben jedoch keine Verbindung mehr zu den natürlichen Vorkommen an der Elbe und werden von schneller wachsenden Pflanzen verdrängt.

Fortpflanzung/Biologie

Die Art vermehrt sich durch Samen, die im Herbst keimen, so dass die Pflanze den Winter als Rosette überdauert, je nach Bodenverhältnissen z. T. aber auch erst im Frühjahr. Blüte ist Juni und Juli. Nach der Samenreife (Sommer und Herbst) sterben die Pflanzen ab. Die Art ist ein ausgesprochener Pionier vegetationsfreier und -armer Standorte.

Ökologie der Art

Der Schierlings-Wasserfenchel wächst an den schlickigen Ufern von Prielen und Buhnenzwischenräumen des Süßwasser-Gezeitenbereichs der Elbe. Diese Abschnitte werden von Ebbe und Flut der Nordsee beeinflusst, der Wasserkörper wird allerdings vom Süßwasser der Elbe bestimmt. Die regelmäßigen Tide-Überflutungen führen zu einem Wechselspiel von Bodenabtrag und -anschwemmung. Als kurzlebige Art mit eher gering ausgebildetem Wurzelwerk bevorzugt der Schierlings-Wasserfenchel wenig- oder unbewachsene Schlammböden in strömungsberuhigten Bereichen der Elbe (Below 2001, Hauke 2003). Neben Schlickböden besiedelt der Schierlings-Wasserfenchel auch Sandböden, allerdings zählen diese nicht zu seinen bevorzugten Wuchsorten, da er dort leicht ausgewaschen werden kann. Er wächst in einer spezifischen Gewässerzone: diese umfasst im Maximum einen Bereich von 170 cm unter dem mittleren Tidehochwasser bis 10 cm darüber. An seiner unteren Vorkommensgrenze stehen die Pflanzen bei jeder Flut ungefähr vier Stunden unter Wasser, die hoch gelegenen Pflanzen dagegen nur ca. zwei Stunden. Der Optimalbereich liegt laut Below (2001) zwischen 30 und 170 cm unter dem Mitteltidehochwasser.

Auch wenn der Schierlings-Wasserfenchel nicht als absoluter Erstbesiedler anzusehen ist, so ist er dennoch auf Lücken in der Pflanzendecke angewiesen (Neubecker pers. Mitt.). Er taucht entweder in einem sehr frühen Besiedelungsstadium zusammen mit typischen Arten wie dem Wasserpfeffer (Polygonum hydropiper) und der Echten Brunnenkresse (Nasturtium officinale) oder aber in Lücken von Röhricht (v.a. Schilfrohr – Phragmites australis) bzw. im Halbschatten von Baumweiden angrenzend an die Röhrichtzone auf (Below et al. 1996). Um geeignete Bereiche besiedeln zu können, müssen Samen diese direkt erreichen können (Hauke 2003). Dies geschieht hauptsächlich durch Wasserströmungen, die die zu tausenden pro Individuum gebildeten Samen verdriften. Eben diese Strömungen sind auch für das Verlagern von Boden und der darin befindlicher Samen (Samenbank) verantwortlich (Below 1999). Die Samen sind nicht an eine Ausbreitung durch Vögel angepasst, was die eingeschränkte Verbreitung im Elbgebiet erklären könnte.

Beschreibung des Lebenszyklus im Zusammenhang mit Landnutzungsaktivitäten

Der Schierlings-Wasserfenchel blüht von Juni bis Juli und wird durch Schwebfliegen, Käfer und Bienen bestäubt. Eine Selbstbestäubung ist nicht möglich. Nach der anschließenden Samenreife sterben die Pflanzen Ende August ab (Below 1999). Die fast zwei Tage schwimmfähigen Samen werden mit den Wasserströmungen oder dem Bodenmaterial verbreitet und können sowohl am Grund als auch im Wasser keimen und werden anschließend an geeinigte Wuchsstandorte weiterverfrachtet (Below 1999, Hauke 2003). Untersuchungen haben gezeigt, dass die Keimung der Samen durch wechselnde Temperaturbedingungen gefördert wird und dadurch das Erkennen von Lücken in der Pflanzendecke bzw. von nicht überfluteten Bereichen möglich ist (Jensch & Poschlod 2008). Die Samen keimen vorwiegend im Herbst und überdauern den Winter als Rosette. Eine dichte Laubstreuauflage kann sich negativ auf die Überwinterungsfähigkeit auswirken. Ein zweiter Keimungszeitpunkt liegt im Frühjahr. Die Pflanzen benötigen dann ein weiteres Jahr, um zur Blüte zu gelangen.

Ein Teil der im Boden befindlichen Samen kann auf unbewachsenen und elbfernen Spülflächen, die durch Ausbaggerungen entstehen, kurzfristig neue Vorkommen gründen. Diese werden jedoch schnell von dichterem Pflanzenbewuchs verdrängt (Hauke 2003).

Lokale Population

Abgrenzung der lokalen Population

Der Schierlings-Wasserfenchel kommt nur in Norddeutschland an der Elbe und ihren tidebeeinflussten Nebenflüssen vor. Die bekannten Standorte befinden sich rund um Hamburg in den Bundesländern Hansestadt Hamburg, Schleswig-Holstein und Niedersachsen. Die Abgrenzung einer lokalen Population ist aufgrund der ständig vorherrschenden Gezeitendynamik schwierig. Die regelmäßige Verlagerung von Bodenmaterialien und des darin befindlichen Samenreservoirs führt zur Ausdehnung des Wuchsbereichs über einzelne, offensichtlich lokalisierbare Gruppen von Individuen hinaus. Deshalb sollten nach Experteneinschätzung miteinander in Verbindung stehende Gewässersysteme den Umfang einer lokalen Population darstellen.

Gefährdung

Die Hauptgefährdung besteht in einer Vernichtung der durch die Tide geprägten Wuchsorte. In der Vergangenheit sind durch Maßnahmen zur Verbesserung des Hochwasserschutzes und der Schiffahrt bereits zahlreiche Wuchsorte vernichtet oder stark verändert worden. Weitere Baumaßnahmen würden die Bedrohung der Art erhöhen.

Gefährdungsursachen

Es sind bisher keine Gefährdungsursachen durch Land-, Forst- und Fischereiwirtschaft bekannt.

Sonstige

  • Hauptgefährdung: Vernichtung der durch das Tide-Regime geprägten Wuchsorte durch Flussregulierungsmaßnahmen zur Verbesserung des Hochwasserschutzes und der Schifffahrt (z.B. Sandaufspülung, Uferbefestigung, Elbvertiefung)

Schutz

Das langfristige Überleben der Art kann nur bei Erhaltung der noch vorhandenen tidebeeinflussten Standorte und einer natürlichen Dynamik in der Elbaue sichergestellt werden. Alle Baumaßnahmen an potenziell geeigneten Standorten sollten zukünftig unterbleiben. Weiterhin sollte eine Renaturierung geeigneter Uferbereiche erfolgen.

Erhaltungsmaßnahmen

Handlungsempfehlungen zur Erhaltung der lokalen Population des Schierlings-Wasserfenchel

Beeinträchtigungen des Schierlings-Wasserfenchels gehen vor allem von den Bau- und Flussvertiefungsmaßnahmen aus und nicht von Land-, Forst- und Fischereiwirtschaft. Um Beeinträchtigungen zu verhindern bzw. zu minimieren, werden folgende Maßnahmen empfohlen:

Sonstige Maßnahmen

Renaturierungsmaßnahmen (siehe auch: Neubecker 2010)

  • Erfolgreiche Ansiedlungsversuche an künstlichen Prielanlagen (z.B. Priel „Overhaken“): hohe Erfolgschancen auf Schlick/Klei an flachen Ufern (5-11°) mit geringer Wind- und Wellenexposition und in einer Höhenlage von 75 cm bis 50 cm unter mittlerem Tidehochwasser für Ansaaten bzw. von 50 cm bis 25 cm bei Pflanzungen.
  • Ansiedlungsversuche an Naturstandorten stellen hohe Anforderungen an Boden, Zeitpunkt der Ansiedlung und Größe der Pflanzen, die Ansiedlungszone sollte nur teilweise mit krautigen Pflanzen bewachsen sein, wie z.B. im Schattbereich von Baumweiden (Standorthöhe 90 bis 20 cm unter dem mittleren Tidehochwasser optimal)
  • Installation von Trittsteinen (Renaturierung) an verbauten Hafenufern wird empfohlen
  • Erhaltungskulturen in Botanischen Gärten sollten angelegt werden, sind jedoch problematisch in der Realisierung
  • Samen sollten in einer Genbank hinterlegt werden
  • Vermeidung von weiteren Bau- und Flussvertiefungsmaßnahmen im Elbbereich – diese bedrohen den Lebensraum der Art
  • Erhaltung der noch vorhandenen tidebeeinflussten Standorte mit natürlicher Dynamik der Elbufer
  • Vorkommen des Schierlings-Wasserfenchels und potenziell günstige Standorte sollten vor Baumaßnahmen geschützt werden

Erhaltungszustand

  • Atlantische Region: ungünstig - schlecht

Programme und Projekte

Finanzierungsinstrumente für Maßnahmen und Umsetzung von Managementplänen

  • Internetseite des BfN zu Finanzierungsoptionen von Maßnahmen im Rahmen der FFH- und Vogelschutzrichtlinie
  • Internetseite der Europäischen Union zur Förderung des Umwelt- und Naturschutzes und von entsprechenden Projekten.

Projekte im Internet

  • Erprobungs- und Entwicklungsvorhaben des "Pilotprojekt Schierlings-Wasserfenchel" - Ein Projekt des Botanischen Vereins zu Hamburg e.V. 

Literaturhinweise

verändert nach:
Hauke, U. (2003): Oenanthe conioides Lange. In: Petersen, B., Ellwanger, G., Biewald, G., Hauke, U., Ludwig, G., Pretscher, P., Schröder, E., und Ssymank, A. (Bearb.): Das europäische Schutzgebietssystem Natura 2000. Ökologie und Verbreitung von Arten der FFH-Richtlinie in Deutschland. Band 1: Pflanzen und Wirbellose. - Bonn-Bad Godesberg (Landwirtschaftsverlag) - Schriftenreihe für Landschaftspflege und Naturschutz 69(1): 161-165.

Autor*in

Kontaktinformationen für weitere Auskünfte und Hilfestellungen

Für weitere Hinweise zur Art und Hilfestellungen für die Bewirtschaftung der Lebensräume wenden Sie sich bitte an die für Sie zuständige Naturschutzbehörde in Ihrer Region.

Experten

Jacqueline Neubecker
Planungsbüro für Landschaftsökologie und angewandten Naturschutz
Diekskamp 1 L
22949 Ammersbek

Autoren

Steffen Heelemann, Christina Meindl, Peter Poschlod

Unter Mitarbeit von

Jacqueline Neubecker

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