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Bundesamt für Naturschutz

Orcinus orca - Schwertwal

Geschützt nach
Anhang IV FFH-Richtlinie
EU-Code
2027
Artengruppierung
Sonstige Säugetiere
Status Rote Liste Europa
(Reeves et al. 2017): DD (Daten unzureichend)

Beschreibung

Der große, schwarz-weiße Jäger

Der Schwertwal, oder Orca, ist der größte aller Delfine. Er lebt in sozialen Gruppen und jagt Fische und/oder Meeressäugetiere, wie z.B. Robben. Mit seiner charakteristischen schwarz-weißen Zeichnung ist er unverwechselbar. Er gilt als das größte Raubtier, das heute noch auf der Erde lebt, und ist in allen Weltmeeren zu Hause, doch in Nord- und Ostsee war er wohl nie sehr häufig. Seit Anfang bis Mitte des letzten Jahrhunderts ist das Vorkommen des Schwertwals in der Ostsee und in der südlichen Nordsee so selten geworden, dass er zurzeit nur noch als Irrgast erscheint. Ein im Juni 2010 an der niederländischen Küste gestrandetes Jungtier wurde nach erfolgreicher Pflege im November 2011 zu Schau- und Zuchtzwecken in ein Delphinarium nach Teneriffa gebracht.

Der Schwertwal ist ein ausgesprochen sozialer Delfin, der ständig in meist kleineren Gruppen lebt und jagt. Der tägliche Nahrungsbedarf wird auf 4 % des Körpergewichts geschätzt (Heyning & Dahlheim 1988). Manche Populationen ernähren sich ausschließlich von Fischen, z.B. vorwiegend von Lachsen (in Kanada), Heringen (in Norwegen) oder Haien und Rochen (in Neuseeland). Andere Vorkommen hingegen (z.B. im Nordpazifik, Argentinien, Kerguelen) jagen meist in Gruppen andere Meeressäugetiere, wie z.B. Robben oder sogar große Wale. Dabei verzichten sie dann vorübergehend auf ihre vielfältigen Lautäußerungen, um ihre Beute nicht zu warnen. Im Laufe eines Jahres können sie Hunderte von Kilometern zurücklegen: So wurden in anderen Teilen der Welt für mittels Foto identifizierte Individuen bereits Wanderungen von 300-700 km nachgewiesen (z.B. in Argentinien und Neuseeland, Harris 1998 bzw. Bräger & Schneider 1998). Als „Keiko“ (bekannt aus dem Film „Free Willy“) 2003 bei Island freigelassen wurde, schwamm er von dort nach Norwegen, bevor er starb.

Lebensraum

Der Schwertwal kommt in allen Weltmeeren vor und hat dort sehr verschiedene Lebensräume besiedelt. Dabei haben sich unterschiedliche Typen herausgebildet, die z.B. im Südpolarmeer sogar in verschiedene Arten unterteilt werden sollen. Im Nordatlantik bewohnt der Schwertwal hauptsächlich küstenferne Gewässer und kommt nur gelegentlich an die Küste u.a. in Norwegen, wenn er den Wanderungen seiner Beute, z.B. dem norwegischen Hering, folgt. Die Eignung eines Lebensraumes scheint maßgeblich vom Vorkommen seiner Nahrung und der Abwesenheit übermäßiger menschlicher Störungen geprägt zu werden. Der Einfluss von Wassertiefe und des Reliefs des Meeresbodens sind allerdings nicht bekannt. In Europa gibt es regelmäßige Schwertwalvorkommen zwischen Norwegen und Island, um Schottland und Irland sowie in der Straße von Gibraltar.

Fortpflanzung/Biologie

Über den Lebenszyklus europäischer Schwertwale ist wenig bekannt. Allgemein leben Schwertwale in sozialen Verbänden, deren Mitglieder manchmal miteinander verwandt sind und ihr ganzes Leben in diesen stabilen Verbänden bleiben. In Westkanada, wo die am besten untersuchten Populationen leben, werden solche Gruppen meist vom ältesten Weibchen angeführt. Die Weibchen gebären alle 4-6 Jahre nach einer langen Tragezeit von 15-18 Monaten ein einziges Kalb, welches mehrere Jahre von der Mutter abhängig ist, bevor es selbständig wird. Für den Nordost-Atlantik wird die Paarungszeit zwischen Spätherbst und Mittwinter angegeben (Heyning & Dahlheim 1988), was zu einer Hauptkalbungszeit zwischen April und September führen würde. In Westkanada werden die meisten Kälber im Herbst geboren (Ford 2009). Geschlechtsreif werden die Jungtiere erst im Alter von 10-15 Jahren. Schwertwale können in der Freiheit bis zu 90 Jahre alt werden, doch dürften die meisten wohl kaum älter als 40-60 Jahre werden. Durch diese lange Lebenserwartung können sich jedoch auch relativ kleine Einflüsse aufsummieren und nachteilig auf Schwertwale auswirken. Menschliche Nutzungsaktivitäten im Meer können das Vorkommen und die Verbreitung des Schwertwals in vielfältiger Weise beeinflussen, indem sie entweder die zur Verfügung stehende Nahrungsgrundlage verändern oder die Gesundheit der Tiere beeinträchtigen. Fischfressende Schwertwale, wie z.B. die des norwegischen Bestandes, haben Schwierigkeiten, ihren hohen Energiebedarf zu decken, wenn die Bestände der pelagischen Fischarten, die in großen Schwärmen vorkommen, zu stark befischt werden. Die schleichende Vergiftung mit von Menschen gemachten Umweltgiften reichert sich im Körper dieser langlebigen Tiere an und kann das Immunsystem beeinträchtigen oder zu Unfruchtbarkeit führen. Unterwasserlärm kann das Gehör schädigen oder die lebensnotwendige Kommunikation behindern. Dichter Verkehr und schnell fahrende Fahrzeuge können zu Zusammenstößen führen, die zu schweren Verletzungen oder zum Tod des Schwertwals führen, oder den sozialen Zusammenhalt empfindlich stören, z.B. zwischen Mutter und Kalb. Da nordwesteuropäische Schwertwale im Jahresverlauf über Tausende von Quadratkilometern streifen, sind keine Gegenden mit besonderer Bedeutung für die Paarung oder zur Geburt der Kälber bekannt. Ein ostpazifischer Bestand im US-amerikanisch-kanadischen Grenzbereich (die sogenannten „Southern Residents“) mit kleinerem Jahresaufenthaltsgebiet lebt zum Teil ganzjährig in Gewässern mit starkem Schiffsverkehr und nimmt seit der kommerziellen Verfolgung in den 1970er Jahren ab, so dass diese Population inzwischen als hochgradig bedroht gilt.

Gefährdung

In der Nordsee ist der Schwertwal hauptsächlich durch Störungen und schleichende Vergiftung gefährdet. Schwertwale besitzen wie alle Zahnwale ein sehr empfindliches Gehör, welches durch knallartige Unterwassergeräusche geschädigt werden kann. Selbst Lärm, der keinen bleibenden Schaden verursacht, kann sie nachhaltig schädigen, z.B. indem er die Kommunikation der sozialen Tiere erschwert oder verhindert.

  • Eine Überfischung der Nahrungsarten, insbesondere Lachs und Hering könnte dem Schwertwal die Lebensgrundlage entziehen
  • Darüber hinaus ist es möglich, dass Schwertwale in Fischernetzen „beigefangen“ werden und umkommen, oder dass zu starke Fischereiaktivitäten (z.B. durch Motorenlärm) stören bzw. verscheuchen oder zu Kollisionen führen
  • Seismische Erkundungen, Militärsonare und industrielle Baumaßnahmen, z.B. das Rammen von Fundamenten oder Schürf- und Baggeraktivitäten, führen z.T. zu sehr starken Lärmbelastungen, die zu Gehörschäden führen können
  • Die Einleitung von Schwermetallen und kaum abbaubaren organischen Giften führt zu einer ständig anwachsenden Anreicherung, z.B. im Fettgewebe der Schwertwale
  • Störung durch Schifffahrt

Erhaltungsmaßnahmen

Allgemeine Maßnahmen

  • Eine Abnahme der Nahrungsfisch-Bestände durch Überfischung, insbesondere von Hering und evtl. Lachs und Kabeljau, kann sich negativ auf Bestandsentwicklung und Vorkommen des Schwertwals auswirken. In diesem Fall sollte der Fischereidruck auf die Nahrungsarten, z.B. durch eine Beschränkung der Gesamtfangmengen reduziert werden.

Militärische und seismologische Aktivitäten

  • Um eine Gehörschädigung durch den Einsatz von Unterwasser-Sonaren oder ‚Airguns‘ zu vermeiden, sollten geübte Beobachter an Bord von Fahrzeugen eingesetzt werden und die Nutzung der Sonare bzw. ‚Airguns‘ sowie die Unterwasserdetonation von Kampfmitteln bei der Anwesenheit von Walen oder Delfinen sofort eingestellt werden.
  • Um Störungen zu vermeiden, sollten Verbreitungsschwerpunkte allgemein als Manövergebiete und für seismologische Erkundungen von geologischen Lagerstätten gemieden werden.

Industrielle Aktivitäten

  • Stationärer Lärmeintrag in den Wasserkörper durch industrielle Aktivitäten wie Rammen (z.B. von Fundamenten oder Spundwänden), Schürfen (z.B. bei der Kiesgewinnung), Explosionen (z.B. bei dem Rückbau von industriellen Einrichtungen) usw. sollten durch lärmdämmende Maßnahmen, wie z.B. die Verwendung eines Blasenschleiers, auf ein ungefährliches Niveau reduziert werden. Das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie verlangt die Einhaltung des Grenzwertes von 160 dB SEL in 750 m Entfernung zur Emissionsstelle für Lärmemissionen, insbesondere bei Rammarbeiten.
  • Des Weiteren sollten potenziell schädigende Aktivitäten, ebenso wie mobile Lärmeinträge (z.B. Motorbootrennen) zeitlich und räumlich begrenzt werden und möglichst nicht in der besonders sensiblen Fortpflanzungszeit (April bis September) stattzufinden.
  • Mobile Fahrzeuge bergen ein Kollisionsrisiko, welches mit zunehmender Geschwindigkeit wächst (z.B. bei Schnellfähren). Daher sollte die maximale Geschwindigkeit in Verbreitungsschwerpunkten, z.B. in norwegischen und schottischen Gewässern, auf höchstens 10-16 Knoten begrenzt sein. Des Weiteren sollten alle Fahrzeuge prinzipiell einen Mindestabstand von 100 m zu Schwertwalen einhalten und die Tiere nicht verfolgen.
  • Einträge von langlebigen Giften, wie z.B. halogenierten Kohlenwasserstoffen oder Schwermetallen, sind in jedem Fall völlig zu vermeiden.

Behördliche Aktivitäten

  • Munitionsräumungen im Rahmen der Verkehrssicherungspflicht sollten aus den oben genannten Gründen ebenfalls vorzugsweise ohne Detonation erfolgen, z.B. durch Bergung und Entsorgung an Land.

Autor*in

Kontaktinformationen für weitere Auskünfte und Hilfestellungen

Für weitere Hinweise zur Art und Hilfestellungen für die Bewirtschaftung der Lebensräume wenden Sie sich bitte an die für Sie zuständige Naturschutzbehörde in Ihrer Region.

Experten

Bundesamt für Naturschutz
Fachgebiet Meeres- und Küstennaturschutz
Außenstelle Insel Vilm
18581 Putbus/Rügen

ASCOBANS-Sekretariat
UN Campus
Hermann-Ehlers-Str. 10
53113 Bonn

Deutsches Meeresmuseum
Katharinenberg 14-20
18439 Stralsund

Autor

Dr. Stefan Bräger

Unter Mitarbeit von

Karola Szeder

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