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Bundesamt für Naturschutz

Pipistrellus pipistrellus - Zwergfledermaus

Geschützt nach
Anhang IV FFH-Richtlinie
EU-Code
1309
Artengruppierung
Fledermäuse
Status Rote Liste Deutschland
(Meinig et al. 2020): * (Ungefährdet)
Status Rote Liste Europa
(Temple & Terry 2007): LC (Nicht gefährdet)
Verantwortlichkeit
(Meinig et al. 2020): Allgemeine Verantwortlichkeit

Beschreibung

Der anpassungsfähige Winzling unter den Fledermäusen

Die Zwergfledermaus gehört zu den kleinsten Fledermausarten in Deutschland. Mit zusammengefalteten Flügeln ist sie ungefähr so groß wie eine Streichholzschachtel und wiegt etwa so viel wie ein Stück Schokolade. Die Art gilt als anpassungsfähig und nutzt eine Vielzahl von Lebensräumen.
Wochenstubenquartiere findet man zumeist in engen Spaltenräumen in und an Gebäuden. Die deutschlandweit größte bekannte Ansammlung an Zwergfledermäusen ist jeden Sommer am Marburger Landgrafenschloss zu beobachten. Von Juni bis September kommen bis zu 30.000 Tiere zur Inspektion des Winterquartiers. Die Winterquartiere befinden sich überwiegend oberirdisch in und an Brücken und Gebäuden, in Gewölbekellern, in Ritzen, Hohlsteinen, Mauer- und Felsspalten.

Merkmale Zwergfledermaus

Die Zwergfledermaus ist eine der kleinsten Fledermausarten Europas. Sie hat ein dunkelbraunes Fell mit schwarzen Flughäuten und kurze, dreieckige Ohren mit abgerundeten Spitzen. Die Zwergfledermaus kann leicht mit der Mückenfledermaus verwechselt werden.

Lebensraum

Die Zwergfledermaus bewohnt eine Vielzahl von Lebensräumen. Da sie ihre Quartiere häufig in Gebäuden bezieht, liegen ihre Hauptlebensräume in Siedlungen und deren direktem Umfeld (Meschede & Heller 2000, Ohlendorf 1983, Tress 1994). Die Zwergfledermaus gilt als sehr anpassungsfähig und nutzt Waldränder, Laub- und Mischwälder, Gewässer, Siedlungen, Hecken, Streuobstbestände, Wiesen, Weiden und Äcker zur Jagd (Godmann 1996, Haffner & Stutz 1985, Racey & Swift 1985). Bevorzugte Jagdgebiete sind Uferbereiche von Gewässern (entlang von überhängendem Uferbewuchs, gewässerbegleitenden Baumreihen) und Waldrandbereiche (Racey & Swift 1985, Simon et al. 2004, Stutz & Haffner 1985, Warren et al. 2000).

Fortpflanzung/Biologie

Ökologie der Art

Die Zwergfledermaus hat ihre Wochenstubenquartiere vorwiegend im Siedlungsbereich, sehr selten in Waldgebieten. Wochenstubenquartiere sind zumeist enge Spaltenräume in und an Gebäuden häufig hinter Verkleidungen, in Hohlräumen in der Fassade, hinter Fensterläden, in Hohlblocksteinen, in Dachräumen oder Zwischendächern. Wochenstuben in Fledermaus- und Vogelkästen, Baumhöhlen oder hinter loser Borke kommen nur sehr selten vor und sind meist klein (25-50 Tiere) (Grimmberger & Bork 1978, Simon et al. 2004, Tress 1994). In Gebäuden umfassen die Kolonien meist 50-100 Individuen, es sind aber auch Kolonien mit bis zu 250 Tieren bekannt (Dietz et al. 2007). Die Zwergfledermaus wechselt häufig ihr Quartier (Sammelquartiere ungefähr alle 6-14 Tage). Die maximale bekannte Entfernung der verschiedenen, genutzten Quartiere zueinander beträgt bis zu 15 km (Feyerabend & Simon 1998). Die Männchen verbringen den Sommer meist einzeln und besetzen in dieser Zeit Paarungsquartiere und Paarungsterritorien (Tress 1994). 

Die Zwergfledermaus ernährt sich überwiegend von 1-12 mm großen, fliegenden Insekten (Hoare 1991), vor allem Mücken. Im April findet sich ein erhöhter Anteil von Fliegen, in der Sommermitte von Kleinschmetterlingen, in der Nahrung (Barlow 1997, Eichstädt & Bassus 1995, Swift et al. 1985). Als Jagdgebiete nutzt sie nahezu alle Landschaften, die einen Bezug zu Gewässern, Busch- und Baumbeständen aufweisen (Eichstädt & Bassus 1995, Simon et al. 2004). Die Zwergfledermaus fliegt häufig entlang von Leitelementen wie Hecken, Baumreihen, Feldgehölzen etc. in ihre Jagdgebiete (Ohlendorf 1983, Racey & Swift 1985). 

Nach Auflösung der Wochenstuben sind häufig Flüge (sogenannte Invasionen) in Gebäude zu beobachten (Tress 1994). Invasionen finden von Mitte August bis September statt. Sie erfolgen häufig in der Nähe der Winterquartiere. Dieses Verhalten dient vor allem der Informationsweitergabe an die Jungtiere. Diese lernen so überlebenswichtige Ausweichquartiere in der Umgebung der Winterquartiere kennen (Godmann & Rackow 1995, Rackow & Godmann 1996, Sachteleben 1991, Simon et al. 2004). Jedoch kann dieses spezifische Erkundungsverhalten der Art zum Nachteil werden, da immer wieder große Gruppen von Zwergfledermäusen verunglücken, weil sie häufig nicht mehr aus den Invasionsorten herausfinden (Hermanns 1997, Simon 1998, Simon et al. 2004).

Während der sommerlichen Erkundungsflüge zu den Winterquartieren, die bereits Ende Mai beginnen, legen die Zwergfledermäuse Entfernungen bis zu 40 km zurück (Feyerabend & Simon 1998, Sendor et al. 2000a, Simon et al. 2004). Das Massenwinterquartier im Marburger Landgrafenschloss z.B. erkunden während der Sommermonate bis zu 30.000 Zwergfledermäuse aus der ganzen Umgebung (Simon et al. 2004). Obwohl von der Zwergfledermaus Langstreckenwanderungen bis 1.200 km bekannt sind, gelten zumindest die mitteleuropäischen Zwergfledermäuse als standortgebunden und unternehmen nur relativ kurze saisonale Standortwechsel mit Distanzen bis zu etwa 50 km (Grimmberger & Bork 1978, Haensel 1971, 1992, Simon 1998, Tress 1994). Die Winterquartiere befinden sich überwiegend oberirdisch in und an Brücken und Gebäuden, in Gewölbekellern, in Ritzen, Hohlsteinen, Mauer- und Felsspalten, aber auch in trockenen unterirdischen Hohlräumen, Kellern und Stollen (Eichhorn & Simon 1998, Schweizer & Dietz 2000, Tress 1994). Neben den für die Zwergfledermaus bekannten Massenwinterquartieren mit über 1.000 überwinternden Tieren (im Marburger Landgrafenschloss sogar bis zu 5.000 überwinternde Individuen (Sendor & Simon 2000)) existieren auch zahlreiche kleinere Quartiere an Gebäuden in kleinsten Spalten, Rissen und Ritzen, in denen kleinere Gruppen von nur ca. 10 Tieren überwintern (Kretzschmar & Heinz 1995, Smit-Viergutz & Simon 2000, Uhrin 1995). Auch Wechsel zwischen verschiedenen Winterquartieren sind bekannt (Haensel 1992, Simon & Kugelschafter 1999). 

Das bisher nachgewiesene Höchstalter einer Zwergfledermaus lag bei 16 Jahren und sieben Monaten (Thompson 1989).

Beschreibung des Lebenszyklus im Zusammenhang mit Landnutzungsaktivitäten

Je nach Witterung wandern bereits im Januar die ersten Tiere aus den Winterquartieren ab. Von Februar bis April verlassen auch die restlichen Zwergfledermäuse die Winterquartiere (Grimmberger & Bork 1978, Simon & Kugelschafter 1999). Die Weibchen sammeln sich von April bis August in den Wochenstubenquartieren (Tress 1994) um ihre Jungen zur Welt zu bringen. Die Jungen werden im Zeitraum von Juni bis Anfang Juli geboren (Schober & Grimmberger 1998). Zwillingsgeburten sind in Mitteleuropa keine Seltenheit. Mit spätestens 4 Wochen sind die Jungen selbstständig (Stutz & Haffner 1985). Ab Mitte August lösen sich die Wochenstuben auf und es sind fast nur noch Jungtiere in den Wochenstuben anzutreffen. Die erwachsenen Weibchen werden von den Männchen in Gruppen von bis zu 10 Tieren in die Paarungsquartiere gelockt (Schober & Grimmberger 1998). Die Zwergfledermäuse verpaaren sich aber auch noch im Winterquartier oder direkt nach Beendigung des Winterschlafs. Nach dem Auflösen der Wochenstuben invadieren die Zwergfledermäuse und Anfang November beginnt dann der herbstliche Einflug zur Überwinterung in den Winterquartieren (Sendor et al. 2000b). 

Zusammenhänge zwischen dem Lebenszyklus und Landnutzungsaktivitäten treten hauptsächlich während der Phase der Jungenaufzucht auf. In dieser Zeit benötigen vor allem die Weibchen eine gute Nahrungsgrundlage, um den gesteigerten Energiebedarf decken zu können. Die Vielgestaltigkeit der Landschaft sichert der Zwergfledermaus ein reichhaltiges Nahrungsangebot. Daher wirken sich alle Formen der landwirtschaftlichen Nutzung, die zu einer Vereinheitlichung der Landschaft führen, negativ auf das Nahrungsangebot der Zwergfledermaus aus. Umbrüche von Wiesen in Ackerland, das Zusammenlegen kleiner Parzellen zu großen Bewirtschaftungseinheiten und der damit verbundene Wegfall von Kleingewässern, Säumen, Hecken, Ufer- und Feldgehölzen etc. verändert die Jagdgebiete auf negative Weise. Da die Zwergfledermaus außerdem stufenreiche Waldrandbereiche als Jagdgebiete nutzt, können an dieser Stelle Beeinträchtigungen durch forstwirtschaftliche Nutzung auftreten. Durch die Pflege und den Erhalt natürlicher, stufenreicher Waldränder mit einheimischen Sträuchern und Gehölzen durch die Forstwirtschaft kann das Nahrungsangebot für die Zwergfledermaus verbessert werden. Auch durch einen verringerten Insektizid- und Herbizideinsätze in Land- und Forstwirtschaft steigert sich das Nahrungsangebot für die Zwergfledermaus.

Lokale Population

Abgrenzung der lokalen Population

Die Abgrenzung der lokalen Population erfolgt nach Gruppen von Fledermäusen, die in einem lokalen Maßstab eine räumlich abgrenzbare Funktionseinheit (zu bestimmten Jahreszeiten) bilden, die wiederum für die Art von Bedeutung ist. 

Als lokale Population der Zwergfledermaus ist im Sommer die Wochenstube anzusehen. In Gebäuden sind Koloniengrößen mit bis zu 250 Tieren bekannt (Dietz et al. 2007). Die Wochenstuben sind im Grundsatz einfach gegeneinander abgrenzbar und werden von Simon & Dietz (2006) als Grundeinheit bei der Bewertung des Zustandes von Populationen angesehen. Die Zwergfledermaus wechselt häufig ihr Quartier. Nutzt eine Wochenstube mehrere Quartiere, so bezeichnet man die Gesamtheit der genutzten Quartiere als Quartierverbund. Im Regelfall ist dieser räumlich klar abgrenzbar (z.B. innerhalb einer kleinen Ortslage). Alle Individuen eines solchen Verbundes sind demnach als Angehörige einer lokalen Population anzusehen. Aufgrund der Nutzung solcher Quartierverbunde und der versteckten Lebensweise der Tiere, ist eine Ermittlung der Koloniegröße als lokale Population in der Regel nur durch eine fachgutachterliche Untersuchung möglich.

Neben den Wochenstuben sind im Sommer die Männchenvorkommen und im Spätsommer Gruppen von Männchen und Weibchen in Paarungsquartieren als lokale Population anzusehen. Diese sind meist verstreut verteilt und lassen sich aufgrund fehlender Kenntnisse der Quartiere nur schwer als lokale Population abgrenzen. Häufig ist die Abgrenzung nur über die Ermittlung geeigneter Lebensräume (z.B. alle Individuen einer Ortslage) möglich.

Im Winter ziehen sich die Tiere einzeln oder in kleinen Gruppen in die Winterquartiere zurück. Da sich Tiere verschiedener Kolonien in einem Winterquartier versammeln können, entspricht die lokale Population im Winter nicht mehr der sommerlichen lokalen Population. Winterquartiere können sowohl während eines Winters, als auch im Verlauf der Jahre gewechselt werden. Daher bezieht sich je nach Winterquartiervorkommen die Abgrenzung der lokalen Population punktuell auf das einzelne Winterquartier oder auf den Raum eng (etwa < 100 m) beieinander liegender Winterquartiere.

Gefährdung

Da die Zwergfledermaus ihre Wochenstuben- und auch Winterquartiere vorzugsweise im menschlichen Siedlungsbereich an und in Gebäuden wählt, stellt die Quartierzerstörung bei Renovierungsarbeiten an Gebäuden die größte Gefährdung für die Art dar. Durch die Bindung an Siedlungen mit Anbindungen an Gewässer und Wälder liegen ihre Jagdgebiete häufig in kleinräumig gegliederten und von Feldgehölzen durchzogenen Kulturlandschaften. Daher ist die Art auch durch die Entwicklung zu immer stärker ausgeräumten Agrarlandschaften ohne Leitelemente wie z.B. Feldgehölze, Hecken, Baumreihen etc. gefährdet.

Land- und Forstwirtschaft

  • Lebensraumverlust durch den Wegfall von gliedernden Landschaftselementen, die der Zwergfledermaus eine Anbindung über Leitelemente an das Umland und an die Wälder in ihrem Lebensraum bieten (Eichstädt & Bassus 1995)
  • Lebensraumverlust durch Zusammenlegung von Flächen zu größeren Äckern, z.B. für den Energiepflanzenanbau (v.a. Mais und Raps), die zur Zerstörung kleinräumig gegliederter, insektenreicher Kulturlandschaften führen, da z.B. Hecken und Säume reduziert werden
  • Jagdgebietsverlust durch den Verlust von Auenwäldern sowie Trockenlegung von Feuchtgebieten und Kleingewässern in Wäldern und in der Kulturlandschaft
  • Verschlechterung der Nahrungsverfügbarkeit und Gefährdung der Art durch Anreicherung von Giftstoffen im Körper der Tiere durch den Einsatz von Insektiziden und Herbiziden in der Landwirtschaft und in Wäldern zur Bekämpfung von Forstschädlingen
  • Verlust von Jagdgebieten durch Reduktion natürlicher oder naturnaher, stufen- und gehölzreicher Waldränder sowie gebüschreicher, lichter Wälder v.a. Laubwaldbestände mit Unterwuchs, inselartigen Lichtungen und Gewässern (Eichstädt & Bassus 1995) und einer hohen Baumartenvielfalt heimischer Bäume
  • Lebensraumverlust durch die Entnahme von stehendem Alt- und Totholz in Auen- und Feuchtwäldern
  • Verstärkte Individuenverluste durch sommerliche Forstnutzung und Holzeinschlag und Durchforstung
  • Verschlechterung der Nahrungsverfügbarkeit durch die Umwidmung nicht fischereilich genutzter Gewässer in Gewässer zur intensiven Fischzucht

Sonstige

  • Verlust von Quartieren und Quartiermöglichkeiten (Wochenstuben- und Winterquartieren) durch nicht abgestimmte, unsachgemäße Renovierungs- und Sanierungsarbeiten an Gebäuden oder Abriss der Gebäude (auch Bauwerke wie Brücken, Scheunen, Forsthäuser)
  • Vergiftung der Quartiere durch Holzschutzmittelbehandlungen
  • Direkte Verfolgung oder Quartierverlust durch Verschluss von Quartieren, wegen besonderer Abneigung gegenüber Ansammlungen von Fledermäusen oder deren Exkrementen
  • Beeinträchtigung des Quartiers durch Anstrahlen der Ein- und Ausflugöffnungen (häufig z.B. an historischen Gebäuden) und durch Lichtanlagen in Winterquartieren (z.B. Dauerbeleuchtung)
  • Verlust von Jagdgebieten durch Reduktion natürlicher oder naturnaher, breiter Gewässerrandstreifen mit Gehölzen und Einzelbäumen
  • Verlust insektenreicher Landschaftsbestandteile (als Orientierungsmöglichkeit, z.B. bei Flügen in die Jagdgebiete und als Jagdgebiete an sich) durch Reduzierung von Hecken, Feldgehölzen und Säumen
  • Verschlechterung der Nahrungsverfügbarkeit und Gefährdung der Art durch Anreicherung von Giftstoffen im Körper der Tiere durch den Einsatz von Insektiziden und Herbiziden im Gartenbau
  • Jagdgebietsverlust durch Siedlungserweiterungen, da z.B. dörfliche Obstgärten und Streuobstwiesen durch die Umnutzung in Neubaugebiete verloren gehen
  • Verunglücken zahlreicher Individuen während der Invasion durch Einflug in ungeeignete Invasionsorte
  • Beeinträchtigung von Quartieren durch die Anlage von Radwegen in alten, nicht mehr genutzten Eisenbahntunneln, die häufig als Winterquartiere, im Sommer aber auch als Männchen- oder Paarungsquartiere genutzt werden (Meinig et al. 2009)
  • Beeinträchtigung des Nahrungsangebotes durch Einsatz von Insektiziden (z.B. Bekämpfung von Stechmücken mit Bacillus thuringiensis israelensis (Bti))
  • Gefährdung durch den Straßenverkehr (Zwergfledermaus häufigstes Verkehrsopfer) (Haensel & Rackow 1996, Kiefer et al. 1995)
  • Verluste an Windkraftanlagen durch direkte Kollision mit den Rotorblättern und Schädigung durch starke Druckveränderungen im Einflussbereich der Rotoren (Baerwald et al. 2008)
  • Verlust von geeigneten Winterquartieren (z.B. Höhlen) durch nicht sachgemäße Sanierung oder Umnutzung (z.B. Eisenbahntunnel, Stollen, Keller, Durchlässe) oder touristische Nutzung im Winter (Kasemattenführung, Festungsanlagen)

Erhaltungsmaßnahmen

Handlungsempfehlungen zur Erhaltung der lokalen Population der Zwergfledermaus

Um Beeinträchtigungen der Zwergfledermaus durch land- und forstwirtschaftliche Bewirtschaftung zu verhindern bzw. zu minimieren, werden folgende Maßnahmen empfohlen:

Landwirtschaft

  • Erhaltung/Entwicklung kleinräumig gegliederter Kulturlandschaften mit kleinen Ackerparzellen und Grünland, breiten blütenreichen Säumen (Anlage von Blühstreifen), Kleingewässern, Brachflächen, Einzelbäumen, Hecken und Feldgehölzen, die einen großen Insektenreichtum bieten und als verbindende Landschaftselemente dienen
  • Aufrechterhaltung der Nutzung von Obstbaumgürteln und Streuobstwiesen in Siedlungsnähe und als verbindende Landschaftselemente in der Kulturlandschaft
  • Erhaltung/Entwicklung von Feuchtgebieten und Kleingewässern in landwirtschaftlichen Gebieten zur Sicherung der Nahrungsgrundlage
  • Erhaltung/Entwicklung artenreicher Mähwiesen und Weiden sog. extensivem Grünland, mit höchstens zweischüriger Mahd und Verzicht auf Insektizid-, Herbizid- und Düngereinsatz
  • Minimierung des Insektizid- und Herbizideinsatzes in der Landwirtschaft zur Sicherung der Nahrungsgrundlage der Zwergfledermaus

Forstwirtschaft

  • Erhaltung/Entwicklung blüten-, gehölz- und stufenreicher Waldränder und gebüschreicher Wälder als insektenreiche Jagdgebiete
  • Förderung von Auenwäldern bzw. deren Renaturierung und Wiederbelebung von Altarmen zur Verbesserung des Lebensraumes der Zwergfledermaus
  • Verzicht auf jede Form der Entwässerung und Förderung von Kleingewässern in Wäldern zur Verbesserung des Nahrungsangebotes
  • Erhaltung äußerlich verletzter Bäume mit abstehender Borke, die als Männchen-, Paarungs-, aber auch Wochenstubenquartiere genutzt werden können

Fischereiwirtschaft

  • Erhaltung und Anlage von Flachwasserzonen in bewirtschafteten Teichen
  • Erhaltung von Altbäumen an Teichdämmen und –ufern
  • Anlage von nicht bewirtschafteten Teichflächen/ teilweise extensive Bewirtschaftung bestehender Anlagen

Allgemein gilt:

  • Erhaltung und Förderung von gehölz- und gewässerreichen Lebensräumen innerhalb und im unmittelbaren Umfeld von Siedlungen mit größeren Winterquartieren (bis zu 1 km um die bebauten Bereiche) und Ortschaften mit Wochenstuben (bis zu 2 km um die Wochenstuben)

Sonstige Maßnahmen

  • Erhaltung/Neuschaffung von Quartieren, vor allem Spaltenquartieren (Holzverkleidungen, Fledermausbretter (vgl. Deschka 2006)), in und an Gebäuden und Bauwerken (Brücken), zur Verbesserung der Quartiermöglichkeiten (Wochenstuben- und Winterquartiere) (vgl. Dietz & Weber 2000)
  • Auffinden von Sommerquartieren und Sicherung derselben durch eine Betreuung der Quartiere sowie der Quartierbesitzer durch Fledermaussachverständige
  • Sicherung der Winterquartiere durch geeigneten Verschluss und Verhinderung von Störungen während der Winterruhe (z.B. durch Fledermausgitter); Betreuung der Quartiere durch Fledermaussachverständige
  • Schutz der Kolonien durch Verwendung fledermausfreundlicher Holzschutzmittel bei Gebäudesanierungen
  • Gewährleistung eines hohen Quartierangebotes in Siedlungsbereichen (z.T. Nutzung von bis zu 27 Wochenstubenquartieren durch eine Kolonie innerhalb eines Dorfes (Simon et al. 2004)) durch Öffentlichkeitsarbeit und bauliche Maßnahmen (Spaltenquartiere) an geeigneten Gebäuden auf relativ engem Raum (nicht weiter als 1 km voneinander entfernt).
    Lesen Sie mehr zur Sanierung von Fledermausquartieren und zu Initiativen zur Erhaltung, Optimierung, Neuschaffung von Quartieren für Fledermäuse.
  • Erhaltung naturnaher Gewässerverläufe mit breiten Uferrandstreifen mit Gebüschen und Baumgruppen
  • Erhaltung und Neuanlage von Hecken, Gehölzsäumen und Streuobstwiesen besonders in Siedlungs- und Gewässernähe als Jagdgebiete und verbindende Elemente von Teillebensräumen
  • Schutzvorkehrungen (z.B. Fliegengitter an Fenstern) an bekannten Invasionsorten, um den Einflug der Zwergfledermäuse in tödliche Fallen wie z.B. Räume mit gekippten Fenstern zu vermeiden
  • Einrichtung von Fahrradwegen in Eisenbahntunneln nur dann, wenn diese nachweislich nicht von Fledermäusen als Quartier (Sommer-, Winter- oder Paarungsquartier) genutzt werden

Erhaltungszustand

  • Atlantische Region: günstig
  • Kontinentale Region: günstig
  • Alpine Region: günstig

Programme und Projekte

Finanzierungsinstrumente für Maßnahmen und Umsetzung von Managementplänen

  • Internetseite des BfN zu Finanzierungsoptionen von Maßnahmen im Rahmen der FFH- und Vogelschutzrichtlinie
  • Finanzierungsmöglichkeit der EU zur Förderung von Umwelt- und Naturschutz-Projekten in Europa, LIFE+

Projekte im Internet

  • Artenschutzprojekt "Waldfledermäuse in Bayern - ein Monitoringprojekt" zur Erhaltung der Fledermäuse in Waldbereichen in Bayern durch Kartierung von Höhlenbäumen und Anbringen von Fledermauskästen durch die Stiftung Unternehmen Wald.
  • Initiative "Artenschutz im Steigerwald". Verschiedene Initiativen zur Erhaltung, Optimierung, Neuschaffung von Quartieren, Jagdgebieten usw. für Fledermäuse.
  • "Artenhilfsprogramm Fledermäuse und Höhlenbäume" des Landes Schleswig-Holstein zur Reduzierung des Bestandsrückgangs der Fledermäuse durch Schaffung und Sicherung günstiger Lebensräume für die verschiedenen Arten.Das Land fördert verschiedene Maßnahmen zur Erfassung, zur biologischen Forschung und zum Schutz der Fledermäuse.
  • Artenhilfsprogramm "Hauptstadt der Fledermäuse" der Stadt Berlin. Schaffung und Erhaltung von Quartieren, vor allem Winterquartieren, und Versorgung von Findlingen.
  • Artenhilfsprogramm Fledermaus des Bayrischen Landesamtes für Umwelt zur Erhaltung und Entwicklung von Fledermausquartieren an Gebäuden.

Literaturhinweise zu Artenhilfsprogrammen

  • Brinkmann, R. (2006): Artenschutz im Innenbereich - Berücksichtigung von Fledermäusen bei der Sanierung und Nutzung alter Bauwerke und in der Bauleitplanung. Naturschutz-Info Baden-Württemberg 2/2006, 3/2006: 33-35.
  • Hammer, M. (2002): Fledermäuse in der Stadt Hof - Kontrolle potenzieller Sommerquartiere, Praktische Maßnahmen zum Schutz und zur Wiedereinbürgerung von Fledermäusen in der Stadt Hof. Bund Naturschutz in Bayern e.V. - Kreisgruppe Hof, Hof.
  • Meschede, A. & Rudolph, B.-U. (2010): 1985-2009: 25 Jahre Fledermausmonitoring in Bayern. UmweltSpezial Arten- und Lebensraumschutz. Bayerisches Landesamt für Umwelt, Augsburg.
  • Ministerium für Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume des Landes Schleswig-Holstein (2008): "Gemeinsam für Knoblauchkröte, Abendsegler & Co." - Artenhilfsprogramm Schleswig-Holstein 2008, Kiel. Ministerium für Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume des Landes Schleswig-Holstein, Kiel.
  • Reiter, G. & Zahn, A. (2006): Leitfaden zur Sanierung von Fledermausquartieren im Alpenraum. Bayerisches Staatsministerium für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz, Abteilung Naturschutz und Landschaftspflege, München.

Autor*in

Kontaktinformationen für weitere Auskünfte und Hilfestellungen

Für weitere Hinweise zur Art und Hilfestellungen für die Bewirtschaftung der Lebensräume wenden Sie sich bitte an die für Sie zuständige Naturschutzbehörde in Ihrer Region.

Experten

Matthias Simon
Luise-Berthold-Str. 24
35037 Marburg

Wolfgang Rackow
Schneiderteichweg 58
37520 Osterode am Harz

Autoren

Matthias Simon, Heiko Köstermeyer, Karola Gießelmann, Sandra Brand

Unter Mitarbeit von

Lothar Bach, Martin Biedermann, Robert Brinkmann, Markus Dietz, Patrick Dohm, Matthias Hammer, Christine Harbusch, Andreas Kiefer, Karl Kugelschafter, Gerhard Mäscher, Hinrich Matthes, Frauke Meier, Angelika Meschede, Henrik Pommeranz, Wolfgang Rackow, Ulf Rahmel, Sabine Schade, Jürgen Schicker, Janna Smit-Viergutz, Dagmar Stiefel, Marco Zimmermann

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