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Bundesamt für Naturschutz

Pulsatilla grandis - Große Kuhschelle

Geschützt nach
Anhang II FFH-Richtlinie
Anhang IV FFH-Richtlinie
EU-Code
2093
Artengruppierung
Farn- und Blütenpflanzen
Synonyme
Pulsatilla vulgaris subsp. grandis, Anemone grandis, Anemone pulsatilla subsp. grandis
Status Rote Liste Deutschland
(Metzing et al. 2018): 3 (Gefährdet)
Status Rote Liste Europa
(Bilz et al. 2011): LC (Nicht gefährdet)
Verantwortlichkeit
(Metzing et al. 2018): Allgemeine Verantwortlichkeit

Beschreibung

Robuste Schönheit

Feuer, Mahd, Beweidung – kaum etwas kann diesem schönen Hahnenfußgewächs mit seinen hellvioletten Blüten etwas anhaben. Über Jahrhunderte haben sich die Pflanzen, die in den von Menschen traditionell genutzten Graslandschaften Mittel- und Südosteuropas heimisch sind, an die Einwirkungen des Menschen angepasst. Gerade der kräftige unterirdische Spross macht die Große Kuhschelle unempfindlich gegen Störungen von außen. Ihre empfindlichen Blütenknospen werden von einem dichten Pelz aus feinen Härchen und einem Blattquirl gegen die rauen Bedingungen im zeitigen Frühjahr geschützt. In Deutschland liegt das einzige Vorkommen der Großen Kuhschelle in einem Naturschutzgebiet in Bayern und kommt dort zusammen mit der nah verwandten Gewöhnlichen Kuhschelle und der Finger-Küchenschelle vor. Sie gilt als stark gefährdet.

Lebensraum

Der Lebensraum der Großen Kuhschelle in Mittel- und Südosteuropa ist gekennzeichnet durch trockene, meist flachgründige und nährstoffarme Böden (Hegi 1981). Durch das Einwirken des Menschen in Form von Beweidung (v.a. mit Schafen) oder Mahd entwickelten sich die typischen Halbtrocken- und Steppenrasen auf Kalk, in denen die Große Kuhschelle zu finden ist. Wie auch andere Arten der Halbtrockenrasen bevorzugt sie lichte Stellen im Pflanzenbewuchs und reagiert empfindlich auf höherwüchsige, beschattende Pflanzen, vor allem Gräser, einwandernde Sträucher und Gehölze. In der offenen Landschaft der Garchinger Heide, dem letzten Vorkommen der Großen Kuhschelle in Deutschland, versucht man diese Konkurrenzpflanzen durch Schafbeweidung bzw. einmal jährlich stattfindende Mahd möglichst klein zu halten. Diese eigens auf diesen Lebensraum abgestimmten Pflegemaßnahmen fördern durch die Schaffung offener Bodenstellen und die Entfernung einer zu dichten Streuauflage die Keimung von Samen und führen zur Verjüngung des Bestandes.

Fortpflanzung/Biologie

Ökologie der Art

Die Große Kuhschelle kommt hauptsächlich in Gebieten des pannonischen Raums (Österreich, Ungarn, Slowakei, Rumänien und Ukraine) vor, der durch ein sommerwarmes und relativ trockenes Klima geprägt ist. Ihr bevorzugter Lebensraum sind Halbtrocken- und Steppenrasen, wobei sie vollsonnige, aber auch leicht beschattete Standorte besiedeln kann (Oberdorfer 2001). Sie ist eine mehrjährige, krautige Pflanze mit einer kräftigen Pfahlwurzel und einem bei älteren Individuen verzweigten, schwarzgefärbten unterirdischen Spross (Rhizom). Dies ermöglicht ihr, in den typischerweise mit Schafen beweideten oder gemähten Lebensräumen zu überdauern, da sie in der Lage ist, nach Verbiss oder Zerstörung der oberirdischen Teile erneut auszutreiben. Auch das Abbrennen von Flächen im Februar oder März zur Entfernung der Streuauflage überlebt die Große Kuhschelle problemlos. Auf starke Trittbelastung reagiert sie ebenfalls sehr widerstandsfähig und bildet aus Knospen am Rhizom neue Tochterrosetten, die unterirdisch mit der Mutterpflanze verbunden bleiben (Wells & Barling 1971). Bleiben Beweidung oder Mahd aus und nehmen infolgedessen höherwüchsige Pflanzen, wie Gräser, Sträucher oder Bäume zu, büßt die Große Kuhschelle sehr schnell ihre Blühfähigkeit ein und verschwindet langfristig ganz.

Beschreibung des Lebenszyklus im Zusammenhang mit Landnutzungsaktivitäten

Die Große Kuhschelle gehört zu den absoluten Frühlingsboten in den Kalkmagerrasen. Schon im März streckt sie ihre hellvioletten Blüten aus der noch braungefärbten Streuschicht. Ein unterirdisches Sprosssystem, an dem sich schon im vergangenen Herbst vollentwickelte Blütenknospen gebildet haben, macht diesen frühen Start möglich. Geschützt durch stark behaarte Deckblätter und eine Schicht aus abgestorbenen Laubblättern überwintern die Blütenknospen knapp unter bzw. auf dem Erdboden. Die Einwirkung von Feuer gegen Ende des Winters beeinflusst die Große Kuhschelle nicht negativ (Wells & Barling 1971). Eine Pflanze kann mehrere bis zu 15 cm hohe Blühsprosse ausbilden, die jeweils eine einzelne, große Blüte tragen. Die Anzahl keimfähiger Früchte pro Blüte schwankt stark und hängt möglicherweise mit ungünstigen Wetterphasen zusammen, in denen Bestäuber ausbleiben. Zwar wird vermutet, dass die Pflanzen zur Selbstbestäubung fähig sind, die Bestäubung durch Insekten scheint aber bessere Erfolge für den Fruchtansatz zu bewirken. Nach der Bestäubung beginnt sich der Blütenstiel zu verlängern und ragt schließlich über die übrige Pflanzendecke hinaus. Dies fördert möglicherweise die Freisetzung der Früchte und deren Ausbreitung durch den Wind bzw. durch das Anhaften an das Fell vorbeiziehender Weidetiere. Der Wind spielt allerdings eine eher untergeordnete Rolle bei der Ausbreitung, da nur sehr kurze Distanzen (selten mehr als 20 cm) dabei überbrückt werden können. Außerdem bleiben die Früchte häufig aneinander hängen und fallen so durch das höhere Gewicht schneller zu Boden. Dort verhindert der für Kuhschellen charakteristische, stark verlängerte Griffel durch das Hängenbleiben an anderen Pflanzen mitunter das Erreichen des Bodens und somit eine erfolgreiche Keimung. Die Schaffung offener Bodenstellen und einer lückigen Pflanzendecke fördert somit den Keimerfolg. Größere Entfernungen und damit neue Lebensräume können nur durch das Anheften der Früchte an das Fell von Weidetieren (im besonderen Schafe) erreicht werden. Eine Schafbeweidung kann somit die Ausbreitung des Bestandes in angrenzende geeignete Flächen begünstigen. Keimlinge benötigen ausreichend Feuchtigkeit und reagieren empfindlich auf Austrocknung. Daher sollten direkt nach der Ausstreu der Früchte kleinere Rohbodenstellen, die leicht von Moosen oder niedrigen Pflanzen überschattet werden zur Verfügung stehen. Auch im späteren Verlauf der Keimlingsentwicklung, die sehr langsam verläuft (auch nach 2 Jahren kann der Rosettendurchmesser gerade mal 5 mm betragen), brauchen die Keimlinge eine lückige Pflanzendecke, damit die kleinen Pflanzen nicht von höher wüchsigen Arten verdrängt werden und sie vor Fraßfeinden, wie Schnecken, zu schützen, die sich bevorzugt in den schattigen Wuchsbereichen aufhalten.

Lokale Population

Abgrenzung der lokalen Population

Das einzige Vorkommen der Großen Kuhschelle in Bayern befindet sich in einem 27 ha großen Naturschutzgebiet nördlich von München. Die Garchinger Heide ist das Relikt einer noch bis Anfang des 20. Jahrhunderts weithin entlang der Isar verbreiteten Heidelandschaft, die aber durch den Nutzungswandel bzw. -aufgabe verloren ging. Die verbleibenden Reste versucht man durch die Wiedereinführung von Schafbeweidung zu verbinden und den Austausch von Samen und Früchten durch Wanderschäferei zu ermöglichen. Über stillgelegte Ackerrandstreifen entlang von Feldwegen sollen Heidearten wie die Große Kuhschelle langfristig in neue Lebensräume einwandern. Allerdings konnten bislang noch keine neu besiedelten Flächen festgestellt werden. Somit bleibt es bei einem einzigen Vorkommen im Bereich der Garchinger Heide. Genetischer Austausch in Form von Pollen oder Samen zwischen den Individuen dieses Vorkommens kann ohne größere Hindernisse stattfinden. Die Individuen der Großen Kuhschelle auf der Garchinger Heide stellen somit eine einzige lokale Population dar.

Gefährdung

Derzeit befindet sich das letzte Vorkommen der Großen Kuhschelle in Deutschland in einem intensiv betreuten Naturschutzgebiet. Beeinträchtigungen durch die Landwirtschaft erfolgen i.d.R. nur noch durch den Nährstoffeintrag aus angrenzenden Wirtschaftsflächen. Früher wirkten folgende Gefährdungsursachen:

Land- und Forstwirtschaft

  • Zerstörung der Lebensräume durch Nutzungsaufgabe oder -änderung, speziell durch die Aufgabe der Weidewirtschaft mit Schafen und Umwandlung ertragsschwacher Trockenrasen in Wald, Äcker und Bauland
  • Flächenverluste durch den Abbau von Kies
  • Stickstoffeintrag durch angrenzende bewirtschaftete Flächen fördert hochwüchsige konkurrierende Pflanzen, die die Große Kuhschelle auf Dauer verdrängen

Sonstige

  • Direkte Störung durch Pflücken und Ausgraben von ganzen Individuen durch den Menschen
  • Verbuschung von offenen Lebensräumen durch das Einwandern höherwüchsiger Sträucher und Bäume bei fehlender Pflege der Lebensräume
  • Verfilzung der Pflanzendecke durch fehlende oder ungeeignete Beweidung, Mahd oder Feuereinwirkung
  • Verbiss der Blüten und Knospen durch Rehe und Hasen im nahrungsknappen Frühjahr

Erhaltungsmaßnahmen

Handlungsempfehlungen zur Erhaltung der lokalen Population der Großen Kuhschelle

Um Beeinträchtigungen durch Bewirtschaftung zu verhindern bzw. zu minimieren, werden folgende Maßnahmen empfohlen:

Landwirtschaft

  • Reduzierung des Düngereintrags aus angrenzenden Wirtschaftsflächen
  • Streifenmahd der besiedelten Flächen, wobei die Hauptwuchsorte der Großen Kuhschelle regelmäßig gemäht werden sollten (ca. 4 mal in 5 Jahren)
  • Intensives Schwadern der Flächen im Herbst mit tiefer Einstellung des Gerätes fördert die Schaffung von Keimnischen

Sonstige Maßnahmen

  • Insgesamt sollte ein differenziertes Mahdkonzept erstellt werden, das unterschiedliche Mahdzeitpunkte von Mitte Juli bis Anfang September vorsieht
  • Renaturierung ehemaliger Heideflächen in der direkten Umgebung und Erweiterung der Magerrasenflächen, um langfristig neue Wuchsorte zu schaffen
  • In Abstimmung mit den Naturschutzbehörden gezieltes Einbringen der Samen in geeignete Wuchsbereiche zur Förderung der Keimfähigkeit
  • Zur Sicherung des genetischen Potenzials wird die Anlage einer Erhaltungskultur (Genbank der Universität Regensburg: „Arche Bayern“ und/oder Kultivierung in Botanischen Gärten) angestrebt
  • In Abstimmung mit den Naturschutzbehörden fachmännisches Ausbringung vorgezogener Jungpflanzen an geeigneten Standorten (zur Unterstützung der geringen Populationsgröße) und in renaturierten Magerrasenbereichen

Programme und Projekte

Finanzierungsinstrumente für Maßnahmen und Umsetzung von Managementplänen

  • Internetseite des BfN zu Finanzierungsoptionen von Maßnahmen im Rahmen der FFH- und Vogelschutzrichtlinie.
  • Internetseite der Europäischen Union zur Förderung des Umwelt- und Naturschutzes und von entsprechenden Projekten.
  • Förderwegweiser des Bayerischen Staatsministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (StMELF) und Kulturlandschaftsprogramm (KULAP)
  • Förderwegweiser von Agrarumweltmaßnahmen (AUM) des Bayerischen Staatsministeriums für Umwelt und Verbraucherschutz (StMUV): Vertragsnaturschutzprogramm (VNP/EA). 

Projekte im Internet

  • Naturschutzgenetische Untersuchung zu Pulsatilla grandis und Pulsatilla vulgaris in Südbayern und Tschechien im Auftrag des Landesamtes für Umwelt.

Autor*in

Kontaktinformationen für weitere Auskünfte und Hilfestellungen

Für weitere Hinweise zur Art und Hilfestellungen für die Bewirtschaftung der Lebensräume wenden Sie sich bitte an die für Sie zuständige Naturschutzbehörde in Ihrer Region.

Experten

Dr. Christoph Reisch (taxonomische Beurteilung)
Universität Regensburg
Lehrstuhl für Botanik
93040 Regensburg

Autoren

Christina Meindl, Christoph Reisch, Peter Poschlod

Unter Mitarbeit von

Burkhard Quinger, Martin Scheuerer

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