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Bundesamt für Naturschutz

Rosalia alpina - Alpenbock

Geschützt nach
Anhang II FFH-Richtlinie
Anhang IV FFH-Richtlinie
EU-Code
1087*
Artengruppierung
Käfer
Status Rote Liste Deutschland
(Geiser 1998): 2 (Stark gefährdet)
Status Rote Liste Europa
(Nieto & Alexander 2010): LC (Nicht gefährdet)

Beschreibung

Ein Leben für einen sonnigen Platz an der Buche

Der Alpenbock besiedelt in Deutschland lichte Buchenhangwälder mit süd- und westexponierter Lage.
Die im gesamten EU-Gebiet seltene und bedrohte Art ist auf der Roten Liste Deutschlands als stark gefährdet eingestuft. Die Larven des Käfers entwickeln sich in abgestorbenen stehenden, seltener liegenden Stämmen und stärkeren Ästen in wärmebegünstigter Lage. In Deutschland ist die Rotbuche der Hauptbrutbaum. Die Art gehört mit einer Körpergröße bis 40 mm zu den größten und schönsten europäischen Käferarten. Ausgewachsene Käfer sind trotz ihrer Größe flugaktiv und können wahrscheinlich Strecken von mehreren hundert Metern zurücklegen.

Lebensraum

Der Alpenbock hat in Deutschland seine Vorkommen in wärmebegünstigten Bergmischwäldern, ganz überwiegend in Kalkgebieten der montanen und subalpinen Höhenstufe in Bayern und Baden-Württemberg. Er besiedelt abgestorbene stehende und trocken liegende Stämme sowie starke Äste von Laubbäumen, insbesondere von Rotbuche und Bergahorn. Der Alpenbock ist in Süddeutschland in hohem Maße ein Besiedler von schwach wüchsigen, dauerhaft licht bewaldeten Buchenstandorten mit großem Totholzangebot. Daneben besiedelt er künstlich durch Nutzung (Forstwirtschaft, Waldweide) oder durch Störungen (Wind- oder Schneebruch, Lawinenabgänge) aufgelichtete Waldgesellschaften mit bedeutenden Anteilen von Rotbuche und Bergahorn. Sein Lebensraum bietet anderen seltenen Käferarten ebenfalls Entwicklungsmöglichkeiten.

Foto: Lebensraum des Alpenbocks bei Unterneidingen (Baden-Württemberg). Hier ist aufgrund der günstigen Besonnung vor allem der Stammbereich besiedelt. In geschlossenen Wäldern werden auch abgestorbene, besonnte Kronenäste stärkerer Dimension genutzt.

Fortpflanzung/Biologie

Ökologie der Art

Der Alpenbock besiedelt in Deutschland regionalklimatisch und kleinklimatisch begünstigte Bergmischwälder in Kalkgebieten bis in subalpine Lagen (bis 1.600 m). Besiedelte Lokalitäten weisen eine S- oder W-Exposition auf (Bussler & Binner 2006). Die Art benötigt für einen langfristigen Erhalt ein dauerhaft vorhandenes, geeignetes Totholzangebot. Dies kann als Dauerbestand mit relativ gleichmäßiger Altersverteilung oder als Mosaik von unterschiedlich alten Baumbeständen vorliegen. In Deutschland sind bisher Rotbuche, Berg-, Spitz- und Feldahorn, Bergulme und Linde als Brutbaumarten bekannt. In Südeuropa besiedelt die Art auch das Flachland und nutzt hier ein breiteres Baumartenspektrum (Bense 1995). In den letzten Jahren gab es Hinweise auf eine mögliche Erweiterung des Baumartenspektrums bei mitteleuropäischen Vorkommen (vgl. dazu Ciach et al. 2007 und Cizek et al. 2009). Auch bei anderen Bockkäferarten mit einem relativ großen Verbreitungsgebiet ist eine engere Bindung in den mitteleuropäischen Vorkommen bekannt, obwohl in südeuropäischen Vorkommen ein wesentlich größeres Baumartenspektrum genutzt wird. Zur Eiablage benötigt der Alpenbock sich trocken zersetzendes Totholz in besonnter Lage. Die Flugfähigkeit ermöglicht der Art auch mehrere hundert Meter entfernt stehende potenzielle Brutbäume erfolgreich zu besiedeln (Gatter 1997, Drag et al. 2011, Bense eig. Beob. der Ausbreitung am Albtrauf und im Oberen Donautal). Systematische Untersuchungen zur Ausbreitungsfähigkeit fehlen aber bisher.

Beschreibung des Lebenszyklus im Zusammenhang mit Landnutzungsaktivitäten

Die Entwicklung der Larven im Holz vollzieht sich innerhalb von 2 bis 4 Jahren. Die Käfer haben wie andere große Bockkäfer eine Lebensdauer von 3-6 Wochen. Landnutzungsaktivitäten können sich sowohl auf die Larvalentwicklungszeit als auch auf die Aktivitätsphase der Käfer auswirken. Die Entwicklung der Larven kann sowohl im stehenden Totholz als auch im trocken liegenden Totholz erfolgreich vollzogen werden (Bense et al. 2003). Besiedelt werden Hölzer ab einem Durchmesser von etwa 20 cm. Über mehrere Generationen genutzte und besonders bruttaugliche Stämme weisen stets einen Durchmesser von über 50 cm auf. Durch forstwirtschaftliche Nutzung fehlen in der Regel solche toten starken Laubholzstämme in Wäldern, da kaum Bäume zum Absterben kommen und stehen bleiben. Zur Eiablage ist insbesondere Holz geeignet, das bereits durch abplatzende Rinde und Trockenrisse charakterisiert ist, in welche die Weibchen die Eier ablegen. Daneben werden bei gefällten Stämmen bereits früh, d.h. im ersten Jahr nach dem Einschlag, die schnell austrocknenden Schnittflächen zur Eiablage genutzt.

Alle Standorte, an denen die Art vorkommt, zeichnen sich durch einen lichten Baumbestand mit kleinklimatisch günstigen Bedingungen aus. Auf die Ausstattung und Gliederung von Waldflächen wirken sich forstwirtschaftliche Eingriffe direkt aus. Die besiedelten Lebensräume des Alpenbocks unterscheiden sich im Bezug auf den Kronenschluss der Baumwipfel und der Höhe des Unterwuchses von nicht besiedelten Waldflächen. So finden sich aktuelle und dauerhaft besiedelte Vorkommen vor allem in den kalkliebenden Lebensraumtypen der FFH-Richtlinie Seggen-Buchenwald bzw. Orchideen-Buchenwald. Wichtig für den Alpenbock sind ein lückiger Baumbestand und wenig Unterwuchs, die eine ausreichende Besonnung des Holzes ermöglichen. Gezielte Durchforstung sowie behutsame Waldweide bestehender Waldbestände und eine weniger dichte Aufforstung künftiger Waldflächen kann die strukturellen Bedingungen für den Käfer verbessern. Der Alpenbock ist oft nur punktuell an wenigen oft kleinräumig gruppierten Bruthölzern (v.a. stehendes Brutholz) nachzuweisen, kann aber bei natürlichen Störungsereignissen mit einem erhöhten Angebot an Brutholz (Windwurf) auch größere Vorkommen auf kleinem Raum aufbauen. Insofern nimmt die Räumung von Laubhölzern auf Windwurfflächen dem Alpenbock direkt zukünftigen Lebensraum. Im Flachland werden zum Teil auch die Auwälder größerer Flüsse besiedelt (Tschechien), in denen eine vergleichbare Störungsdynamik beobachtet werden kann. Bei der Besiedlung von geeigneten Flächen können größere Waldbereiche aus Nadelholz eventuell als Barriere wirken.

Lokale Population

Abgrenzung der lokalen Population

Zur Abgrenzung der lokalen Population lässt sich im Fall des Alpenbocks die räumliche Verteilung besiedelter Bäume heranziehen. Aufgrund der Flugfähigkeit der Art sind Tiere aus einem besiedelten Baum keine einzelne lokale Population, sondern immer im Zusammenhang mit weiteren Vorkommen in der näheren Umgebung zu sehen. Es existieren leider keine publizierten Informationen über individuelle Flugbewegungen zwischen besiedelten Bäumen. Nach unserer Einschätzung sind Entfernungen bis 1.200 m noch gut zu überwinden (Bense eig. Beob.), bei größeren Strecken findet vermutlich kein regelmäßiger Austausch statt. Die maximal zurückgelegte Flugdistanz eines Alpenbockweibchens betrug 1.600 m (Drag et al. 2011). Für die Bewertung des Erhaltungszustandes der Populationen geben Bussler & Binner (2006) potenziell besiedelbare Flächen im Umkreis von weniger als 2 km für eine hervorragend erhaltene Population an. Daher sind alle besiedelten Bäume und deren Umgebung bis zu 2.000 m Entfernung als Gebiet der lokalen Population anzusehen.

Gefährdung

Gefährdungsursachen

Der Alpenbock ist besonders anfällig gegen Beeinträchtigungen und Veränderungen hinsichtlich der Ausstattung und Gliederung des Lebensraums.

Land- und Forstwirtschaft

  • Entfernung von Totholz in geeigneten Laubwaldbeständen, insbesondere stehendes Totholz größerer Dimension (Durchmesser 50 cm und größer)
  • Umwandlung von buchen- und ahornreichen Mischwäldern zu Nadelholzforsten
  • Unzureichende Laubholzverjüngung durch zu hohe Wildbestände auf schwachwüchsigen Standorten im Bereich der Alpenbock-Vorkommen
  • Schnelle Räumung und Wiederaufforstung von Windwurf-, Schneebruch- und Lawinenflächen
  • Forstliche Nutzung von Wäldern nach Altersklassen
  • Verkürzte Umtriebszeit von Laubholz, v.a. Buchen, und dadurch Verhinderung von natürlichen Alterungs- und Zerfallsphasen
  • Aufgabe der Beweidung auf ehemals locker mit Buchen und Ahorn bestandenen Hängen in den bayerischen Alpen

Sonstige

  • Entfernung von Brutbäumen durch Straßenbau und Baumpflege (Verkehrs- und Wegesicherung)
  • Zu früher Kronenschluss durch Stickstoffeintrag (Düngung, Luftverfrachtung)

Erhaltungsmaßnahmen

Handlungsempfehlungen zur Erhaltung der lokalen Population des Alpenbocks

Nutzungsbedingte Beeinträchtigungen des Alpenbocks gehen vor allem von der Forstwirtschaft aus. Um Beeinträchtigungen durch Bewirtschaftung zu verhindern bzw. zu minimieren, werden folgende Maßnahmen für Waldbestände im Verbreitungsgebiet der Art empfohlen:

Landwirtschaft

  • Wiederaufnahme einer behutsamen Waldbeweidung zur Offenhaltung von Waldbeständen, die eine Laubholzverjüngung zulässt

Forstwirtschaft

  • Erhaltung aller Brutbäume, bei unumgänglicher Fällung ist eine fachgerechte Ablagerung und weitere Eignung als Brutholz zu gewährleisten
  • Aufgabe der forstwirtschaftlichen Nutzung oder nur sporadische Nutzung auf schwachwüchsigen Buchenstandorten
  • Besondere Berücksichtigung der vorliegenden Alt- und Totholzkonzepte (z.B. Baden-Württemberg, Bayern) sowie der Vorschläge in den Managementplänen für Laubholzbestände, die an besiedelte Standorte angrenzen
  • Reduzierung der Schalenwilddichte auf besiedelten und besiedelbaren Standorten mit unzureichender Laubholzverjüngung
  • Belassen von Hochstümpfen und einzelnen licht liegenden toten Laubbäumen nach Windwürfen
  • Liegenlassen von starken Kronenästen nach Durchforstung
  • Abfuhr von Lager- und Schlagholz im Umfeld von besiedelten Standorten (bis 1.200 m) vor der Flugzeit der Käfer (Mitte Juni-Ende August) um eine Anlockung und Eiablage zu verhindern

Allgemein gilt

  • Erhöhung des Totholzangebotes, hier v.a. stärker dimensioniertes Holz (Bense 2002 berichtet von erfolgreichen Stützungsmaßnahmen)
  • Offenhaltung von Waldbeständen durch Freistellung von Bäumen oder Waldweide
  • Veränderter Umgang mit durch natürliche Störungen entstandenen Windwurfflächen

Sonstige Maßnahmen

  • Im Einzelfall Ringelung von einzelnen Buchen in lichter Situation oder Randlage. Dies evtl. als Stützungsmaßnahme im Randbereich des Verbreitungsareals oder zur Schaffung von Trittsteinen zwischen aktuell besiedelten Standorten
  • Im Einzelfall Aufstellen von toten Buchenstämmen (mind. 2 m lang, 25 cm Durchmesser) in sonniger Lage (Duelli & Wermelinger 2005)

Erhaltungszustand

  • Kontinentale Region: günstig
  • Alpine Region: günstig

Programme und Projekte

Finanzierungsinstrumente für Maßnahmen und Umsetzung von Managementplänen

  • Internetseite des BfN zu Finanzierungsoptionen von Maßnahmen im Rahmen der FFH- und Vogelschutzrichtlinie
  • Finanzierungsinstrument der EU zur Förderung von Umwelt- und Naturschutz-Projekten in Europa, LIFE+

Projekte im Internet

  • „Maßnahmen zur Erhaltung besonders geschützter Käferarten - Alpenbock und Hirschkäfer - im Biosphärengebiet Schwäbische Alb"
    Gefördert im Rahmen des „Naturschutzfonds Lebendige Wälder“ der Deutschen Umwelthilfe und der Telekom Deutschland GmbH

Autor*in

Kontaktinformationen für weitere Auskünfte und Hilfestellungen

Für weitere Hinweise zur Art und Hilfestellungen für die Bewirtschaftung der Lebensräume wenden Sie sich bitte an die für Sie zuständige Naturschutzbehörde in Ihrer Region.

Experten

Ulrich Bense
Obergasse 29
72116 Mössingen

Autoren

Ulrich Bense, Jörn Buse

Unter Mitarbeit von

Thorsten Aßmann, Jörg Gebert, Lars Hendrich, Andrea Matern, Thomas Müller, Matthias Simon

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