Scolopax rusticola - Waldschnepfe
Beschreibung
Bei der Waldschnepfe handelt es sich um eine etwa taubengroße, kräftig gebaute Watvogelart. Die dämmerungs- und nachtaktiven Vögel erreichen eine Flügelspannweite von 55-65 cm. Aufgescheucht verschwinden sie oft mit schnellen, burrenden Flügelschlägen. Dabei sind neben der bauchigen Struktur vor allem der rostfarbene Schwanz und Bürzel auffällig. Charakteristisch ist außerdem der lange Schnabel, der im Flug abwärts gehalten wird. Das Gefieder ist unauffällig braun gemustert und somit am Waldboden perfekt getarnt. Beide Geschlechter sind gleich gefärbt. Bei der Balz äußern Waldschnepfen eine Abfolge grunzender Töne, gefolgt von einem hohen, explosiven Laut. Letzterer ist etwa 300 m weit hörbar (Gejl 2019, Svensson 2023).
Verbreitung
Waldschnepfen sind in der Paläarktis weit verbreitet. Ihr Brutareal erstreckt sich von den atlantischen und britischen Inseln über Nord- und Mitteleuropa ostwärts durch Zentralasien bis an die Pazifikküste und nach Japan. Disjunkte Vorkommen bestehen im Kaukasus und Himalaya.
In Deutschland sind Waldschnepfen großflächig von den Küsten bis zu den Alpen verbreitet. Abgesehen von kleineren Lücken ist das Nordwestdeutsche Tiefland vollständig besiedelt. Vor allem die Lüneburger Heide und die Münsterländer Tieflandsbucht stellen Dichtezentren dar. Dünner besiedelt sind die Marschen und die Niederrheinische Tiefebene. Das Nordostdeutsche Tiefland ist ebenfalls fast flächig, aber dünner besiedelt. Vor allem in ackerdominierten, waldarmen Regionen fehlt die Art als Brutvogel. In der Mittelgebirgsregion finden sich verschiedene Verbreitungszentren, wobei der Nordschwarzwald die höchsten Waldschnepfen-Dichten ausweist. Verbreitungslücken bilden auch hier waldarme und trockenwarme Regionen, z.B. in Rheinhessen oder dem Thüringer Becken. Nur lokal besiedelt ist das Alpenvorland, in den Alpen kommen Waldschnepfen hingegen wieder bis in Höhen von 1.800 m flächendeckend vor. Dichtezentren sind hier das Werdenfelser Land und die Chiemgauer Alpen (Gedeon et al. 2014).
Lebensraum
Brutgebiet
Waldschnepfen bevorzugen ausgedehnte, reich gegliederte, feuchte Wälder mit gut entwickelter Krautschicht. Besiedelt werden sehr unterschiedliche Habitate von Auwäldern über Laubmischwälder und Hochmoore mit Birkenaufwuchs bis zu feuchten Fichtenwäldern. Die Lebensräume reichen dabei von Niederungen bis in die Hochlagen. Besonders werden strukturreiche Laubmischwälder besiedelt, da sie mit ihren Humusböden gute Nahrungsbedingungen (Würmer und Insekten) bieten. Zu den wichtigen Habitatparametern zählen große Lichtungen und Waldschneisen oder angrenzende offene Bereiche für den Balzflug (Südbeck et al. 2005, Gedeon et al. 2014).
Zugweg und Überwinterungsgebiet
Die in Deutschland brütenden Waldschnepfen sind vorwiegend Kurzstreckenzieher. Ihre Überwinterungsgebiete, in die sie ab Anfang September aufbrechen, liegen nach derzeitigem Kenntnisstand vor allem in Großbritannien und Frankreich, doch ein Wiederfund eines als Küken beringten Vogels weist auch nach Marokko. Aufgrund der geringen Anzahl nicht flügge beringter Waldschnepfen fehlen weitere Details zum Verbleib der in Deutschland brütenden Individuen. Die auf dem Durchzug und bei der Überwinterung genutzten Lebensräume entsprechen den Bruthabitaten. Doch werden dann auch kleinere Feldgehölze sowie im Winter offene Gräben und feuchte Weiden genutzt. Die Ankunft im Brutgebiet erfolgt vor allem Ende März bis Anfang April, kann in milden Wintern jedoch bereits ab Anfang Februar erfolgen (Südbeck et al. 2005, Bauer et al. 2012, Bairlein et al. 2014, Gejl 2019).
Fortpflanzung/Biologie
Die Geschlechtsreife wird bei weiblichen Waldschnepfen regelmäßig im zweiten Kalenderjahr erreicht, bei den Männchen im dritten. Nach derzeitigem Kenntnisstand leben Waldschnepfen in polygynen Paarungssystemen, wobei die Paarbindung wohl meist nur wenige Tage andauert (Van Gils et al. 2020). Es handelt sich um Bodenbrüter, die ihr Nest meist am Rand geschlossener Baumbestände anlegen, z.B. an Wegrändern oder Lichtungen. Das Nest besteht aus einer flachen Mulde, die mit Material aus der direkten Umgebung ausgelegt wird. Es werden ein bis zwei Jahresbruten durchgeführt, bei der die Eiablage der 4 Eier vorwiegend von Ende März bis Mitte April erfolgt. Zweitbruten erfolgen ab Anfang Juni mit Eiablage bis Mitte August. Die Eier werden für 21-24 Tage allein durch das Weibchen bebrütet. Dieses führt die Küken kurz nach dem Schlüpfen aus der näheren Nestumgebung weg und füttert sie mit Regenwürmern und anderen Kleintieren. Die Jungvögel sind mit ca. 30 Tagen flügge, die Führungszeit endet jedoch erst nach 5-6 Wochen (Südbeck et al. 2005, Bauer et al. 2012, Gejl 2019).
Gefährdung
Vor allem durch Bejagung kommt es sowohl auf dem Durchzug und im Winterquartier als auch im Brutgebiet zu sehr hohen Verlusten. Darüber hinaus stellen Lebensraumverluste durch Grundwasserabsenkung und Entwässerung sowie die Intensivierung der Waldbewirtschaftung Gefährdungen dar. Eine zunehmende Fragmentierung der Wälder und verstärkter Wegebau führen ebenfalls zu negativen Lebensraumveränderungen. Dies gilt auch für die Aufforstung mit dichten Fichtenmonokulturen an Laub- und Mischwaldstandorten. Wiesenumbruch und eine Intensivierung der Landwirtschaft mit Einsatz von Düngemitteln und Bioziden wirken sich negativ auf das Nahrungsangebot aus. Freizeitnutzung und Forstbetrieb kann zu Störungen in Brutgebieten führen. Hinzu kommen Verluste an Wildschutzzäunen, im Straßenverkehr sowie an Leitungen (Bauer et al. 2012).
Lautstärke, Infraschall sowie optische Störungen durch Licht und Schlagschatten von Windenergieanlagen könnten sich negativ auswirken und zu Meideverhalten und Störung der Balz führen (Langgemach & Dürr 2023). Die Waldschnepfe wird auf der Artenliste des nationalen Artenhilfsprogramms des BfN als vom Ausbau der erneuerbaren Energien besonders betroffene Art geführt.
Schutz
Zum Erhalt geeigneter, feuchter bis nasser Bruthabitate, sollte die Waldbewirtschaftung möglichst schonend erfolgen und der Eingriff in den Wasserhaushalt der Wälder minimiert werden. Ein Ausdünnen kann die Entwicklung der Kraut- und Strauchschicht fördern. Per Wiedervernässung können drainierte Standorte wie Bruchwälder und Senken renaturiert werden. Eine erhebliche Reduktion oder Einstellung (insbesondere der Frühjahrs-)Jagd auf Waldschnepfen könnte sich positiv auf die Bestände auswirken (Bauer et al. 2012).