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Bundesamt für Naturschutz

Spiranthes aestivalis - Sommer-Drehwurz

Geschützt nach
Anhang IV FFH-Richtlinie
EU-Code
1900
Artengruppierung
Farn- und Blütenpflanzen
Synonyme
Sommer-Drehähre, Sommer-Schraubenstendel, Sommer-Wendelähre
Status Rote Liste Deutschland
(Metzing et al. 2018): 2 (Stark gefährdet)
Status Rote Liste Europa
(Bilz et al. 2011): DD (Daten ungenügend)
Verantwortlichkeit
(Metzing et al. 2018): Daten ungenügend, evtl. erhöhte Verantwortlichkeit zu vermuten

Beschreibung

Zierliche Schönheit der Sümpfe

Die Sommer-Drehwurz, oft auch als Sommer-Wendelähre oder Sommer-Wendelorchis bezeichnet, verdankt ihren Namen dem Blütenstand, der wie ein Korkenzieher gedreht ist. Die kleine Orchidee ist eine echte Sumpfpflanze und wächst besonders gerne an Standorten mit ganzjährig feuchten Bedingungen. Da sie sich kaum gegen höherwüchsige Pflanzen durchsetzen kann, sind nährstoffarme Bodenverhältnisse besonders wichtig für sie. Solche Voraussetzungen findet man in Deutschland nur noch an wenigen Stellen, hauptsächlich aber in kalkreichen Quellgebieten und Flachmooren des Alpenvorlandes und des Bodenseegebiets. Ihre deutschen Vorkommen gelten mittlerweile als stark gefährdet.

Lebensraum

Die Sommer-Drehwurz stellt ganz besondere Anforderungen an ihren Standort, der kontinuierlich durchnässt und zudem kalkreich und nährstoffarm sein muss. Solche Bedingungen können in kalkreichen Niedermooren, vorzugsweise in Hangquellmooren bisweilen auch in quellig beeinflussten Verlandungsbereichen von Seen gegeben sein. Sie bevorzugt Stellen, an denen Quellaustritte oder oberflächennah ziehendes Grundwasser für andauernd feuchte Bedingungen sorgen. Des Weiteren benötigt die kleinwüchsige Sommer-Drehwurz Stellen mit nur lockerem bis schütterem Bewuchs, da sich die Blattrosetten am besten entwickeln, wenn sie voll besonnt und nicht durch andere Pflanzen beschattet werden.

Fortpflanzung/Biologie

Ökologie der Art

Die Sommer-Drehwurz gilt als ausgesprochen konkurrenzschwach und empfindlich gegenüber bereits leichten Veränderungen des Wasserhaushalts. Schwankt der Grundwasserspiegel sehr stark und trocknet der Wurzelraum der Drehwurz vor allem im Sommer zu stark aus, können die Pflanzen dort nicht dauerhaft überleben. Deshalb findet man die Orchidee besonders häufig in Grund- oder Quellwasser gespeisten, kalkhaltigen Nieder- und Hangmooren, sowie an überrieselten Stellen in Bereichen mit Quell- bzw. Grundwassereinfluss, in Verlandungsbereichen von Stillgewässern und Flussauen. Die Pflanze benötigt viel Wärme und Licht und wächst daher bevorzugt an eher schütter bewachsenen Stellen ihres Lebensraumes, an welchen das Sonnenlicht ungehindert bis zu den Rosettenblättern vordringen kann. Die Standorte der Sommer-Drehwurz sind geprägt durch Vorkommen vom Rostroten Kopfried (Schoenus ferrugineus), in selteneren Fällen auch vom Schwarzen Kopfried (Schoenus nigricans), der Stumpfblütigen Binse (Juncus subnodulosus) oder der Steif-Segge (Carex elata). Allerdings wächst sie nur an Stellen mit einer lückenreichen Pflanzendecke der genannten Sauergräser. Dort können sich kleinwüchsige Begleit-Pflanzen erfolgreich etablieren, so zum Beispiel die typischen Begleiter der Sommer-Drehwurz: der Langblättrige Sonnentau (Drosera longifolia), das Breitblättrige Wollgras (Eriophorum latifolium), die Gewöhnliche Simsenlilie (Tofieldia calyculata), die Mehlprimel (Primula farinosa) oder Fettkraut-Arten (Pinguicula vulgaris und P. alpina).

Beschreibung des Lebenszyklus im Zusammenhang mit Landnutzungsaktivitäten

Aus einer unterirdischen Speicherwurzel entwickelt sich eine aus drei bis fünf hell- bis gelblichgrünen Blättern bestehende Blattrosette. Die Rosettenblätter sind bis zu 14 cm lang und wachsen aufrecht nach oben.

Die Fortpflanzung der Sommer-Drehwurz kann sowohl über Samen, wie auch vegetativ durch Speicherwurzeln erfolgen. Als Bestäuber der Orchideenblüte kommen Bienen, Hummeln, Schwebfliegen und nachtaktive Motten in Frage (Käsermann 1999, Künkele & Baumann 1998). Die Blütezeit beginnt in Deutschland Anfang Juli (Hauptblütezeit Ende Juli bis Ende August), während erste Samen bereits im August, hauptsächlich aber Mitte bis Ende September reifen. Untersuchungen zeigten, dass der Fruchtansatz der Sommer-Drehwurz bis zu 70 % erreichen kann, was aber witterungs- und standortbedingt stark schwanken kann (Künkele & Baumann 1998). Die staubfeinen Samen der Sommer-Drehwurz werden vor allem durch Wind und mitunter auch durch Wasser ausgebreitet. Trotzdem kommt es kaum zur Neubegründung von Vorkommen, da geeignete Lebensräume meist sehr weit voneinander entfernt liegen und nicht durch die Samen erreicht werden können. Die vegetative Bildung von Speicherwurzeln führt dazu, dass mehrere Rosetten oft in enger Nachbarschaft zueinander zu finden sind und regelrechte Büschel von Blattrosetten entstehen. Die Bildung solcher Tochterrosetten wird besonders angeregt, wenn die Pflanzen während ihres Entwicklungszyklus, z.B. zur Blütezeit, abgemäht werden.

In Feuchtgebieten entstanden offene Bereiche vor allem durch traditionelle landwirtschaftliche Nutzungsformen. Streuwiesen, also ungedüngte Wiesen auf feuchten Böden, wurden früher jährlich im Herbst zur Produktion von Einstreu für den Stall gemäht. Die Mahd erfolgte relativ kleinflächig und zu verschiedenen Zeitpunkten im Herbst. Seit den 1960er Jahren wird dies aus wirtschaftlichen Gründen kaum noch gemacht. Viele der ursprünglichen Streuriedwiesen werden entwässert, intensiv gedüngt oder brach fallen gelassen. Die Zunahme konkurrenzkräftigerer Pflanzen durch den Eintrag von Nährstoffen auf der einen Seite und die schwere Schädigungen des Wasserhaushalts durch die Nutzung großer Landmaschinen auf der anderen Seite führen zu einer starken Bedrohung der empfindlichen Sommer-Drehwurz.

Lokale Population

Abgrenzung der lokalen Population

Vorkommen der Sommer-Drehwurz sind meist nicht besonders individuenreich, da ihr Lebensraum in der heutigen Kulturlandschaft nur noch kleinflächig in ungestörtem Zustand zu finden ist. Die Abgrenzung einer lokalen Population kann somit relativ leicht erfolgen, da jeder einzelne Wuchsort als eigene Population gewertet werden kann. In Lebensräumen mit größeren Vorkommen und kontinuierlicher Verteilung der Individuen kann der Lebensraum als Ganzes als abgrenzbarer Bezugsraum gesehen werden (z.B. das gesamte Moor).

Gefährdung

Hauptgefährdungsursache für die Sommer-Drehwurz ist die Zerstörung von Kalkquellmooren seit dem 20. Jahrhundert. Vor allem die Aufgabe der Streunutzung als ursprüngliche Bewirtschaftungsweise hat ihren Rückgang vorangetrieben. Das sogenannte Auflassen von Streuwiesen, also die Einstellung der jährlichen Mahd zur Gewinnung von Einstreu in Tierställen, führte dazu, dass höherwüchsige Pflanzen zunahmen und die empfindliche Orchidee mehr und mehr beschattet und verdrängt wurde. Grundsätzlich wirken sich folgende Punkte nachteilig für das Überleben der Sommer-Drehwurz aus:

Land- und Forstwirtschaft

  • Nutzungsaufgabe und Brachfallen von vormals genutzten Flächen. Dies führt dazu, dass spärlich bewachsene Bereiche schnell verschwinden und sich die Wuchsbedingungen für die Orchidee extrem verschlechtern
  • Unzureichende Nutzung der Wuchsorte (eine Mahd im Turnus von 2 Jahren ist zu wenig und bewirkt erhebliche Rückgänge der Individuenzahlen)
  • Ungeeignetes Gerät (z.B. Gerät mit hoher Bodenaufdrucklast) verändert den Standort negativ (Auftreten von Querrinnen und Spurrillen führt zu Veränderungen der Oberflächenhydrologie)
  • Noch immer andauernde Entwässerung der Lebensräume durch Gräben. Schon ein Absenken des Bodenwassers um 10-20 cm kann einen ursprünglich geeigneten Lebensraum sehr nachteilig verändern
  • Die Düngung der Flächen und der Eintrag von Nährstoffen aus angrenzenden Wirtschaftsflächen führen ebenfalls zur Zunahme konkurrenzkräftigerer Pflanzen und zur Verdrängung der Sommer-Drehwurz

Sonstige

  • Die Absenkung des Grundwassers, z.B. infolge von Trinkwassergewinnung, erhöht die Gefahr des Austrocknens der Lebensräume und dadurch die Gefahr des Absterbens der Pflanzen
  • Schädigung der Vorkommen durch natürliche Ereignisse (andauernde Überflutung der Pflanzen, Trockenheit)
  • Trittbelastung der Lebensräume durch Hobby-Fotografen. Besonders bei sehr kleinen Vorkommen kann dieser Belastungsfaktor existenzbedrohend werden

Erhaltungsmaßnahmen

Handlungsempfehlungen zur Erhaltung der lokalen Population der Sommer-Drehwurz

Nutzungsbedingte Beeinträchtigungen der Sommer-Drehwurz gehen vor allem von der Landwirtschaft aus. Um Beeinträchtigungen zu verhindern bzw. zu minimieren, werden folgende Maßnahmen empfohlen:

Landwirtschaft

  • Einrichtung von Pufferzonen in der Umgebung der Wuchsorte durch Extensivierung angrenzender Nutzflächen (Stabilisierung des Wasserhaushalts der Lebensräume und Vermeidung von Nährstoffeinträgen)
  • Reliefschäden des Lebensraumes vermeiden und Mahd nur mit Gerät mit geringer Bodenaufdrucklast vornehmen. In sehr nassen Jahren sollte die Mahd zur Schonung des Moorreliefs ausgesetzt werden. Kleine Hangquellmoore sollten mit doppelbereiften Handbalkenmähern oder nur mit der Motorsense gemäht werden
  • Einschürige Mahd nach der Fruchtreife um dichte Kopfried-Bestände zu bekämpfen (mit breit bereiftem Balkenmäher oder breit terra-bereiften leichten Traktoren). In kollinen Lagen (Seehöhe < 550 m ü. NN) regelmäßige Mahd ab 1. August, in submontanen und montanen Lagen (ab 550 m ü. NN) ab 15. August. Kommen weitere artenschutzbedeutsame Arten, wie z.B. Liparis loeselii (Sumpf-Glanzkraut), im Lebensraum vor, sollte die Mahd in die Herbstmonate verlegt werden
  • Gelegentlich kann eine Mahd auch zur Blütezeit erfolgen (ca. alle 4 bis 5 Jahre), da dadurch die vegetative Vermehrung angeregt wird. Diese sollte nur in Streifen erfolgen (Breite eines Messerbalkens) und nicht den gesamten Wuchsort umfassen
  • Brachestadien (auch nur kurzfristig) vermeiden und das Einwandern von Bäumen und Sträuchern (Sukzession) verhindern
  • Keine Koppelstandweide oder zu hohe Weide-Besatzdichte. Wenn Beweidung, dann kurze Weidezeit. Mahd als Pflegemaßnahme ist aber immer einer Beweidung vorzuziehen. Die Eignung von Beweidung sollte einzelfallabhängig geprüft werden und sollte immer durch ein Monitoring begleitet werden

Sonstige Maßnahmen

  • Schutz der Lebensräume und des gesamten hydrologischen Einzugsgebiets (z.B. durch vorsichtiges Wieder-Anheben des Grundwasserspiegels, Verzicht auf Grabenräumungen)
  • Hydrologische Sanierung der Wuchsorte
  • Gegebenenfalls austreibendes Schilf im Frühjahr (Mai/Juni) durch Handmahd (Schnitthöhe 10 cm) im Wuchsbereich der Sommer-Drehwurz entfernen (nur in sehr kleinen, individuenarmen Wuchsorten praktikabel)
  • Jährliche Bestandszählung der blühenden Individuen (das Zeitfenster ist infolge der kurzen Blütezeit sehr begrenzt)
  • Für jeden Standort sollte ein individueller Pflegeplan erarbeitet werden
  • Überwachung von Wasserpegel und pH-Wert, Kontrolle der Quellschüttung

Erhaltungszustand

  • Kontinentale Region: ungünstig - unzureichend
  • Alpine Region: ungünstig - schlecht

Programme und Projekte

Finanzierungsinstrumente für Maßnahmen und Umsetzung von Managementplänen

  • Internetseite des BfN zu Finanzierungsoptionen von Maßnahmen im Rahmen der FFH- und Vogelschutzrichtlinie
  • Internetseite der Europäischen Union zur Förderung des Umwelt- und Naturschutzes und von entsprechenden Projekten.
  • Förderwegweiser des Bayerischen Staatsministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (StMELF) und Kulturlandschaftsprogramm (KULAP)
  • Förderwegweiser von Agrarumweltmaßnahmen (AUM) des Bayerischen Staatsministeriums für Umwelt und Verbraucherschutz (StMUV): Vertragsnaturschutzprogramm (VNP/EA).

Projekte im Internet

  • Artenschutzprojekt Sommer-Drehwurz in Baden-Württemberg

    Autor*in

    Kontaktinformationen für weitere Auskünfte und Hilfestellungen

    Für weitere Hinweise zur Art und Hilfestellungen für die Bewirtschaftung der Lebensräume wenden Sie sich bitte an die für Sie zuständige Naturschutzbehörde in Ihrer Region.

    Experten

    Burkhard Quinger
    Kienbachstraße 7
    82211 Herrsching

    Martin Engelhardt
    Ebertstraße 37
    72072 Tübingen

    Autoren

    Christina Meindl, Burkhard Quinger, Martin Engelhardt, Peter Poschlod

    Unter Mitarbeit von

    Christoph Reisch

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