Öffnet eine externe Seite Link zur Startseite

Bundesamt für Naturschutz

Thesium ebracteatum - Vorblattloses Leinblatt

Geschützt nach
Anhang II FFH-Richtlinie
Anhang IV FFH-Richtlinie
EU-Code
1437
Artengruppierung
Farn- und Blütenpflanzen
Synonyme
Vorblattloser Bergflachs, Vorblattloses Vermeinkraut, Thesium comosum, Thesium pratense
Status Rote Liste Deutschland
(Metzing et al. 2018): 1 (Vom Aussterben bedroht)
Status Rote Liste Europa
(Bilz et al. 2011): LC (Nicht gefährdet)
Verantwortlichkeit
(Metzing et al. 2018): Allgemeine Verantwortlichkeit

Beschreibung

Facettenreich und unscheinbar

Das sehr seltene Vorblattlose Leinblatt trifft man in Deutschland nur noch an vier Wuchsorten in Niedersachsen und in Brandenburg an. Die leicht zu übersehende und von Ameisen verbreitete Pflanze ist in der Lage, Nährstoffe von anderen Pflanzen abzuzweigen. Das Vorblattlose Leinblatt besiedelt in Deutschland sandige, saure und wärmebegünstigte Standorte auf Heiden und Magerrasen. Eine Überwinterung wird durch eine unterirdisch verdickte Sprossachse gewährleistet, welche im Frühjahr wieder austreibt. In Deutschland ist diese Art mittlerweile vom Aussterben bedroht.

Lebensraum

Das Vorblattlose Leinblatt besiedelt sandige, bodensaure und sommerwarme Standorte in Heiden, Borstgrasrasen oder Sandmagerrasen. Der kleinräumige Wechsel trockener und wechselfeuchter Standorte an Rändern von Urstromtälern und Endmoränen wird bevorzugt. Offensichtlich ist ein oberflächennahes Durchströmen von etwas basenreichen Wassers erforderlich. Alle Wuchsorte zeichnen sich durch nährstoffarme Böden ohne starke Humusauflage aus. In Brandenburg kommt die Art in Magerrasen, die zum frischen Grünland überleiten, vor. Der einzige niedersächsische Wuchsort liegt in lehmigen Bereichen einer Sandheide. Ursprüngliche Lebensräume waren vermutlich lichte Kiefern-Heide-Wälder.

Fortpflanzung/Biologie

Ökologie der Art

In Deutschland wächst das Vorblattlose Leinblatt hauptsächlich in wärmeliebenden Rasen- und Heidegesellschaften über sauren, sandigen Böden (Oberdorfer 2001). Neben diesen Borstgrasrasen, Sandmagerrasen und Heiden werden auch basenreiche anlehmige Standorte besiedelt (Garve 1994, Zach 1955). In Österreich findet man es sogar in Entwicklungsstadien von Pfeifengraswiesen (Ellmauer 2005). Das Vorblattlose Leinblatt scheint eine kulturabhängige Art zu sein, wobei viele der heutigen Vorkommen an Wegrändern und -säumen mit geringer Nutzung zu finden sind. Sie liebt eine niedrigwüchsige, nicht ganz geschlossene Pflanzendecke ohne störende höherwüchsige Konkurrenz, ist allerdings keine ausgesprochene Pionierpflanze (Hauke 2003). Vermutlich spielte die extensive bzw. sporadische Beweidung der Lebensräume in früheren Zeiten eine entscheidende Rolle bei der Schaffung günstiger Wuchsbedingungen.

Beschreibung des Lebenszyklus im Zusammenhang mit Landnutzungsaktivitäten

Aus einer unterirdisch verdickten Sprossachse treiben im Frühjahr die ersten Triebe des Vorblattlosen Leinblatts aus. Im Mai erscheinen dann die unscheinbaren, grünlichen Blüten. Sie werden von Insekten bestäubt und blühen von Mai bis Juni. Bereits im Juni können erste Früchte vorhanden sein, die abfallen und hauptsächlich durch Ameisen ausgebreitet werden (Rothmaler 2002). Insgesamt werden allerdings meist nur noch sehr wenige Samen gebildet (Hauke 2003). Die Fernausbreitung der Samen könnte durch Weidevieh erfolgen bzw. erfolgt sein. Die Vereinzelung der noch vorhandenen Vorkommen und das Fehlen großflächiger Wanderschäferei verhindern allerdings eine Neubesiedlung geeigneter Standorte.

Mit Hilfe unterirdischer Ausläufer kann sich die Pflanze durch eine Vielzahl von Trieben auch vegetativ ausbreiten. Diese Ausläufer sind als Individuen nicht einzeln abgrenzbar und bilden alle zusammen ein sogenanntes Polykormon. Aus diesem Grunde sind die Vorkommen des Vorblattlosen Leinblatts durch eine geringe Anzahl genetisch verschiedener Individuen gekennzeichnet.

Im Herbst sterben die oberirdischen Pflanzenteile ab. Die Überwinterung wird durch die unterirdische Sprossachse gewährleistet (Wagenitz 1981).

Das Vorblattlose Leinblatt ist ein sommergrüner Halbschmarotzer, der mit Hilfe von Saugorganen (Haustorien) Nachbarpflanzen anzapft und damit Wasser und Nährsalze abzweigt. Eine einzelne Pflanze kann zur gleichen Zeit mehrere unterschiedliche Arten als Wirtspflanze nutzen (Hauke 2003).

In ungünstigen Jahren bildet das Vorblattlose Leinblatt keine oberirdischen Triebe aus, sondern überdauert vermutlich unter der Erde.

Lokale Population

Abgrenzung der lokalen Population

Es existieren vier Vorkommen des Vorblattlosen Leinblatts in Deutschland. Alle befinden sich in Schutzgebieten (Natura 2000-Gebieten). Jedes Vorkommen stellt eine lokale Population dar. Möglicherweise entspringt jede Lokalpopulation einer einzigen Mutterpflanze.

Gefährdung

Das Vorblattlose Leinblatt ist hauptsächlich durch die Vernichtung seiner Lebensräume und die Aufgabe großflächiger Weidenutzungen gefährdet.

Land- und Forstwirtschaft

  • Nährstoffeinträge aus der Luft und angrenzenden landwirtschaftlich genutzten Flächen fördern konkurrenzstarke Pflanzen, die das Vorblattlose Leinkraut verdrängen
  • Nutzungsaufgabe und damit Verbuschung der besiedelten Flächen
  • Änderungen der Wasserverhältnisse
  • Nutzungsintensivierung
  • Beweidung bzw. Mahd zum falschen Zeitpunkt (vor der Fruchtreife) verhindert die Bildung von Samen
  • Umbruch, Einsaaten, Anpflanzungen, Pestizideinsatz und intensive Beweidung (ein Fall mit partieller Pferdebeweidung in Brandenburg problematisch)

Sonstige

  • Geringe Anzahl der Standorte (genetische Verarmung)

Erhaltungsmaßnahmen

Handlungsempfehlungen zur Erhaltung der lokalen Population des Vorblattlosen Leinblatts

Nutzungsbedingte Beeinträchtigungen des Vorblattlosen Leinblatts gehen vor allem von der Land- und Forstwirtschaft aus. Um Beeinträchtigungen durch Bewirtschaftung zu verhindern bzw. zu minimieren, werden folgende Maßnahmen empfohlen:

Landwirtschaft

  • Zur Öffnung der Pflanzendecke sollte die Mahd um Pflanzengruppen (Polykormon) herum erfolgen (auch schon vor dem möglichen Mahdzeitpunkt für die bestehende Population)
  • Einmalige Mahd ab Mitte Juli
  • Abtransport des Mähgutes

Forstwirtschaft

  • Besonnung fördern, Rückschnitt/Beseitigung beschattender Gehölze

Sonstige Maßnahmen

  • Artenhilfsprogramm für die Organisation der Pflege initiieren (Pflegekonzepte der Länder sind zu berücksichtigen)
  • Versuch der Wiederansiedlung, historische Bestände wiederbeleben (z.B. Verbringung von Böden mit der Art)
  • Evtl. Kultivierung, jedoch schwierig wegen Lebensweise (Halbparasit)
  • Umgebungsschutz und Sicherung der Standortverhältnisse
  • Vermehrungsrate erhöhen durch die Schaffung von kleinräumigen Bodenverwundungen, um Keimnischen zu etablieren
  • Beschattung reduzieren

Erhaltungszustand

  • Atlantische Region: ungünstig - schlecht
  • Kontinentale Region: ungünstig - schlecht

Programme und Projekte

Finanzierungsinstrumente für Maßnahmen und Umsetzung von Managementplänen

  • Internetseite des BfN zu Finanzierungsoptionen von Maßnahmen im Rahmen der FFH- und Vogelschutzrichtlinie.
  • Internetseite der Europäischen Union zur Förderung des Umwelt- und Naturschutzes und von entsprechenden Projekten.
  • Förderwegweiser des Bayerischen Staatsministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (StMELF) und Kulturlandschaftsprogramm (KULAP)
  • Förderwegweiser von Agrarumweltmaßnahmen (AUM) des Bayerischen Staatsministeriums für Umwelt und Verbraucherschutz (StMUV): Vertragsnaturschutzprogramm (VNP/EA).

Autor*in

Kontaktinformationen für weitere Auskünfte und Hilfestellungen

Für weitere Hinweise zur Art und Hilfestellungen für die Bewirtschaftung der Lebensräume wenden Sie sich bitte an die für Sie zuständige Naturschutzbehörde in Ihrer Region.

Experten

Dr. Eckhard Garve
Niedersächsischer Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN)
Betriebsstelle Süd
Rudolf-Steiner-Str. 5
38120 Braunschweig

Dr. Frank Zimmermann
Landesamt für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz des Landes Brandenburg, Ref. Ö2
Seeburger Chaussee 2
14476 Potsdam

Autoren

Steffen Heelemann, Christina Meindl, Eckhard Garve, Frank Zimmermann, Peter Poschlod

Unter Mitarbeit von

Matthias Dolek, Burkhard Beinlich

Zurück nach oben