Tringa totanus - Rotschenkel
Beschreibung
Rotschenkel sind mittelgroße Watvögel, die sich vor allem durch ihre namensgebenden roten Beine und eine rote Schnabelbasis kennzeichnen. Bei einer Länge von 24-27 cm beträgt die Flügelspannweite 47-53 cm. Die Oberseite ist in allen Kleidern graubraun gesprenkelt, im Schlichtkleid jedoch recht einfarbig. Auch die dunkle Fleckung der Flanken ist dann reduziert. Im Jugendkleid weisen die Federränder der Oberseite beige Randflecken auf, Hals und Brust sind deutlich gestrichelt und die Beine gelborange gefärbt. Im Flug fallen beim Rotschenkel ein weißer Rückenkeil und der breit weiße Flügelhinterrand auf. Die Art ist sehr stimmfreudig und ihre kräftig flötenden, teils mehrsilbigen Rufe charakteristisch (Gejl 2019, Svensson 2023).
Verbreitung
Rotschenkel sind die weltweit am weitesten verbreitete Limikolenart und Brutvogel weiter Teile der Paläarktis. Das Areal erstreckt sich von Island und der Iberischen Halbinsel ostwärts über Skandinavien und das europäische Festland in einem breiten Gürtel über China bis an die Pazifikküste.
In Deutschland brütet mit etwa 75 % der überwiegende Teil der Rotschenkel im Küstenbereich des Wattenmeeres. Die Salzwiesen am Jadebusen, in der Leybucht und am Dollart in Niedersachsen sowie die Vorlandgebiete in Dithmarschen und Nordfriesland in Schleswig-Holstein bilden dabei Dichtezentren. Von der Küste strahlen die Vorkommen in die Seemarschen und bis an den Geestrand aus. Verbreitungsschwerpunkte bilden die Marschengebiete Ostfrieslands, in der Wesermarsch, im Elbeästuar sowie in der Dithmarscher Marsch und auf der Eiderstedter Halbinsel. Mit zunehmender Entfernung von der Küste nimmt die Bestandsdichte ab, bedeutende Vorkommen bilden aber z.B. die Leda-Jümme-Niederung und die Wümme-Hamme-Niederung. Weiter im Binnenland existiert im Nordwestdeutschen Tiefland ein größeres Vorkommen im Bereich Dümmer/Diepholzer Moorniederung. Weitere Vorkommen im Niederrheinischen Tiefland stellen einen Ausläufer der Vorkommen in den Niederlanden dar. Im Nordostdeutschen Tiefland brüten Rotschenkel vor allem entlang der Ostseeküste. Im Binnenland stellen Mittlere und Untere Havel, die Elbtalaue bis ins Wendland, das Untere und Mittlere Odertal sowie die Oberlausitz Schwerpunktvorkommen dar. Weiter südlich kommen Rotschenkel in Deutschland lediglich noch in Bayern als Brutvogel vor. Die Vorkommen beschränken sich dabei auf das Altmühltal, die Donau östlich von Regenburg und die Regentalaue bei Cham (Gedeon et al. 2014, Gejl 2019).
Lebensraum
Brutgebiet
Sowohl Küstenlebensräume als auch binnenländische Feuchtgebiete werden vom Rotschenkel als Bruthabitate genutzt. An der deutschen Nordseeküste besiedeln Rotschenkel unbeweidete Salzwiesen, Dünentäler und Marschengrünländer, an der Ostseeküste insbesondere auf den Boddeninseln extensiv genutzte Feuchtgrünländer. Weiter im Binnenland werden Flussmarschen besiedelt, auch offene, gewässerreiche Hoch- und Niedermoore sowie wiedervernässte Torfabbauflächen werden als Bruthabitat genutzt. Während die Nahrungssuche an der Nordsee überwiegend im Watt stattfindet, werden andernorts feuchte Wiesen und Weiden genutzt (Südbeck et al. 2005, Gedeon et al. 2014).
Zugweg und Überwinterungsgebiet
Die in Deutschland brütenden Rotschenkel sind überwiegend Kurzstreckenzieher. Auf dem Herbstzug ziehen viele Vögel entlang der Küsten südwestwärts nach West-Frankreich, Spanien und Portugal. Andere ziehen in südlicherer Richtung an die französische Mittelmeerküste und nach Italien. Außerhalb der Brutzeit findet man Rotschenkel vor allem in Küstengebieten. Der Heimzug findet ab Mitte März statt, die Revierbesetzung vorwiegend Ende März bis Mitte April (Südbeck et al. 2005, Bairlein et al. 2014, Gejl 2019).
Fortpflanzung/Biologie
Die Geschlechtsreife erreichen Rotschenkel bereits im ersten Lebensjahr, die erste Brut findet jedoch oft erst ein Jahr später statt. Zwar gehen die Partner nur eine monogame Saisonehe ein, Paartreue ist jedoch über bis zu fünf Jahre nachgewiesen – möglicherweise als Folge von Ortstreue. Polygamie wird vermutet, ebenso eine Paarbindung während des Winters. Die Reviermarkierung erfolgt vor allem im April durch Ausdrucksflüge mit Schwirr- und Gleitphasen. Die Bodenbrüter legen ihr Nest meist in Wassernähe gut getarnt in der Vegetation an. Dabei wählt das Weibchen eine der vom Männchen zuvor angelegten Mulden aus. Über dem Nest wird die Vegetation oft zu einer Haube zusammengezogen. Oft brüten Rotschenkel in unmittelbarer Nachbarschaft zu anderen Limikolenarten. Sie zeigen gemeinschaftliches Abwehrverhalten gegenüber Nestfeinden. Es findet lediglich eine Jahresbrut statt, bei der die meist 4 Eier vorwiegend zwischen Ende April und Mitte Mai gelegt werden. Beide Partner bebrüten diese für 22-24 Tage. Nach dem Schlupf werden die Küken oft in nahrungsreiche Aufzuchtgebiete geführt und nach 10-14 Tagen vom Weibchen verlassen, während das Männchen anschließend allein zuständig ist. Mit 23-27 Tagen werden die Jungvögel flügge (Südbeck et al. 2005, Bauer et al. 2012, Gejl 2019).
Gefährdung
An der Küste sind die Lebensräume vor allem durch Eindeichung der Vorländer, die Entwässerung und Austrocknung der Salzwiesen sowie Überbauung gefährdet. Die Verschlechterung oder Zerstörung der Bruthabitate spielt durch Grundwasserabsenkungen, Entwässerung, Grünlandumbruch sowie Intensivierung der Landwirtschaft und Beweidung auch bei den Binnenlandvorkommen eine entscheidende Rolle. Hinzu kommen Lebensraumveränderungen auch in den Durchzugs- und Überwinterungsgebieten.
Durch frühe Mahd und Ernte, erheblichen Viehtritt und Prädation kommt es häufig zu Gelege- und Jungvogelverlusten. Auch Störungen am Brutplatz stellen eine Gefährdung dar (Bauer et al. 2012). Zu einer Lebensraumentwertung könnte es aufgrund von Meideverhalten auch durch Windenergieanlagen kommen (Langgemach & Dürr 2023). Der Rotschenkel wird auf der Artenliste des nationalen Artenhilfsprogramms des BfN als vom Ausbau der erneuerbaren Energien besonders betroffene Art geführt.
Schutz
Die vorhandenen Brutbiotope der Rotschenkel sollten gepflegt und erhalten oder wiederhergestellt werden. Dies kann durch Wiedervernässung, Wässerung im Winter, Reduzierung von Drainage und Nährstoffeintrag sowie einer kontrollierten Extensivnutzung erfolgen und umfasst zudem den Erhalt sowie die Vergrößerung der unbeweideten Salzwiesenfläche. Die Schaffung von Flachgewässern und die Aufgabe der Vorlandbeweidung könnten sich positiv auswirken. Der Anbau hochproduktiver Grassorten sollte vermieden werden, ebenso anthropogene Störungen in den Brutgebieten. Gebietsankauf und Entschädigungszahlungen an Landwirte können zum nachhaltigen Schutz beitragen (NLWKN 2011, Bauer et al. 2012).