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Bundesamt für Naturschutz

Tursiops truncatus - Großer Tümmler

Geschützt nach
Anhang II FFH-Richtlinie
Anhang IV FFH-Richtlinie
EU-Code
1349
Artengruppierung
Sonstige Säugetiere
Status Rote Liste Deutschland
(Meinig et al. 2020): 0 (Ausgestorben, ca. 1970)
Status Rote Liste Europa
(Wells et al. 2019): LC (Nicht gefährdet)
Verantwortlichkeit
(Meinig et al. 2020): Allgemeine Verantwortlichkeit

Beschreibung

„Flipper“ kommt auch in der Nordsee vor

Der Große Tümmler ist dank des Fernsehens die bekannteste Delfinart. Er kommt in verschiedenen Formen in fast allen Weltmeeren vor und war früher auch an deutschen Küsten zu Hause. Große Tümmler gelten als die robustesten Delfine, doch etwa zur Mitte des letzten Jahrhunderts wurde der Einfluss der menschlichen Nutzung in der Deutschen Bucht zu groß. Heute kommen in der Nordsee nur noch kleine Bestände der küstennah lebenden Form an britischen und französischen Küsten vor. Gemäß der Roten Liste Deutschland gilt der Große Tümmler in Deutschland (ähnlich wie in den Niederlanden) seit 1970 als ausgestorben. Dank der ökologischen Flexibilität der Art ist jedoch nicht auszuschließen, dass sie in Zukunft wieder an die gesamte Nordseeküste zurückkehren könnte, so wie sie sich z.Zt. schon von der schottischen Ostküste nach Süden in Richtung England ausdehnt. Damit diese Delfinart auch in der Deutschen Bucht wieder heimisch werden könnte, müssten küstennahe Lebensräume wie Buchten und Prielsysteme sowie Flussästuare wieder zugänglich und störungsarm gestaltet werden.

Verbreitung

Der Große Tümmler gilt zwar gemeinhin als der typische Delfin, doch ist die Art dank ihrer ökologischen Anpassungsfähigkeit eigentlich so vielgestaltig, dass eine taxonomische Aufteilung in mehrere eigenständige Arten wahrscheinlich ist. Bisher unterscheidet man zumeist mindestens zwei Ökotypen: Küstennah leben etwas kleinere, hellgrau gefärbte Tümmler, die oft ortstreu und in kleineren Gruppen leben, während fernab der Küsten größere Gruppen mit großen, dunklen Offshore-Tümmlern umher vagabundieren. Zwischen den beiden Tümmlerformen ist keine klare Grenze zu ziehen, da die Art lokal sehr variabel ist und die Wahl der Lebensräume von mehreren veränderlichen Faktoren abzuhängen scheint. Die küstennah lebenden Großen Tümmler können anscheinend in einer Vielzahl von Lebensräumen von flachen Buchten und Prielsystemen in Marschen bis zu tiefen Fjorden oder geschäftigen Häfen leben und zeigen meist keine besondere Scheu vor Schiffen. Einzeltiere suchen teilweise auch über längere Zeiträume aktiv die Gesellschaft von Menschen auf. In subtropischen Lebensräumen scheinen Große Tümmler relativ tolerant zu sein gegen Lärm und Verschmutzung. Große Tümmler sind dank ihrer Intelligenz in der Lage, eine Vielzahl von Jagdmethoden zu entwickeln und zu perfektionieren. So können sie u.a. kleine Beutefische an Land treiben und dort absammeln oder einzelne, benthisch lebende Fische im Sediment aufspüren. Entsprechend vielfältig ist ihre Fischnahrung, d.h. sie gelten als Nahrungsgeneralisten, die gelegentlich sogar Tintenfische verspeisen.

Lebensraum

Der Große Tümmler ist weltweit in tropischen und subtropischen Regionen verbreitet, wobei sich küstennah und küstenfern lebende Ökotypen (ökologische Formen oder Variationen einer Art) herausgebildet haben, die sich in Aussehen und Lebensweise voneinander unterscheiden. In subtropischen Gewässern (z.B. im Golf von Mexiko) ist der Große Tümmler bei ausreichender Nahrungsgrundlage in der Lage, auch massive Beeinträchtigungen durch menschliche Nutzungen (z.B. Störungen, Verschmutzungen, starken Unterwasserlärm und die teilweise Zerstörung abwechslungsreicher Küstenlebensräume mit Ästuaren, Buchten und vielfältigem Relief) zu ertragen. Für die Nordsee scheint das jedoch nicht zu gelten.

Fortpflanzung/Biologie

Der Lebenszyklus des Großen Tümmlers hängt wesentlich vom jeweiligen Ökotyp ab. In der Nordsee scheint heutzutage nur die Küstenform vorzukommen, die meist küstennah und relativ standorttreu in verhältnismäßig kleinen Gruppen vorkommt. Dabei gehören normalerweise die Mitglieder mehrerer Kleingruppen zu einem lokalen Verband und werden regelmäßig unter den Gruppen ausgetauscht. Dieses Verhaltensmuster kann auch in anderen Teilen der Welt beobachtet werden (z.B. an der US-Küste des Golfes von Mexiko), wobei die geographische Ausdehnung des lokalen Verbandes variieren kann und z.B. in Irland die gesamte Küste einzuschließen scheint, wie Wiedersichtungen über Entfernungen von bis zu 650 km nahe legen (O’Brien et al. 2010).

Der Große Tümmler gilt als am besten untersuchte Delfinart. Sein Lebenszyklus ist im Freiwasser vor allem in den USA, Australien, Neuseeland, Südafrika und im Mittelmeer eingehend studiert worden. In Florida ergaben Zahnschliffe, dass Große Tümmler bis zu 48 Jahre (Männchen) bzw. 57 Jahre (Weibchen) alt werden können. Im Alter von 5–13 Jahren werden sie geschlechtsreif und nach einer Tragezeit von etwa einem Jahr säugen sie ihr einzelnes Kalb etwa 1,5-2 Jahre lang. Ein Weibchen bekommt ihr nächstes Kalb etwa nach 3-6 Jahren meistens in den wärmeren Monaten von Mai bis September auf der Nordhalbkugel. Für Paarung und Geburt sind keine besonderen Gebiete bekannt, doch dürften zumindest zum Kalben störungsarme Bereiche aufgesucht werden. Jahreszeitliche Wanderungen sind bei den küstennah lebenden Tümmlern in Europa nicht bekannt, wohl aber entlang der Ostküste der USA.

Heute ist der Große Tümmler in der Deutschen Bucht nur noch ein sehr seltener Gast (z.B. 2004, als eine große Tümmler-Gruppe von 50-200 Tieren von Belgien bis zur Elbmündung verfolgt werden konnte).

Gefährdung

Der Große Tümmler ist nicht nur in der Nordsee besonders durch Störungen ausgehend vom Schiffsverkehr und anderen menschlichen Aktivitäten sowie durch schleichende Vergiftung gefährdet. Weltweit gilt er nicht als gefährdet, doch steigt die Anzahl der Gebiete mit zurückgehenden Beständen. In ansonsten optimalen Lebensräumen scheint die Art gegen Unterwasserlärm weniger empfindlich zu sein, da in anderen Teilen der Welt zum Teil auch Industriehäfen zum regelmäßigen Jahreslebensraum gehören. Umso mehr dürften dort aber Umweltgifte die Fortpflanzung und die Gesundheit gefährden.

Für das Aussterben des Großen Tümmlers in der südöstlichen Nordsee könnte ein mit starkem Schiffsverkehr und einer Verbauung der Küste einher gehender Lebensraumverlust verantwortlich gewesen sein. So blieben z.B. die weit bekannten Großen Tümmler im niederländischen Marsdiep (von Januar bis Mai zwischen Den Helder und Texel) aus, nachdem vorausgegangene Abdeichungen die Frühjahrswanderungen des lokalen „Zuyder Zee-Herings“ zum Erlöschen gebracht hatten. Gleichzeitig sanken auch die jährlichen Strandungszahlen in den Niederlanden auf null ab (Camphuysen et al. 2006).

Fischereiwirtschaft

  • Eine Reduktion der Nahrungsfische, insbesondere der Heringe, kann dem Großen Tümmler lokal – und vermutlich auch überregional – die Lebensgrundlage entziehen, wie das niederländische Beispiel zeigt.
  • Darüber hinaus ist es möglich, dass Große Tümmler in Fischernetzen „beigefangen“ werden und darin umkommen, was zumindest an der US-amerikanischen Ostküste ein großes Problem darstellt.

Sonstige

  • Die Eindeichung von Ästuaren und natürlichen Flussläufen und ihren Nebenarmen sowie weitere Wasserbaumaßnahmen haben zu einer weitreichenden Lebensraumzerstörung im Bereich der Deutschen Bucht geführt.
  • Die Einleitung von Schwermetallen und langlebigen organischen Giften, wie z.B. polychlorierte Biphenyle (PCB) u.v.a.m., führen zu einer ständig anwachsenden Anreicherung, z.B. im Fettgewebe der relativ langlebigen Großen Tümmler, und können zu reduziertem Fortpflanzungserfolg und geschwächter Immunabwehr führen.
  • Starker Schiffsverkehr, wie z.B. in der südlichen Deutschen Bucht, führt zu einer ständigen Belastung durch fortwährende Störungen mit vielfältigen Nachteilen auch für das Sozialgefüge und in Folge dessen auch für den Fortpflanzungserfolg.

Erhaltungsmaßnahmen

  • Wo Große Tümmler regelmäßig vorkommen sollte auf Stellnetzfischerei verzichtet werden, da sie sonst leicht in Stellnetzen beigefangen werden.

Industrielle Aktivitäten

  • Sehr lauter, knallartiger Lärmeintrag in den Wasserkörper durch industrielle Aktivitäten wie Rammen (z.B. von Fundamenten oder Spundwänden) und Explosionen (z.B. beim Rückbau von industriellen Einrichtungen) usw. sollten durch lärmdämmende Maßnahmen, wie z.B. der Verwendung eines Blasenschleiers, auf ein ungefährliches Niveau reduziert werden. Das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie verlangt die Einhaltung des Grenzwertes von 160 dB SEL in 750 m Entfernung zur Emissionsstelle für Lärmemissionen, insbesondere bei Rammarbeiten (www.bsh.de).
  • In Natura2000-Schutzgebieten, die gemäß der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie für den Großen Tümmler, wie auch für den Schweinswal, eingerichtet wurden, sollten menschliche Störungen auf ein Minimum reduziert werden, z.B. indem die maximale Geschwindigkeit von Wasserfahrzeugen auf höchstens 10-16 Knoten begrenzt wird. Des Weiteren sollten alle Fahrzeuge prinzipiell einen Mindestabstand von 100 m zu Gruppen von Großen Tümmlern einhalten und die Tiere nicht verfolgen.
  • Direkte und indirekte (z.B. über Flüsse) Einträge von langlebigen Giften, wie z.B. halogenierten Kohlenwasserstoffen oder Schwermetallen, sind in jedem Fall völlig zu vermeiden.

Behördliche Aktivitäten

  • Munitionsräumungen im Rahmen der Verkehrssicherungspflicht sollten aus den oben genannten Gründen ebenfalls vorzugsweise ohne Detonation erfolgen, z.B. durch Bergung und Entsorgung an Land.

Militärische und seismologische Aktivitäten

  • Um eine Gehörschädigung durch den Einsatz von Unterwasser-Sonaren oder ‚Airguns‘ zu vermeiden, sollten geübte Beobachter an Bord von Fahrzeugen eingesetzt werden und die Nutzung der Sonare bzw. ‚Airguns‘ sowie die Unterwasserdetonation von Kampfmitteln bei der Anwesenheit von Walen oder Delfinen sofort eingestellt werden.
  • Um Störungen zu vermeiden, sollten Verbreitungsschwerpunkte, z.B. in der nördlichen Nordsee, allgemein als Manövergebiete und für seismologische Erkundungen von geologischen Lagerstätten gemieden werden.

Autor*in

Kontaktinformationen für weitere Auskünfte und Hilfestellungen

Für weitere Hinweise zur Art und Hilfestellungen für die Bewirtschaftung der Lebensräume wenden Sie sich bitte an die für Sie zuständige Naturschutzbehörde in Ihrer Region.

Experten

Bundesamt für Naturschutz
Fachgebiet Meeres- und Küstennaturschutz
Außenstelle Insel Vilm
18581 Putbus/Rügen

ASCOBANS-Sekretariat
UN Campus
Hermann-Ehlers-Straße 10
53113 Bonn

Deutsches Meeresmuseum
Katharinenberg 14-20
18439 Stralsund

Forschungs- und Technologiezentrum Westküste
der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel
Hafentörn 1
25761 Büsum

Autor

Dr. Stefan Bräger

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